Overtourism:Das Schweigen der Koffer

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Sieht harmlos aus, kann aber künftig teuer werden: Wer mit einem Rollkoffer in Dubrovnik unterwegs ist, muss bald bis zu 265 Euro Strafe zahlen. (Foto: Grgo Jelavic/IMAGO/Pixsell)

Weil zu viele Gäste Lärm verursachen, will die Stadt Dubrovnik Rollkoffer verbieten. Vielleicht steckt dahinter aber ein ausgebuffter Plan.

Von Lea Hampel

Alte Fassaden aus hellem Stein, blaues Meer, kleine Bars: Wer künftig einen Rollkoffer vor dieser Kulisse durch die pittoresken Straßen der Altstadt von Dubrovnik rollt, um hier zu übernachten, sollte vorsichtig sein. Bis zu 265 Euro Strafe muss man zahlen, wenn man mit Gepäck auf Rädern erwischt wird. Das hat der Bürgermeister der kroatischen Küstenstadt, Mato Franković, laut dem Onlinemagazin Travel Tomorrow auf einer Bürgerversammlung verkündet. Strafe fürs Kofferrollen, Drehkreuze für Stege, Eintrittskarten für Fußgängerzonen - Städte und Gemeinden werden immer kreativer darin, wie sie mit sogenanntem Overtourism umgehen, erst recht, seitdem durch Instagram einzelne Orte weltberühmt werden.

Für Dubrovnik ist die Not so typisch wie verständlich. Weil die Stadt in der Serie "Game of Thrones" zu sehen ist, kamen in den vergangenen Jahren teils 27 000 Gäste pro Tag auf 42 000 Einwohner. Doch die Straßen sind nicht nur oft eng. Sie ziert altes Kopfsteinpflaster, ein Straßenbelag, der von Experten regelmäßig als "der lauteste" gebrandmarkt wird und der das "Klock-klock" der Rollkoffer steigert. Weil kurz sogar der Unesco-Weltkulturerbe-Titel in Gefahr war, profiliert sich Bürgermeister Franković als Kämpfer gegen den Übertourismus. Schon seit 2019 können nur zwei Kreuzfahrtschiffe pro Tag anlegen, seit Jahren dürfen Restaurants immer weniger Tische draußen aufstellen. Das Kofferverbot gehört zu einem Maßnahmenpaket. Künftig müssen auch Bars Geldstrafen zahlen, deren Gäste zu laut sind. Doch man will nicht nur verbieten und beschränken: Mittelfristig, heißt es zum Gepäck, wolle man es am Flughafen zentral einsammeln und auf die Unterkünfte verteilen.

Langfristig sollen alle Gepäckstücke aus dem Straßenbild verschwinden

Das Verbot in der jetzigen Form wirft viele Fragen auf: Was ist mit Menschen, die keinen Rucksack tragen können? Wie will der Lieferservice in die über Airbnb gemietete Wohnung kommen? Und: Boomen künftig Massagestudios, weil alle erst mal Rückenschmerzen haben nach der Ankunft im Hotel?

Wer nun schreien mag, es sei Rollkofferdiskriminierung, dem sei gesagt: Die Zwei-Koffer-Gesellschaft ist zeitlich begrenzt. Mittelfristig sind laut Travel Tomorrow in Dubrovnik überhaupt keine Gepäckstücke mehr auf den Straßen erlaubt, egal ob getragen oder gerollt.

In Zukunft gehört zur Reisevorbereitung deshalb nicht nur abzumessen, ob der eigene Koffer noch ins Handgepäck beim Flugzeug darf. Sondern grundsätzlich zu definieren, was ein Gepäckstück ist. Manche voll ausgestattete Handtasche, aus Gründen "Shopper" genannt, könnte in Dubrovnik durchaus unter Verdacht stehen. Weil außerdem mit dem zentralen Gepäckverteilservice der Stadt die Gefahr künftig groß ist, dass man öfter mal eine Tasche mit Männerhosen in Größe 44 statt des eigenen Badeanzugs vors Hotelzimmer gestellt bekommt, wäre vermutlich ein anderes Vorgehen am einfachsten: Man lässt das Packen einfach weg. Zumal es womöglich schlicht günstiger ist, sich vor Ort mit Hosen und Zahnbürsten auszustatten, wenn die Fluglinien Gebühren für Gepäckstücke verlangen und gleichzeitig Strafen für deren Besitz am Zielort drohen. Vielleicht ist alles auch ein großes Missverständnis: Dubrovnik will gar nicht die Touristen fernhalten - sondern auf eine eine perfide, langfristig gedachte Form die lokale Wirtschaft fördern.

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