Fußballerinnen des Angel City FC:Karriereleiter für Engel

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Engel in Schwarz: Die Spielerinnen des Angel City FC ziehen als Publikumsattraktion - 16 000 Dauerkarten fanden auf anhieb Absatz. (Foto: Katharine Lotze/Getty Images via AFP)

Vor zwei Jahren wurde Angel City FC gegründet - mithilfe prominenter Investorinnen. Der Verein soll beweisen, dass Frauensport Stadien füllen kann. Und er will so erfolgreich sein, dass es sich für die Spielerinnen wirtschaftlich lohnt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich kann einem der tollste Job auf der Welt nicht nur tolle Momente bescheren. Hin und wieder gibt es Frust-Erlebnisse. Etwa die Enttäuschung beim Finale dahoam für den FC Bayern 2012. Oder Angelique Kerbers knappe Niederlage in der dritten Runde der US Open 2015. Solch bittere Enttäuschungen hatten allerdings zur Folge, dass die Enttäuschten jeweils wütender, gieriger wurden.

Die Niederlagen waren Meilensteine auf dem Weg zu größeren Triumphen. Zwölf Monate danach gewann der FC Bayern das Titel-Triple; Kerber schwang sich zur dreimaligen Grand-Slam-Siegerin auf. Das ist auch die Denkweise beim US-Frauenfußballklub Angel City FC. Das Team hat das erste Playoff-Spiel seiner Klubgeschichte verloren, 0:1 in Seattle gegen OL Reign um Megan Rapinoe, der Gegentreffer fiel in der 87. Minute. Doch interpretiert Angel City FC das nicht als Anlass zu Trübsal, sondern als einen notwendigen Schritt auf seinem Weg.

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Titel sind nur ein Puzzleteil in einem größeren Bild, das weit über den Sport hinausreichen soll. "Es ist notwendig, so etwas zu erleben", sagt Mittelfeldspielerin Savannah McCaskill: "Playoffs sind der Standard von nun an. Der Weg zum Titel kann nur über uns führen." Es geht also jetzt erst richtig los mit Frauenfußball in der Stadt der Engel.

Die Gründung hat für Aufsehen gesorgt, bei der letzten Finanzierungsrunde wurde das Start-up mit 180 Millionen Dollar bewertet

"Wir sind viel weiter, als wir je gedacht hätten", sagt Julie Uhrman, die den Verein vor zwei Jahren gemeinsam mit der Risikokapitalgeberin Kara Nortman und der Schauspielerin Natalie Portman gründete. Genauer gesagt, sie hatten ein Start-up gegründet. Ihr Produkt: ein Fußballteam in der US-Frauenliga NWSL. Natürlich dreht es sich im Sport um Ergebnisse und Titel, aber doch auch um ein paar andere Dinge. "Drei Gründerinnen. Die Mehrheit der Anteilseigner sind Frauen, der Großteil der Mitarbeiter auch. Wir haben es anders aufgebaut, um zu beweisen, dass sich ein übergeordnetes Ziel und Erfolg nicht ausschließen", sagt Uhrman: "Der beste Job der Welt ist deshalb: Eigentümerin und Präsidentin des Angel City FC."

Drei Frauen, ein Ziel: Julie Uhrman, Schauspielerin Natalie Portman und Kapitalgeberin Kara Nortman (von links) gründeten einen Fußballklub als Start-up. (Foto: Kiyoshi Mio/USA Today)

Ein roter Faden zieht sich durch den Lebenslauf von Uhrman. Sie war Managerin bei Playboy, Lionsgate, IGN, Ouya, das heißt, in den Branchen Branchen Männermagazin, Film, Videospiele, Tech-Industrie - alles Bereiche, in denen sie oft die einzige Frau im Raum war. Nortmans Fonds Monarch Collective investiert zusätzlich 100 Millionen Dollar in Frauensport, ihr übergeordnetes Ziel ist deshalb in drei Leitsätze unterteilt: "Zahlt Frauen gutes Gehalt! Füllt mit Frauensport Stadien! Und beweist, dass ein Frauenteam so viel wert sein kann wie Liverpool!"

