Kreuzfahrtschiffe:Drängeln an der Kaimauer

Im kommenden Jahr werden mehr als 500 Kreuzfahrtschiffe in den deutschen Seehäfen erwartet. Kiel und Hamburg stoßen an Kapazitätsgrenzen.

Frank Behling

Windjammertreffen, Museumsschiffe, Hafengeburtstage - die deutschen Seehäfen locken seit Jahren immer mehr Schaulustige. Und auch als Anlaufpunkt für Kreuzfahrtschiffe aus aller Welt wird die deutsche Küste immer beliebter. Schon jetzt ist klar, dass 2012 in diesem Zusammenhang ein Rekordjahr werden wird: Erstmals werden in den fünf wichtigsten deutschen Kreuzfahrthäfen mehr als 500 Besuche von Luxuslinern erwartet. Dabei wird es in Hamburg, Kiel oder Rostock bereits heute schon eng für die großen Passagierschiffe, der Ansturm stellt die Häfen vor Herausforderungen.

Kreuzfahrtschiffe im Kieler Hafen

Jeder Meter zählt: Kreuzfahrtschiffe im Kieler Hafen

(Foto: picture alliance / dpa)

"Wir würden auch mal mit allen drei Schiffen kommen, wenn Platz wäre", sagt Peter Shanks. Der Brite ist Präsident der britischen Cunard Line, die die drei schwimmenden Königinnen Queen Mary 2, Queen Elizabeth und Queen Victoria betreibt. In Hamburg lösen diese Schiffe bei jedem Besuch Volksfeststimmung an den Elbufern aus. Deshalb bringt Shanks 2012 als neuen Höhepunkt ein kleines Gipfeltreffen nach Hamburg. Am 15. Juli sollen erstmals die Queen Mary 2 und die Queen Elizabeth gemeinsam in der Hansestadt zu bestaunen sein. Das ganz große Gipfeltreffen mit allen drei Schiffen aber bleibt vorerst ein Traum.

Deutschland liegt bei Kreuzfahrern hoch im Kurs, die Reedereien und Häfen melden Jahr für Jahr Rekorde. 462 Anläufe von Luxuslinern sind in diesem Jahr in Bremerhaven, Hamburg, Lübeck, Kiel und Rostock gemeldet, nächstes Jahr sollen es mehr als 500 sein. Die genauen Zahlen werden traditionell zwar erst immer nach Saisonende im Herbst veröffentlicht, eins ist aber klar: Die Häfen stoßen an ihre Grenzen. Und 2013 wird es noch enger, wie die derzeit laufenden Verhandlungen um die begehrten Liegeplätze erahnen lassen.

"Wir werden 2013 noch öfter nach Deutschland kommen; in Hamburg wird dann erstmals die MSC Magnifica abgefertigt", kündigt Pierfrancesco Vago, Vorstand der Reederei MSC, an. MSC setzt in Deutschland zwar traditionell auf Kiel und hat 36 Schiffsanläufe an der Förde gebucht. Doch mehr geht im Moment in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt nicht. Deshalb werde 2012 und 2013 Hamburg als fester Anlaufhafen von MSC ins Programm genommen.

"Wir wären gern an neun Terminen nach Kiel gefahren, doch es ging einfach nicht, der Kieler Hafen war schon ausgebucht", beklagt Heiko Jensen von der Reederei Costa Crociere aus Italien. Also werden im kommenden Jahr nur fünf der neuen Reisen der Costa Pacifica in Kiel starten, die anderen vier in Hamburg. Denn an der Elbe ist noch etwas Luft, vor wenigen Wochen wurde ein zweites Kreuzfahrtterminal eingeweiht.

Kiel arbeitet derweil am vierten Liegeplatz, der neben den bereits bestehenden Terminals 2013 im Kieler Ostuferhafen fertiggestellt werden soll. "Dort könnte sogar die Queen Mary 2 festmachen", sagt Jens-Broder Knudsen von der Reederei-Agentur Sartori & Berger. Übrigens: 2012 wird die Queen Elizabeth erstmals in Kiel zu sehen sein.

Es kommt vor allem auf die Anbindung an

Bei den Kreuzfahrtschiffen gelten andere Präferenzen als bei den Containerfrachtern, das weiß man in der Branche. Denn während Container-Reeder ungern solche Liegeplätze wollen, an denen auch Schiffe der Konkurrenz festmachen, wird in der Kreuzfahrt Rudelverhalten beobachtet - lässt sich eine Reederei irgendwo nieder, sind die Wettbewerber meist auch schnell da. Dies lässt sich an den Hafenlisten ablesen: Kiel, Rostock und Hamburg dominieren die Szene. In Bremerhaven, Cuxhaven oder Lübeck ist dagegen noch viel Kaifläche frei.

"Es kommt eben auch entscheidend auf die Anbindung an", begründet das Heiko Jensen - Kiel, Rostock und Hamburg seien über Straße und Schiene gut zu erreichen, was das Ein- und Ausschiffen der vielen hundert Passagiere und das Erreichen von beliebten Landausflugzielen wie Berlin spürbar erleichtert.

Auch Hamburg stößt so allmählich an seine Grenzen. So hatte beispielsweise die Rostocker Aida-Reederei geplant, während des 823. Hafengeburtstags im Mai 2012 zur Schiffstaufe des Neubaus Aidamar eine Flottenparade mit vier baugleichen Aida-Schiffen zu organisieren.

Aber: Die dafür eigentlich notwendige gleichzeitige Abfertigung der vier Schiffe samt 20.000 Passagieren sprengt in Hamburg die Möglichkeiten. Also musste Aida den Fahrplan kurzerhand umbauen: Zwei der Schiffe kommen mit bereits abgefertigten Passagieren aus anderen Häfen die Elbe hoch, die zwei weiteren beiden Kreuzfahrer werden vor der Taufe in der Hansestadt klariert.

Der Deutschland-Boom in der Kreuzfahrt geht auch an Helgoland nicht vorbei. Die Insel war bislang immer mal sporadisch von Traumschiffen besucht worden, zu ihnen gehörte zum Beispiel die MS Europa. Im nächsten Jahr wird die MSC Lirica gut ein Dutzend Mal ihre Anker vor Deutschlands einziger Hochseeinsel fallen lassen.

Bis zu 2200 Passagiere können dann pro Besuch die Insel erkunden und zollfrei einkaufen. Die Helgoländer Einzelhändler wollen sogar die Öffnungszeiten an die Liegezeiten des Schiffes anpassen. Da Helgoland einen EU-Sonderstatus hat, bieten sich so für Passagiere und Reederei die Möglichkeit des zollfreien Einkaufs. Auch deshalb sind bereits andere Reedereien auf dem roten Felsen vorstellig geworden. "Wir freuen uns über jeden Besuch", so Tourimuschef Klaus Furtmeier.

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