Trainerwechsel im Profisport:Lektionen im Tarnen und Täuschen

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Gewiefter Ablenkungskünstler: Japans früherer und neuer Nationaltrainer Eddie Jones. (Foto: Issei Kato/Reuters)

Australiens Rugby-Nationaltrainer Eddie Jones dementiert Kontakt zu Japans Verband - und wird kurz darauf japanischer Nationaltrainer. Ein Lehrstück über Unprofessionalität.

Von Thomas Hahn

Die Rugby-WM in Frankreich gehört zu den Ereignissen des Jahres 2o23, auf die man in Australien eher ungern zurückschaut. Niederlage gegen Fidschi, Aus in der Vorrunde. Das war schlimm, denn das hatte es bis dahin noch nie gegeben. Australien ist schließlich nicht irgendeine Rugby-Nation, sondern zweimaliger Weltmeister. Immerhin, einen australischen Auftritt gab es während des Turniers, der im Nachhinein filmreif wirkt: Nationalcoach Eddie Jones bei der Pressekonferenz nach der Klatsche gegen Wales. Wie er sich zu seiner Verantwortung bekennt. Wie er sein Engagement für die Nation heraushebt. Und dann sauer wird, als sich die Fragen nach dem Gerücht häufen, dass er unmittelbar vor der WM mit Verbandsleuten aus Japan gesprochen habe. "Ich weiß nicht, wovon du redest, Kumpel", sagte er damals so ungerührt, als wisse er es wirklich nicht.

Am Mittwoch gab Japans Rugby-Verband bekannt, dass Eddie Jones am 1. Januar Japans neuer Nationalcoach wird. Die Überraschung ist nicht groß. Jones war in Australien gleich nach der WM zurückgetreten. Nach nur zehn Monaten im Amt loderte die Leidenschaft wohl doch nicht mehr so, trotz Fünfjahresvertrag. Und dann ist einer wie Eddie Jones eben Profi. Er geht dahin, wo es weniger wehtut. Von 2012 bis 2015 war er schon mal Japans Nationalcoach. Außerdem hat der 63-Jährige, gebürtig in Tasmanien, eine japanische Mutter.

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Ein normaler Vorgang also? Vereins- und Farbenwechsel sind Teil des Sportgeschäfts. Heute gerührter Borusse, morgen beseelter Schalker - es kommt nicht mehr so darauf an. Es ist sogar gut, dass Heimatgefühle keine Karrieren verhindern. Oder will jemand dem Fußballer Toni Kroos verdenken, dass er nicht seinem Jugendverein Hansa Rostock treu blieb, sondern erst zu Bayern München abwanderte, Weltmeister wurde und seine Spielkunst heute bei Real Madrid vorführt?

Auch jetzt ist sich Eddie Jones keiner Schuld bewusst

Trotzdem fragt man sich manchmal, ob es wirklich professionell ist, sich im Sport immer wie ein Profi zu verhalten. Das jüngste Vorgehen des Rugby-Trainers Jones wirkt jedenfalls wie ein Beispiel dafür, dass Geschäftssinn umschlagen kann in eine Form von Egoismus, die Glaubwürdigkeit kostet. Als Nationalcoach vor dem Saisonhöhepunkt mit einem anderen Verband sprechen? Das kann man eigentlich nur machen, wenn man sich selbst wichtiger nimmt als seine Aufgabe. Trotzdem war Eddie Jones beleidigt, als die Nachfragen kamen. Und auch jetzt ist er sich keiner Schuld bewusst. Er habe kein Job-Interview vor der WM gehabt, sagte er am Donnerstag bei seiner Vorstellung in Tokio: "Ich wurde von der Personalagentur gebeten, meine Erfahrungen mit ihnen über Japan zu teilen."

Das hätte er ja eigentlich auch bei der WM schon sagen können. Hat er aber nicht, sondern lieber eine Probe seiner Ablenkungskunst abgegeben. Sagenhaft, wie Jones damals die erste Frage nach dem Treffen mit den Japanern abwehrte, indem er sich dumm stellte. Wie er ruhig blieb, langsam seine künstliche Empörung steigerte, bis er schließlich damit drohte, den Raum zu verlassen. So täuscht man, ohne zu lügen. Und jetzt plötzlich die Enthüllung: Die Personalagentur war der Täter. Schwer zu sagen, was wahr ist. Aber es kann vielleicht nicht schaden, einem Profi wie Eddie Jones nicht sofort alles zu glauben.

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