Energiewende:Sollen sie doch Aiwanger-Tweets lesen

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"Ob wir es erreichen, wissen wir nicht", sagte Aiwanger jüngst zum Ziel der Klimaneutralität bis 2040. Selbst in seiner Partei waren da nicht alle glücklich. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Bis 2040 muss Bayern laut Gesetz klimaneutral sein. Wie die Staatsregierung dieses Ziel erreichen will? Abwarten, heißt es im Landtag - und der zuständige Minister ist gar nicht da.

Von Andreas Glas

Der Mann, um den es geht, ist gar nicht anwesend an diesem Donnerstag. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält in Herrsching ein Grußwort für den Bauernverband. Im Landtag lässt der Wirtschafts- und Energieminister seinen neuen Staatssekretär sprechen. Was also sagt Tobias Gotthardt (FW)? Er empfiehlt, unter anderem "die Tweets zu lesen", die Aiwanger zur Energiewende schreibt. Die seien "eine gute Quelle", sagt Gotthardt. Und er findet, dass die Opposition mal aufhören könnte, "Zahlen schlechtzureden, die in Bayern eigentlich gut sind".

Im Maximilianeum geht es mal wieder um den Ausbau der erneuerbaren Energien. Angezettelt hat diese Debatte diesmal die SPD-Fraktion. Ihr Dringlichkeitsantrag trägt die Überschrift: "Landtag fordert Bericht von Staatsminister Hubert Aiwanger zur Gestaltung der Energiewende in den kommenden fünf Jahren". Was im neuen Koalitionsvertrag steht, ist der SPD offenbar zu dünn. Der Minister soll sich deshalb erklären und dass es Klärungsbedarf gibt, dafür hat Aiwanger auch selbst gesorgt. Zur Erinnerung: Bis 2040 muss der Freistaat klimaneutral sein. Doch im September hat Aiwanger dies infrage gestellt. "Wir setzen uns eben dieses Ziel", sagte er lapidar im Bayerischen Fernsehen. "Ob wir es erreichen, wissen wir nicht."

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Nicht nur die Opposition wunderte sich. Selbst Umweltminister Thorsten Glauber, Aiwangers Parteikollege, sah sich zu einer Klarstellung gezwungen: "Der Freistaat hat sich gesetzlich verpflichtet, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Diese gesetzliche Regelung wird umgesetzt." Vom Koalitionspartner kam ebenfalls Kritik. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) bezichtigte Aiwanger sogar, "den Klimawandel zu leugnen". Ein paar Wochen später sagte Kaniber, der Energieminister möge sich mal ins Thema Windenergie "einlesen und nicht immer nur irgendwas in die Welt blubbern".

1000 neue Windräder will Bayern ja bis 2030 bauen. Und bis 2050 soll ein Viertel des bayerischen Wärmebedarfs aus Geothermie kommen. Wie der Freistaat das genau hinkriegen will, ist für SPD-Fraktionschef Florian von Brunn allerdings unklar. Er fordert einen Plan von Aiwanger, mit "konkreten Maßnahmen" und "messbaren Zwischenschritten". Ihm fehle der Glaube, dass allein "Hosenträgerschnalzen die Energiewende in Bayern entscheidend voranbringt", sagt Brunn.

Bayern sei in vielen Bereichen auf Platz eins - "das lassen wir uns nicht schlechtreden"

Einen Plan wird er am Donnerstag nicht bekommen, FW-Vizefraktionschef Bernhard Pohl kündigt aber an, dass Aiwanger "im nächsten Jahr" eine Regierungserklärung halten werde. Für den Moment bleibt es also beim Hosenträgerschnalzen. 500 Anträge für neue Windräder seien "in der Pipeline", bei der Solarenergie liege Bayern "klar auf Platz eins", ebenso bei der Wasserkraft, auch sonst fast überall. Hat man alles schon mal gehört. "Das lassen wir uns nicht schlechtreden", sagt Gotthardt.

Wenn man so will, tut ihm zumindest die AfD diesen Gefallen. Die findet ja, dass Bayern schon jetzt sehr viel macht bei der Energiewende. Oder besser gesagt: zu viel. Durch Windräder würden Landschaften "verschandelt" und "historische Bauten durch Solarzellen ihres Charmes beraubt", sagt Florian Köhler. Auch das hat man schon mal gehört, genauso die Klage der Grünen, die mit Blick auf nur sechs neu gebaute Windräder im Jahr 2023 "große Luft nach oben" und das Potenzial für Photovoltaik auf Staatsdächern längst nicht ausgeschöpft sehen. "Machen Sie hier Tempo", fordert Martin Stümpfig.

Und die CSU? Die hatte sich nach der Landtagswahl geschworen, Aiwanger härter anzupacken. Um ihn zu schwächen, müsse man mehr über dessen Leistungen als Minister reden, so in etwa lautete der Plan. Unmittelbar nach der Wahl sprach der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel offen aus, was die meisten in seiner Partei denken: "Bei Aiwanger sind mir die letzten fünf Jahre keine besonderen wirtschaftspolitischen Leistungen aufgefallen." Vernichtender geht es kaum.

Am Donnerstag betont der CSU-Abgeordnete Walter Nussel, dass seine Fraktion "gegenüber dem Koalitionspartner ab und zu den Finger reinlegt und sagt: Das muss schneller gehen." So richtig hart packt Nussel aber nur die Bundesregierung an, die "endlich schnellere Genehmigungsverfahren" möglich machen müsse. In Herrsching, beim Bauernverband, macht die CSU sogar einen Schritt auf Aiwanger zu, der jetzt auch für Jagd und Staatsforsten zuständig ist. "Entscheidend ist, dass wir auch ordentlich zusammenhalten", sagt Landwirtschaftsministerin Kaniber, die im Gegenzug die Zuständigkeit für Tourismus und Gastronomie bekommen hat. Es dürfe nicht um Streitigkeiten zwischen "irgendwelchen Persönlichkeiten" gehen. "Mir kommen scho irgendwie z'samm", sagt Kaniber.

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