Massentourismus:Amsterdam will Kreuzfahrtschiffe aus der Innenstadt verbannen

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Die meisten Kreuzfahrt-Gäste kommen nur für ein paar Stunden und nutzen der Stadt wenig. (Foto: IMAGO/Jochen Tack/IMAGO/Jochen Tack)

Die Reiseform passt einfach nicht mehr zur Nachhaltigkeitsagenda der Stadt. Aber wird es so wirklich gelingen, die Touristenmassen fernzuhalten?

Von Lea Hampel

Jewel of the Seas, Norwegian Prima, Celebrity Silhouette - die Namen klingen einer bombastischer als der nächste, die so benannten Schiffe sind es auch. Wer von Amsterdam aus auf Kreuzfahrt gehen möchte, muss nur rund einen Kilometer Strecke vom pittoresken historischen Zentrum der Stadt mit seinen Grachten, engen Gassen und Sehenswürdigkeiten zurücklegen. Vom Cruise Port Amsterdam kann man an den meisten Tagen des Jahres nach Barcelona, Rotterdam oder auf die Britischen Inseln fahren. Das dürfte sich bald ändern. Die Stadt hat nun beschlossen, den zentralen Hafen für Kreuzfahrtschiffe zu sperren.

Das ist eine drastische, aber logische Entscheidung. Zum einen könnte der Kontrast nicht größer sein: Da radeln die Einheimischen zu Tausenden mit Kind, Hund, Beifahrersitzen oder riesigen Satteltaschen Tag für Tag durch eine Stadt, die sogar eigens Linksabbieger-Ampeln für Radfahrer hat. 38 Prozent aller Fahrten in Amsterdam erfolgen mit dem Fahrrad, die Bewohner sind stolz auf ihre nachhaltige Fortbewegungsform. Und dann kommen zu Tausenden Gäste mit einem Fortbewegungsmittel, das so offensichtlich wie wenige für nicht nachhaltige Transportformen steht: Kreuzfahrtschiffe. Die Reiseform passt nicht zur Nachhaltigkeitsagenda der Stadt. Damit begründete auch die linksliberale Partei Democraten 66, die den Vorschlag eingebracht hatte, ihre Initiative.

Zum Zweiten kommen viele der Gäste nur für ein paar Stunden und nutzen der Stadt wenig, wie lokale Politiker und Geschäftsleute immer wieder monieren. Für Besuche im Museum etwa, befand die regierende Bürgermeisterin in einem Interview, hätten die Kreuzfahrtgäste ohnehin keine Zeit. Schon seit einigen Jahren sucht die Stadt Antworten auf den Massentourismus, einen Höhepunkt des Booms hatte Amsterdam 2019 erlebt, mit 22 Millionen Übernachtungen. Auf eine Bürgerinitiative hin hatte die Verwaltung schließlich die Zahl der touristischen Übernachtungen auf 20 Millionen begrenzt. Seitdem wurden Touristen in der hässlichen Debatte unter anderem als "Heuschrecken" bezeichnet und die Stadt hat die höchste Bettensteuer in ganz Europa eingeführt. Zudem hat sie eine Onlinekampagne an britische Trinktouristen gerichtet und Cannabis, für das die Stadt berühmt ist, darf in den Straßen des Rotlichtviertels gar nicht mehr geraucht werden.

Auch in Dubrovnik und Venedig gibt es schon Beschränkungen für Kreuzfahrtschiffe

Der dritte Grund für die jetzige Entscheidung aber hat mit der ebenfalls wachsenden einheimischen Bevölkerung zu tun. Die Verwaltung plant eine neue Brücke vom Norden der Stadt in den Süden, für die der Kreuzfahrtverkehr hinderlich wäre.

Amsterdam ist nicht die erste Stadt, die Kreuzfahrtschiffe verbannt. Venedig hat 2021 Ähnliches beschlossen, dort soll das nicht nur gegen den sogenannten Overtourism helfen, sondern die Schiffe gefährden schlicht die bauliche Substanz der Stadt. Und auch Dubrovnik hatte schon vor vier Jahren die Zahl der erlaubten Kreuzfahrtschiffe stark reduziert. Ob die Pläne in Amsterdam wirklich umgesetzt werden, ist allerdings eine andere Frage. Beim Betreiberunternehmen des Hafens wirkte man jedenfalls recht überrascht ob all der Nachfragen, noch könne man sich nicht äußern, hieß es telefonisch, nur so viel: "Das ist alles wirklich komisch für uns."

Die andere Frage wiederum ist, ob eine Schließung wirklich gegen die Menschenmassen hilft. Über den Hafen sind seit der Eröffnung im Jahr 2000 rund 165 000 Touristen pro Jahr in die Stadt gekommen. Im Vergleich zu den knapp 25,5 Millionen Menschen, die jedes Jahr am Flughafen Schiphol landen, macht das eher wenig aus. Immerhin: Als weitere Maßnahme zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt will Amsterdam Nachtflüge und Privatjets verbieten.

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