Es gehört zum Job von PR-Strategen, eine schlechte Nachricht auch mal wie eine gute klingen zu lassen. Probleme werden da gerne mal zu Chancen, man kennt das. Im Fall der Kommunikationsabteilung der Deutschen Bahn (DB) in Bayern klang das in einer Pressemitteilung Anfang August so: "München-Nürnberg-Express: Neue Schnellverbindungen über das Altmühltal". Neu ist immer gut, und schnell - wer soll da schon was dagegen haben? Doch bei genauerer Betrachtung schrumpft die Erfolgsmeldung zu einem Eingeständnis zusammen: Die Probleme auf der Strecke zwischen München und Nürnberg gehen weiter.
Seit Monaten kommt es im Regionalverkehr zwischen den zwei größten Städten Bayerns zu Einschränkungen. Der Grund laut DB: technische Mängel an den Lokomotiven und Waggons, "für die überwiegend der Hersteller die Verantwortung trägt". Die Regionalzüge des tschechischen Herstellers Škoda Transportation machen schon lange Ärger. Zunächst hatte sich deren Auslieferung um mehrere Jahre verzögert, dann waren Schäden an den neuen Fahrzeugen aufgetaucht. Diese wurden laut DB zwar behoben, "allerdings sind inzwischen neue Mängel an den Fahrzeugen aufgetreten".
Also fahren derzeit nur drei Škoda-Züge zwischen München und Nürnberg. Wer sich einen - von den Problemen nicht betroffenen, aber kostspieligeren - ICE nicht leisten kann oder will, sollte mit vollen Zügen, Verspätungen und Ausfällen rechnen. Just am Dienstag fielen fünf Verbindungen aus. Um die Lücken zu füllen, setzt die DB ab München auch langsamere Doppelstockzüge ein, für die ist jedoch bereits in Ingolstadt Schluss. Sie sind für die Strecke nach Nürnberg schlicht nicht ausgelegt: bitte umsteigen. Wenigstens an Wochenenden und Feiertagen soll die nun von der DB angekündigte "Schnellverbindung" über das Altmühltal Entlastung bringen. Wobei "schnell" angesichts der angegebenen Fahrzeit "von unter 2:30 Stunden" eher übertrieben ist. Zum Vergleich: Der ICE legt die Strecke in einer guten Stunde zurück.
Der München-Nürnberg-Express ist nur ein Problemfall von vielen in diesem bayerischen Sommer. Schwierigkeiten gibt es in jeder Himmelsrichtung: Im Süden wird rund um Garmisch-Partenkirchen das eingleisige Werdenfelsnetz saniert, weshalb Verbindungen monatelang gesperrt sind. Im Norden sind wegen Bauarbeiten bis in den Winter hinein immer wieder Abschnitte der ICE-Strecke Nürnberg-Würzburg dicht. Im Westen kämpft das private Bahnunternehmen Go Ahead mit Personalmangel und technischen Problemen. Und im Osten belegt der sogenannte Alex traditionell die hintersten Ränge in Pünktlichkeitstabellen. Hinzu kommen zahlreiche Langsamfahr- und Baustellen, die den Zugverkehr landesweit bremsen.
"Die Bahn in Bayern ist im Moment eine große Baustelle", sagt Bahnexperte Norbert Moy vom Fahrgastverband Pro Bahn, man kann das wörtlich verstehen, aber auch im übertragenen Sinn. "Die Probleme sind vielfältig: die marode Infrastruktur, der Fachkräftemangel, die komplexe Technik", sagt Moy. Dass die Substanz nun an vielen Ecken und Enden brösle und notdürftig repariert werden müsse, sei die Folge einer jahrzehntelangen politischen Vernachlässigung. Die Analyse ist bekannt, doch das Problem spitzt sich zu.
"So kann kein geregelter Zugbetrieb stattfinden!"
Anfang Juli platzte dem Chef der Bayerischen Regiobahn (BRB) der Kragen. Nachdem auf der Strecke zwischen Ingolstadt und Augsburg mehrere Fahrdienstleiter der DB ausgefallen, der Zugverkehr rund um Schrobenhausen zum Erliegen gekommen und auch kein schneller Ersatz durch Busse organisierbar war, verschickte Arnulf Schuchmann eine zornige Pressemitteilung. "So kann kein geregelter Zugbetrieb stattfinden!", schrieb der BRB-Chef in Richtung DB Netz AG, einem Tochterunternehmen der Bahn, das für das Schienennetz verantwortlich ist. Statt vorausschauend in die Infrastruktur zu investieren, seien Strecken "zu Tode gespart" worden, eine langfristige Strategie sei nicht erkennbar. "Als Folge haben wir unzufriedene Fahrgäste, die ihre durchaus berechtigte schlechte Laune an unseren Fahrpersonalen auslassen", ärgerte sich Schuchmann. Die DB lasse ihre "Fahrgäste im Stich".
Einen Monat später rollen die Züge in Schrobenhausen wieder, doch am Problem habe sich nichts geändert, sagt Schuchmann. "Die Situation ist dramatisch." Defekte Weichen, gestörte Signale, Langsamfahrstellen - es liege viel im Argen. Seine BRB betreibt Züge in fünf Netzen im Südwesten Bayerns. "Im Ostallgäu-Lechfeld-Netz haben wir eine sehr gute Pünktlichkeit zwischen 96 und 98 Prozent", sagt Schuchmann. "Das Nachbarnetz rund um Augsburg ist hingegen eine einzige Katastrophe." Wenn er Fachleute nach den Gründen dafür frage, höre er oft, dass dort eben alte Technik verbaut sei, die zum Teil aus den 1950er-Jahren stamme. Ersatzteile gebe es dafür nicht mehr. Schuchmann wünscht sich eine große Modernisierung statt Flickschusterei.
Die Deutsche Bahn hat angekündigt, bis 2030 bundesweit insgesamt 4200 Kilometer zu sanieren. Ein Milliardenvorhaben, das die Geduld der Bahnkunden auf die Probe stellen wird. "Die vielen Baustellen machen vor allem die Stammgäste mürbe", sagt Norbert Moy von Pro Bahn. Aber ohne Bauarbeiten geht es eben nicht, das weiß der Experte ebenso gut.
Eine zur Abwechslung mal wirklich gute Nachricht kam am Dienstag aus dem oberbayerischen Murnau. Dort unterzeichneten die DB und der Freistaat einen Planungsvertrag für einen zweigleisigen Ausbau zwischen Murnau und Uffing am Staffelsee. Das Vorhaben - Fertigstellung offen - könnte ein wenig Entlastung bringen für das strapazierte Werdenfelsnetz. PR-Profis würden sagen: Da geht was voran.