Worum geht's beim Wirtschaftsskandal?:Aufstieg und Fall von Wirecard

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Die damalige Firmenzentrale in Aschheim im Jahr 2020. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wie der Zahlungsdienstleister aus Aschheim nahe München vom Dax-Konzern zur Skandalfirma wurde. Ein Rückblick.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Wirecard, das ist eine Geschichte von einem steilen Aufstieg und einem noch tieferen Fall und einem Wirtschaftsskandal, den es in dieser Größe in der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben hat. Begonnen hat diese Geschichte Anfang der 2000er-Jahre, als Markus Braun von einer Unternehmensberatung zum Zahlungsdienstleister in die Nähe von München kam und ihn fortan nach seinen Wünschen formte.

Zahlungsdienstleister arbeiteten damals wie heute im Hintergrund, der normale Verbraucher bemerkt sie kaum und kennt sie schon gar nicht beim Namen, auch wenn er sie häufig in Anspruch nimmt. Kauft der Kunde eine Hose im Internet, läuft das ebenso über solche Firmen, wie wenn er mit Kreditkarte bei C&A oder H&M bezahlt. Bei jeder Transaktion erhält der Zahlungsdienstleister eine Gebühr, die umso höher ausfällt, je größer das Risiko ist. Und bei Wirecard ging man in den ersten Jahren gerne auf Risiko, machte Geschäfte im Glücksspiel- wie auch Pornogeschäft, eben in der Schmuddelecke des Internets.

Markus Braun auf dem Höhepunkt des Erfolgs im September 2018. (Foto: Christof Stache/AFP)

Der Konzern wuchs unter der Leitung von Markus Braun stark. Der Österreicher wurde größter Anteilseigner, Vorstandsvorsitzender und - wie könnte es in einer modernen Tech-Geschichte anders sein - Visionär mit Aktionären als Fans. Sie vergötterten den medienscheuen Wirtschaftsinformatiker als einen, der angeblich wusste, wie die Zukunft aussieht, und vertrauten ihm in Form von Aktien viel Geld an. Der Aktienkurs stieg stark. 2006 enterte Wirecard den Tec-Dax, 2018 dann den Dax, Deutschlands Aktienindex für die 30 wichtigsten Unternehmen des Landes. Dies war zweifelsohne der Höhepunkt der Erfolgsgeschichte. Danach ging es bergab.

Als die Financial Times durch Recherchen des Journalisten Dan McCrum Anfang 2019 aufzeigte, dass Wirecard-Mitarbeiter in Asien Zahlen fingiert hatten, war das der Anfang vom Ende. Zwar verteidigte sich Wirecard vehement gegen weitere Berichte, bekam sogar Zuspruch von der Finanzaufsicht Bafin. Doch eine Sonderprüfung der Wirtschaftsprüfer von KPMG hinterließ Zweifel an der Existenz von insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die auf asiatischen Konten hätten liegen sollen. Kurz darauf versagten die Bilanzprüfer von Ernst & Young dem Konzern das Testat - und der Aktienkurs rauschte in die Tiefe.

Wenig später musste Wirecard Insolvenz anmelden. Deren Verwalter bestätigte, was mittlerweile klar war: Wirecard war ein Kartenhaus, aufgebaut auf Lügen über Geschäfte, die es nur auf dem Papier gab. Noch bevor das in das Bewusstsein der Öffentlichkeit sickerte, türmte Vorstandsmitglied Jan Marsalek, ehemals engster Vertrauter von Markus Braun und Nummer zwei im Vorstand, über Österreich nach Belarus und von dort vermutlich nach Moskau. Bis heute ist er verschwunden.

Ein Plakat mit dem Fahndungsaufruf am Münchner Flughafen. (Foto: Frank Hoermann/imago images/Sven Simon)

Die Staatsanwaltschaft München nahm Ex-Wirecard-Boss Markus Braun und andere Beschuldigte fest. Oliver Bellenhaus, damals Statthalter in Dubai und heute Kronzeuge, stellte sich den Ermittlern. Im Zuge der Ermittlungen wurden Verbindungen zwischen Marsalek und Russland ebenso bekannt wie die engen Kontakte von Wirecard in die Politik. Jahrelange Ermittlungsarbeit führten zum ersten Prozess, der im Dezember 2022 begann.

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