Tempolimit:Durch Italien im Deutschlandtempo

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Zu einem Tempolimit konnte sich Deutschland bisher nicht durchringen. 130 Kilometer pro Stunde ist eine Richtgeschwindigkeit für Autobahnen - mehr nicht. (Foto: Florian Gaertner/photothek/imago images)

Überall in Europa gelten strengere Geschwindigkeitsbeschränkungen als hierzulande. Einige Länder wollen die Regelung wieder lockern. Die Aufregung ist groß - zu Recht?

Von Joachim Becker

Beim Freibier sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Das klappt schon in bayerischen Bierzelten bekanntlich nicht immer. Deshalb verlegt sich der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini nun auf ein anderes Rauschmittel: freie Fahrt auf gut ausgebauten Fernstraßen. Ganz so schlimm wie auf deutschen Autobahnen soll es nicht werden, geplant ist eine Erhöhung von 130 auf 150 Kilometer pro Stunde auf dreispurig ausgebauten Autobahnabschnitten. Damit holt das Gesetz bloß ein, was Einheimische wie Touristen ohnehin gerne tun: ein klein wenig zu schnell fahren.

Das ist eine gute Einnahmenquelle: Die Strafgebühren für Geschwindigkeitsüberschreitungen in Italien sind höher als in Deutschland und die Bearbeitungsgebühren happig. Glücklich, wer ohne Knöllchen vom Strandurlaub zurückkehrt. Doch bei der Sektorenkontrolle auf immer mehr Autobahnen wird nicht geblitzt, sondern diskret gemessen. Der Bußgeldbescheid aus dem Land, wo die Zitronen blühen, kann dann zwei bis drei Monate später zu Hause eintrudeln.

Gravierender ist die politische Symbolik des aufgeweichten Tempolimits. Mit solchen Auto-Aufregern lassen sich überall in Europa die Wähler mobilisieren. In Tschechien ist die Erhöhung des Autobahn-Tempolimits von 130 auf 150 km/h bereits beschlossene Sache. Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass die Gesetzesänderung nur neue oder renovierte Autobahnabschnitte betrifft. Bei einer Gesamtlänge des Netzes von 1250 Kilometern könnte es um lediglich 50 Kilometer gehen. Trotzdem schafft die Lockerung politischen Rückenwind für die klimaskeptische konservative Regierung in Prag.

Wie sieht die Zukunft aus? Automatisiertes Fahren funktioniert nicht ohne Tempolimits

Das alles sind womöglich nur Vorboten einer Abkehr von der Klimapolitik in Brüssel. Auch der Erfolg der Bauernpartei in den Niederlanden geht einher mit Protesten gegen das Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen. Als Teil eines größeren Klimaschutzpakets leistet das reduzierte Tempo nur einen bescheidenen Beitrag. Für Deutschland hat das Umweltbundesamt nachgerechnet: Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Außerortsstraßen könnte den Treibhausgasausstoß um gut fünf Prozent reduzieren. Die politische (Reiz-)Wirkung eines Tempolimits erscheint ungleich höher.

Mit dem Stand der Technik hat das alles wenig zu tun. Wer mit einem E-Auto weiter kommen will, fährt ohnehin langsam. Jenseits von 130 Kilometern pro Stunde werden die Stromer zu Energiefressern. Der steigende Luftwiderstand trifft natürlich auch konventionelle Autos, aber die verfügen über einen viel größeren Energievorrat. In Zukunft dürfte das automatisierte Fahren noch ausschlaggebender werden. Auf US-amerikanischen Highways kann man die Hände schon längst vom Steuer lassen. Viele Neuwagen haben einen entsprechenden Autobahn-Assistenten, und der Verkehr wird durch Tempolimits gezügelt.

Das freihändige Fahren über längere Strecken kommt jetzt auch nach Deutschland, BMW hat gerade die Zulassung dafür erhalten. Ohne Tempolimit kann aber kein Assistent die Spur wechseln, weil sich Raser mit 250 Sachen gar nicht rechtzeitig erfassen lassen. Deshalb gilt auch bei Tempolimits: kühlen Kopf bewahren! Die Vollgas-Zeiten gehen so oder so zu Ende.

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