Die Gründung hat für Aufsehen gesorgt, deshalb hier im Schnelldurchlauf: Die Gründerinnen rekrutierten prominente Investoren wie Eva Longoria, Jennifer Garner, Uzo Aduba, Christina Aguilera, Becky G, Billie Jean King, Lindsey Vonn, Mia Hamm. Deren Starpotenzial half, dass das Start-up noch vor dem ersten Spiel 35 Millionen Dollar an Sponsorengeld verbuchte, 16 000 Dauerkarten verkaufte und bei der letzten Finanzierungsrunde mit 180 Millionen Dollar bewertet wurde. Der Ort zum Promi-Gucken in LA sind nicht mehr nur die Basketballer der Lakers.

Es fehlt noch was zum FC Liverpool (4,71 Milliarden), der Traditionsklub hat aber freilich 129 Jahre Vorsprung. Mittlerweile werden für andere NWSL-Klubs (die Franchises in Portland und Chicago stehen zum Verkauf) mindestens 50 Millionen Dollar als Kaufpreis ausgerufen.

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Die Heimspiele trägt der Angel City FC in einem Stadion-Schmuckkasten mit Blick auf Downtown Los Angeles aus. Community-Chefin Catherine Davila schafft mit sechs Fanklubs eine familienfreundliche Atmosphäre: "Gerade Leute, die sich im traditionellen Sport-Umfeld wegen der Aggression eher unwohl fühlen, finden einen Ort, wo sie sich sicher fühlen und Spaß haben dürfen", sagt sie.

Bei Angel City wird Fußball mit Kontakt zu reichen Promis gespielt

Das Player 22 Future Program des Vereins ist ein Fonds, über den sich Spielerinnen von Angel City FC während der Karriere weiterbilden. Es gibt Mutterschutz für die Profis, zehn Prozent der Einnahmen (31 Millionen Dollar in dieser Saison) gehen an die Jugendförderung; 22 000 Sport-BHs haben sie in diesem Jahr an unterprivilegierte Kinder verteilt, damit diese Fußball spielen konnten - und plötzlich wird es sportlich.

Bei Angel City wird Fußball mit Kontakt zu reichen Promis gespielt, mit Karriereleiter für die Zeit nach der Laufbahn und 20 000 bestgelaunten Fans pro Heimspiel, die nicht nur Trikots von Starspielerin Christen Press kaufen, sondern auch Sachen, für die sie wirbt. Gerade im US-Sport mit Gehaltsobergrenze ist das wichtig, das Limit liegt in der National Women's Soccer League bei 1,35 Millionen Dollar - pro Team. Die bestbezahlte Spielerin ist Trinity Rodman mit 275 000 Dollar Gehalt. Viele Profis sind also angewiesen, abseits des Spielfeldes Einkünfte zu generieren.

Fußball familienfreundlich: Angel-Stürmerin Sydney Leroux nach Schlusspfiff mit dem Töchterchen auf dem Arm. (Foto: Steph Chambers/Getty/AFP)

Das soll sich ändern, auch da ist Angel City FC Vorreiter. Der Verein sorgt derzeit für 38,8 Prozent der Einnahmen aller zwölf NWSL-Klubs, die Botschaft an die anderen lautet: Wir zeigen euch gerade, wie das geht - Nachmachen empfohlen! 2024 wird der Bay FC mitspielen, ein Klub im Silicon Valley im Besitz der Investmentfirma Sixth Street. Auch da ist das klare Ziel: Geld verdienen. Die Rechnung geht so: Profis erhalten in US-Ligen etwa 50 Prozent des Umsatzes; wenn die von 2024 an 14 Teams der NWSL durchschnittlich 20 Millionen Dollar umsetzen statt wie bisher knapp zehn Millionen, können die Gehälter deutlich angehoben werden, möglichst auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Team. Nach der Saison wird der Fernsehvertrag neu verhandelt, aus dem Umfeld der Liga ist zu hören, dass sich die Einnahmen verzehnfachen sollen, auf etwa zehn Millionen Dollar pro Saison.

"Jede Entscheidung, die wir treffen, soll ein Schritt in die Richtung sein, etwas zu erschaffen, das wertvoll ist, das anerkannt ist als weltweite Marke, die Leute auch abseits des Spielfelds begeistert", sagt Julie Uhrmann. Eine Playoff-Niederlage ist bei aller Enttäuschung angesichts dieser Ziele keine große Sache - die Reaktion beim Angel City FC darauf zeigt: Titel sind eben doch nicht alles im Sport.

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