Karriereende von Megan Rapinoe:Eine Ikone verlässt die Bühne

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Abschied nach 17 Jahren im US-Nationalteam: Megan Rapinoe hat den Fußball geprägt und ihn politischer gemacht. (Foto: Michael Reaves/Getty Images via AFP)

Die US-Amerikanerin Megan Rapinoe beendet ihre große Fußball-Karriere. Ihr Wirken ging jedoch weit über den Platz hinaus. Aktivistin will sie weiter bleiben.

Von Anna Dreher

Ein letztes Mal noch zeigte Megan Rapinoe diese Geste, die fest zu ihrem Bild als Ikone des Fußballs gehört und an diesem Abend natürlich nicht fehlen durfte. Nach einer Ecke von ihr erzielte Emily Sonnett den 2:0-Endstand in einem Freundschaftsspiel gegen Südafrika, rannte danach auf Rapinoe zu - die anderen US-Fußballerinnen hinterher - um sie schließlich zu jenem Jubel aufzufordern, den die 38-Jährige in den vergangenen Jahren zelebriert hat: die Beine dicht nebeneinander, die Arme zur Seite ausgebreitet, den Kopf erhoben, dazu ein triumphierendes Lächeln.

Ein eigenes Tor wäre die Krönung gewesen, doch wenig später, in der 54. Minute, übergab Rapinoe auf dem Soldier Field von Chicago unter riesigem Applaus der Zuschauer die Kapitänsbinde an Lindsey Horan. Auf dem Weg zur Seitenlinie klatschte sie selbst und verbeugte sich vor dem Publikum und der Fußballwelt, bevor sie nach 203 Länderspielen und 63 Treffern für die USA den Rasen mit den Worten verließ: "Ich bin raus!"

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Beim 0:2 gegen Dänemark in der Nations League zeigt sich, wie sehr beim deutschen Nationalteam die noch nicht aufgearbeitete WM nachwirkt - was auch mit dem Fehlen der Bundestrainerin zusammenhängt.

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Ihr letztes Pflichtspiel wird Rapinoe am 15. Oktober in der US-amerikanische Liga für OL Reign bestreiten. Aber ihr großer Abschied von der Bühne des Fußballs wurde am Sonntag vollzogen, 17 Jahre und 63 Tage nach ihrem Debüt für das Nationalteam. Damit endet eine Erfolgs-Ära, die Rapinoe maßgeblich prägte. 2011 erreichte die Mittelfeldspielerin mit den USA das WM-Finale, 2012 holte sie Gold bei den Olympischen Spielen, 2015 und 2019 gewann sie die Weltmeisterschaft - und wurde bei letzterem Turnier ausgezeichnet mit dem Goldenen Ball als beste Spielerin und dem Goldenen Schuh als beste Torschützin. Obendrein bestimmte man sie später zur Weltfußballerin und Ballon-d'Or-Siegerin.

Die Fußballerin Megan Rapinoe ist immer auch Aktivistin gewesen

Dass 2019 zu dem wohl bedeutsamsten Jahr ihrer Laufbahn wurde, ging jedoch weit über Tore und Trophäen hinaus. Es begann damit, dass das Frauen-Nationalteam am 8. März eine Sammelklage gegen den eigenen Verband wegen "institutionalisierter geschlechtsspezifischer Diskriminierung" einreichte und damit die Forderung nach gleicher Bezahlung wie die weit weniger erfolgreiche Männer-Auswahl auf die nächste Ebene hob. Trotz (oder wegen?) dieses zähen Kampfes holten Rapinoe &Co überlegen den Titel. Sie wurden zu Vorbildern und schufen einen Präzedenzfall für Equal Pay, gaben den Impuls für viele andere. 2022 kam es dank ihrer Hartnäckigkeit zur Übereinkunft. "Es macht mich wirklich stolz zu wissen, dass wir nicht nur auf dem Spielfeld so erfolgreich waren, sondern auch dazu beigetragen haben, die Welt ein bisschen besser zu machen", sagte Rapinoe nun.

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US-Weltmeisterin Megan Rapinoe nutzt ihre Popularität, um den politischen Diskurs mitzubestimmen. An ihrem Engagement sollten sich mehr Fußballer und Fußballerinnen ein Beispiel nehmen.

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Sie beeindruckte mit ihrer Leistung auf dem Platz umso mehr, weil sie sich nebenbei mit Fifa-Präsident Gianni Infantino und US-Präsident Donald Trump anlegte, was Rapinoe auch zur Zielscheibe für dessen reaktionäres Lager machte. Dass sie zu den erfolgreichsten Fußballerinnen ihres Landes gehört, verlieh ihrer klaren politischen Haltung jene Kraft, die sie nur noch selbstbewusster machte. Rapinoe blühte auf in der Polarisierung und Provokation, die für manche bisweilen schon in einem bloßen Statement lag: 2012 bekannte sie sich als eine der ersten US-Fußballerinnen zu ihrer Homosexualität.

Die Kalifornierin war keine Athletin, die den Fokus allein auf den Sport legte, sondern sich mit dem Bewusstsein der eigenen Wirkmacht laut gegen Rassismus, gegen Homophobie und für Gleichberechtigung einsetzte. Die möglichen Konsequenzen waren für sie sekundär. Rapinoe war immer auch Aktivistin und dabei Entertainerin mit zuletzt bunt gefärbten Haaren. Und womöglich haben sie für diese besondere Mischung selbst ihre Gegner heimlich respektiert. "Ich habe das Gefühl, dass all die Sachen neben dem Platz der Grund sind, warum ich auf diesem Planeten bin. Das fühlt sich an wie mein Lebenswerk", fand Rapinoe. Für ebendieses verlieh ihr US-Präsident Joe Biden 2022 die Presidential Medal of Freedom - die höchste Auszeichnung für Zivilisten.

Bei der WM vergangenen Sommer scheiterten die US-Frauen im Achtelfinale. Ihr Ego wirkte zu aufgeblasen, das Selbstverständnis der vermeintlichen Unbesiegbarkeit zu groß und auch Megan Rapinoe kam nicht an frühere Glanzleistungen heran. Den Fußballplatz verlassen aber hat sie als Gewinnerin. Die Welt prägen will sie weiterhin.

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