Erneuerbare Energien:SPD kündigt Volksbegehren gegen 10-H-Regel für Windkraft an

Lesezeit: 3 min

SPD-Chef Florian von Brunn will mit einem Volksbegehren gegen die 10-H-Regel bei Windrädern Druck auf die Staatsregierung ausüben. (Foto: Rolf Poss/Imago Images)

Die Sozialdemokraten wollen den Druck auf Ministerpräsident Söder erhöhen, der erst kürzlich die strengen Abstandsvorschriften gelockert hat. Die CSU spricht von einem "plumpen Wahlkampfmanöver" - und selbst die Grünen zögern.

Von Thomas Balbierer und Johann Osel

Die SPD will in Bayern ein Volksbegehren gegen die 10-H-Abstandsregeln für Windräder starten. Das kündigte Parteichef Florian von Brunn am Freitag in einer Pressemitteilung an. "Wir brauchen in Bayern mehrere Tausend zusätzliche Windräder. Nur so können wir die Strompreise senken und Arbeitsplätze sichern", so der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2023. Die SPD werde in den kommenden Wochen bei Verbänden und anderen Parteien um Unterstützung werben. "10 H muss weg", fordert Brunn, der damit den öffentlichen Druck auf Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erhöhen will.

Erst vor wenigen Wochen hatte die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern die umstrittene Abstandsregelung gelockert. Sie schreibt vor, dass die Entfernung von Windkraftanlagen zur nächsten Wohnsiedlung mindestens das Zehnfache ihrer Bauhöhe betragen soll - mit den Lockerungen wurden kürzlich Ausnahmen von dieser Regel geschaffen.

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Die Staatsregierung hatte sich nach langem Ringen zu einer Reform der 10-H-Regel entschieden. Neue Windkraftanlagen sollen demnach in sogenannten Vorranggebieten mit einem einheitlichen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten gebaut werden können. Zudem gilt die Abstandsregel künftig nicht mehr etwa entlang von Autobahnen oder Eisenbahnstrecken, in Gewerbe- und Industriegebieten oder in Wäldern. Ministerpräsident Söder erhofft sich davon einen neuen Boom für Windenergie, die seit Einführung der 10-H-Regel im Jahr 2014 nahezu lahmgelegt wurde.

"Es weht tatsächlich ein frischer Wind für den Wind", sagte Söder im Dezember nach einer Sitzung des Kabinetts. Die jüngste Reform werde einen Schub beim Ausbau bringen, vor allem auch in den Staatswäldern. In ganz Bayern seien nun zwischen 300 und 340 Anlagen in Planung, angefragt oder teils kurz vor der Genehmigung. Alleine bei den bayerischen Staatsforsten hieß es nach einer groben Überschlagsrechnung der Behörde: "Wir haben Platz für etwa 450 Windräder." Das wäre beinahe die Hälfte jener 1000 Windräder, die nach den Worten von Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW) in den nächsten Jahren in Bayern möglich sind. Derzeit stehen etwa 1200 Windkraftanlagen im Freistaat.

Die SPD spricht von "Flickschusterei" und vermutet ein "Bürokratiemonster"

SPD-Chef von Brunn kritisiert die Regeländerungen hingegen als "Flickschusterei" und vermutet ein "Bürokratiemonster". Er will 10 H nun mittels eines Volksbegehrens kippen. "Mit Söders Blabla-Politik lässt sich das Windkraft-Defizit nicht beheben", sagt Brunn, der auch Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion ist. Er fordert, alle Sondervorschriften aus der Bayerischen Bauordnung zu streichen, um den "Windkraftstopp" in Bayern zu beenden.

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Ob und wie die SPD nun Mitstreiter gewinnt, ist offen. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann ist auf Nachfrage zwar inhaltlich ähnlicher Meinung: Die CSU blockiere Bayerns Energiezukunft, "beim Ausbau der sauberen Windenergie bleibt Markus Söder weiterhin Deutschlands oberster Versprechens-Brecher", sagt er. Druck auf die Staatsregierung gebe es aber einerseits schon durch die Politik des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Andererseits stehe, so Hartmann, der Termin für die "Volksabstimmung" zur Energiezukunft Bayerns bereits fest: Die Landtagswahl am 8. Oktober 2023.

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Hartmann meint: "In nicht mal zehn Monaten haben die Bürgerinnen und Bürger die Chance, zu entscheiden, ob sie sich weiterhin mit Söders Ankündigungen zufriedengeben, oder ob sie eine saubere, sichere, unabhängige und bezahlbare Energieversorgung auch in Bayern wollen." Nach prompter Unterstützung des SPD-Vorstoßes klingt das nicht.

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte der SZ: "Was die SPD hier betreibt, ist nur ein plumpes Wahlkampfmanöver." Durch die 10-H-Reform habe man "den Windkraft-Turbo gezündet", Huber verweist dabei eben auf die aktuell 340 Windkraftanlagen in konkreter Planung.

Für die Staatsregierung äußerte sich auf Nachfrage Bauminister Christian Bernreiter (CSU). Bayern habe "einen gerechten und verträglichen Ausgleich" zwischen dem Windkraftausbau und dem Schutz von Natur und Landschaft geschaffen, sagt er. "Mir ist wichtig, dass wir dabei auch die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Wer will schon ein Windrad ähnlich hoch wie der Münchner Olympiaturm direkt vor der Nase haben?" Die Ausnahmen seien daher sorgfältig definiert worden. Die SPD habe "das gezielte Vorgehen offensichtlich bis heute nicht verstanden und spaltet mit ihrer wahlkampftaktischen Aktion unser Land".

Bei dem nun geplanten Volksbegehren müssen die Initiatoren im ersten Schritt mindestens 25 000 Unterschriften vorweisen, damit es offiziell zugelassen wird. In der Folge müssen dann mindestens zehn Prozent aller Stimmberechtigten, rund 950 000 Bürgerinnen und Bürger sind das in Bayern, innerhalb von 14 Tagen in den Rathäusern ihre Unterschriften abgeben. Danach muss die Staatsregierung eine Stellungnahme abgeben und der Landtag entscheiden, ob er dem Volksbegehren zustimmt oder nicht. Sollte dies nicht der Fall sein, käme es zu einem Volksentscheid. Unklar ist aber, ob das Volksbegehren überhaupt noch in dieser Legislaturperiode, also vor der Landtagswahl Anfang Oktober, zum Abschluss gebracht werden könnte. Allein schon die Vorbereitungen, Unterschriftensammlungen und Debatten im Wahljahr dürften aber den öffentlichen Druck beim Thema Windkraft steigern.

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