Deutsches Nationalteam:Ein letzter Test, bevor die Mission startet

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Abschließende Einheiten, bevor es nach Australien geht: Die deutschen Nationalspielerinnen um Svenja Huth (rechts) im Trainingslager in Herzogenaurach. (Foto: Harry Koerber/Imago)

Gegen Sambia können sich die deutschen Nationalspielerinnen noch für den WM-Kader empfehlen. Es soll ein Flow wie bei der EM 2022 entstehen - was nach den jüngsten Auftritten auch dringend nötig ist.

Von Anna Dreher

Eines ihrer schwierigen Gespräche hat Martina Voss-Tecklenburg bereits geführt. Ungeplant früh, aber das dürfte es der Bundestrainerin und vielleicht auch der Spielerin etwas leichter gemacht haben. Paulina Krumbiegel ist bereits am Mittwoch aus dem Trainingslager des deutschen Nationalteams abgereist. Sie sei eine Wackelkandidatin gewesen und habe muskuläre Probleme gehabt, erklärte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim DFB. Deshalb sei das Trainerteam frühzeitig auf die Mittelfeldspielerin der TSG Hoffenheim zugegangen. Aus 29 Kandidatinnen für die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) sind also 28 geworden. Fünf weitere solcher Gespräche wird Voss-Tecklenburg führen, bevor am Wochenende der endgültige Kader bekanntgegeben werden soll. Am Dienstag startet der Flieger nach Sydney.

Anderen Wackelkandidatinnen bleibt noch ein letzter Test, um sich zu beweisen: Am Freitagabend (20.30 Uhr, ARD) trifft das deutsche Team in Fürth auf WM-Teilnehmer Sambia. "Es geht noch um zwei bis drei Positionen, bei denen wir die letzten Trainingseinheiten hier und das Spiel gegen Sambia nutzen werden", sagte Assistenztrainerin Britta Carlson. "Eine finale Entscheidung ist noch nicht gefallen." Womöglich wird die Passagierliste ohnehin erweitert. Aufgrund der langen Anreise und der großen Zeitverschiebung überlegt der DFB, ein oder zwei Spielerinnen zusätzlich mitzunehmen ins Basislager in Wyong, um auf kurzfristige Ausfälle besser reagieren zu können.

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Dass sich das Personal im Vergleich zur Europameisterschaft im vergangenen Sommer nicht groß ändern dürfte, ist ein Vorteil. Der starke Zusammenhalt war einer der Gründe für den überzeugenden Auftritt und wird auch dabei helfen, sich bis zum WM-Auftaktspiel am 24. Juli in Melbourne gegen Marokko besser einzuspielen - was dringend nötig ist. "Wir waren über das Jahr nicht übermäßig zufrieden mit unseren Spielen", sagte Chatzialexiou.

Zumindest vorerst ist Unruhe durch politische Debatten nicht zu erwarten

Automatismen fehlten dieses Jahr gegen Schweden (0:0), die Niederlande (1:0) und Brasilien (1:2). Das zähe 2:1 gegen Vietnam Ende Juni passte da ins Bild. Zwar wurden Leistungsträgerinnen wie Alexandra Popp geschont und die fünf später angereisten Spielerinnen des FC Bayern kamen ebenfalls nicht zum Einsatz, die Formation war also keinesfalls eingespielt. Voss-Tecklenburg zeigte sich dennoch sauer angesichts fehlender Präzision und schlechter Abstimmung. "Wir sind maximal bei 40, 50 Prozent", analysierte die 55-Jährige und stellte Grundsatzfragen: "Verstehen wir das Spiel so, wie wir es spielen wollen? Kennen alle ihre Aufgaben?"

Voller Fokus aufs Sportliche: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (rechts) unterhält sich mit Alexandra Popp (Mitte) und Lena Lattwein. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Wie gut an den Schwachstellen im bis Samstag laufenden zweiten Lehrgang in Herzogenaurach gearbeitet worden ist, wird sich nun gegen Sambia zeigen. Wobei Mittelfeldspielerin Lena Lattwein (VfL Wolfsburg) an die Parallelität zum vergangenen Jahr erinnerte: "Vor der EM lief ja auch nicht alles rund." Dennoch erreichten die DFB-Frauen das Finale. Darauf verlassen, dass sich ihr Team in einen ähnlichen Flow spielt, wird die Bundestrainerin sich aber nicht. Voss-Tecklenburg sieht diverse Titelkandidaten. Bei der WM zu bestehen, wird härter. Nach den Gruppenspielen gegen Marokko, Kolumbien (30. Juli, Sydney) und Südkorea (3. August, Brisbane) könnten die Deutschen schon im Achtelfinale auf Frankreich oder Brasilien treffen.

Der Fokus auf dem Weg dorthin wird aufs Sportliche gelegt werden können, zumindest vorerst ist Unruhe durch politische Debatten nicht zu erwarten. Der Streit um die Anreise des Bayern-Blocks drei Tage nach dem Start der Vorbereitung ist durch. Ebenso, dass der DFB die von der Fifa deutlich gesteigerten, erstmals direkt an die WM-Teilnehmerinnen ausgezahlten Prämien nicht im Sinne von Equal Pay erhöht hat. Selbst der Wirbel um das Tragen einer Regenbogenbinde hat sich in Grenzen gehalten. Was bei der Männer-WM 2022 in Katar zu einer großen Kontroverse anwuchs, regelte die Fifa nun im Voraus: Unter acht Farbkombinationen mit unterschiedlichen Solidaritätsbekundungen kann gewählt werden. "Wir können uns auch in den nun festgelegten Motiven für die Kapitänsbinde gut wiederfinden, auch diese spiegeln unsere Werte wider", sagte Popp. Eine Variante erinnert ohnehin an das in Katar verbotene "One Love"-Design.

Retten die Nationalspielerinnen diesen Sommer also die sportliche Bilanz des Deutschen Fußball-Bundes, nachdem die Männer und die U21 enttäuschten? "Wir wollen unsere Leistung bringen - unabhängig davon, was im direkten Umfeld passiert", sagte Voss-Tecklenburg. "Wir haben einen eigenen Anspruch." Und der ist bekanntermaßen hoch.

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