Artenschutz:Zorro ist auf dem Rückzug

Lesezeit: 3 Min.

Der Gartenschläfer ist gut an seinen schwarz umrandeten Augen zu erkennen. (Foto: Sven Büchner/dpa)

Es ist noch nicht lange her, da waren Gartenschläfer auch in Bayern weit verbreitet. Inzwischen gelten die Bilche als stark gefährdet, in vielen Regionen sind die Vorkommen bereits erloschen.

Von Christian Sebald, München

Die Zeiten sind noch nicht fern, da hat es so viele Gartenschläfer gegeben, dass die Nager in einigen Regionen als regelrechte Plage gegolten haben. So berichtet es zumindest Uwe Friedel, Biologe und Artenschutzreferent beim Bund Naturschutz (BN). "Gerade Gartenbesitzer haben die kleinen Tiere oft rücksichtslos verfolgt, weil sie so häufig waren", sagt Friedel. "Einmal da haben die Nager sogar das Sendegebäude des ZDF in Mainz lahmgelegt, weil sie Kabel angefressen hatten." Die Zeiten sind längst vorbei. Das Landesamt für Umwelt (LfU), das für die Erfassung der Artenvielfalt in Bayern zuständig ist, stuft den Gartenschläfer auf seiner roten Liste als stark gefährdet ein. Viele bayerische Vorkommen sind erloschen, wie nun Nachforschungen des BN ergeben haben. Friedel befürchtet, dass der Gartenschläfer schon in wenigen Jahren ganz aus Bayern verschwunden sein könnte.

Anders als ihr Name besagt, leben Gartenschläfer hauptsächlich in artenreichen und ursprünglichen Laub- und Nadelwäldern der Mittelgebirge, aber auch hinauf bis ins Hochgebirge. Vor einiger Zeit ist einer in den Allgäuer Alpen auf 1600 Metern Höhe in eine Fotofalle getappt, die Forscher dort zur Erfassung von Kleinsäugern aufgestellt hatten. Gartenschläfer, die sehr gut an den markanten schwarzen "Zorro-Masken" um ihre Augen herum erkennbar sind, gehören wie Siebenschläfer, Haselmäuse und der ebenfalls sehr seltene Baumschläfer zu den Bilchen. Rein optisch erinnern sie mit ihren großen Augen und den kleinen Ohren an Mäuse. Genetisch sind sie mit den Hörnchen verwandt. Kennzeichen der Bilche ist ihr auffallend langer, buschiger Schwanz, der fast so lang ist wie ihr Körper.

Gartenschläfer oder Eliomys quercinus, wie der wissenschaftliche Name der Art lautet, können bis zu 17 Zentimeter groß werden, sie haben ein rotbraunes bis graues Fell, ihre Flanken und die Unterseite des Körpers sind weiß. Die Nager sind nachtaktiv. Tagsüber ruhen sie in Baumhöhlen, Nistkästen und bisweilen Gebüschen. Als Allesfresser sind sie auf Insekten, Würmer, Schnecken, kleine Wirbeltiere und Vogeleier aus. Sie ernähren sich aber auch von Früchten, Samen und Knospen. Und sie fressen sogar Weinbergschnecken und große Wegschnecken, die andere Tiere liegen lassen. Fortpflanzungszeit ist Mai bis Juli, die Weibchen gebären meist vier bis sechs Junge. Von Oktober bis April halten die Nager Winterschlaf. Deutschland und damit Bayern kommt eine besondere Verantwortung für die Art zu. Denn hier lebten bisher etwa zehn Prozent des weltweiten Bestands. Die Nager sind deshalb als "nationale Verantwortungsart" eingestuft.

Mit Pfotenabdrücken werden die Vorkommen bestimmt

In den vergangenen drei Jahren haben zahlreiche Ehrenamtler des BN die früheren Verbreitungsgebiete des Gartenschläfers nach den Nagern abgesucht. Zum Einsatz sind dabei nicht nur Wildkameras und spezielle Nistkästen gekommen. Sondern auch sogenannte Spurentunnel. Das sind einfache Röhren oder rechteckige, vorne und hinten offene Kästen aus Holz oder festem Karton mit einem Tintenkissen und Papierstreifen im Inneren. Sie werden gerne zum Nachweis von Mäusen, Igeln, Mauswieseln oder eben auch Bilchen eingesetzt. Dazu werden die Behälter in der freien Natur auf den Boden gelegt oder bis zu einer Höhe von etwa zwei Metern an Ästen befestigt. Wenn Tiere über das Tintenkissen laufen, hinterlassen sie auf den Papierstreifen Pfotenabdrücke, anhand derer man die jeweiligen Vorkommen bestimmen kann.

Die bisherigen Ergebnisse des Projekts sind sehr ernüchternd. Bayernweit sind seit 2019 nur 244 Meldungen von Gartenschläfern beim BN eingegangen, 162 davon waren eindeutig oder sind von Experten als solche bestätigt worden. "Größere Bestände haben wir danach nur noch im Fichtelgebirge und im Frankenwald", sagt Friedel. "Im Steinwald in der Oberpfalz, im Bayerischen Wald und im Landkreis Miltenberg gibt es noch kleine Vorkommen." Der Miltenberger Bestand etwa beschränkt sich auf zwei Weinberge, laut Friedel handelt es sich um eine isolierte Restpopulation, die ohne Hilfsmaßnahmen dem Untergang geweiht ist.

Über die Ursachen des dramatischen Schwunds herrscht bisher Unklarheit. "Eine Möglichkeit ist, dass es immer weniger ursprüngliche Laub- und Nadelwälder gibt und damit der Lebensraum der Gartenschläfer stark schrumpft", sagt Friedel. Eine andere könnte die Klimakrise und der Siebenschläfer sein. "Es gibt Hinweise darauf, dass der Siebenschläfer von der Klimaerwärmung profitiert und deshalb den Gartenschläfer immer mehr verdrängt ", sagt der Biologe. Der Siebenschläfer oder Glis glis zählt ebenfalls zu den Bilchen. Anders als der Gartenschläfer ist er auf der Roten Liste des LfU als häufig und in keiner Weise als gefährdet eingestuft.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: