Sieben Kurven in der Formel 1:Sergio Perez wird zur Lachnummer

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Bei Sergio Perez geht in Suzuka mal wieder einiges schief. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Die Nummer zwei bei Red Bull zieht alles Pech auf sich, Oscar Piastri widerlegt die Talentrechnung - und Sebastian Vettel bringt endlich Biodiversität in die Formel 1. Die Höhepunkte des Rennwochenendes.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Oscar Piastri

Vorzeitige Vertragsverlängerung mit McLaren und die erste Podiumsplatzierung: Der Große Preis von Japan war für Oscar Piastri ein durchaus erfreulicher. (Foto: Peter Parks/AFP)

Etwa zwei bis drei Jahre, lautet die Talentrechnung, brauchen Nachwuchsfahrer, um richtig heimisch zu werden in der Königsklasse. Das galt sogar für Ausnahmepiloten wie Max Verstappen und Sebastian Vettel. Aber offenbar nicht für Oscar Piastri. Der 22 Jahre alte Australier hat alles das, was in dieser Woche passiert ist, zwar freudig, aber ziemlich abgeklärt hingenommen: vorzeitige Vertragsverlängerung mit McLaren bis 2026, zweiter Startplatz Seite an Seite mit dem Weltmeister, am Ende Rang drei und die erste Podiumsplatzierung.

Wenigstens zeigt zu Hause in Melbourne Mama Nicole ein bisschen mehr Emotionen. Sie lebt die Aufregung hoch drei aus, am liebsten in den eigenen vier Wänden, weshalb sie eine Einladung von Teamchef Zak Brown an die Rennstrecke dankend ausschlug. Stattdessen schrieb sie ihm nach der Vertragsunterzeichnung des Sohnes: "Was? Und das soll jetzt drei Jahre so weitergehen!?" Sie versuche es jetzt mit Meditation, um beim Saisonfinale in Las Vegas dann vielleicht doch dabei zu sein.

Max Verstappen

(Foto: Toshifumi Kitamura/AFP)

Das Krisengerede von Singapur ging ihm am Rennanzug vorbei. Andere Strecke, neues Glück, alter Verstappen. Dass er seinen deutlichen Vorsprung im Training, Qualifying und Rennen vor allem in den ultraschnellen Kurven herausfahren konnte, zeigt: da gibt es keinen Zweifel. Weder an sich noch an seinem RB 19. Mensch und Maschine beschleunigen sich gegenseitig, der Fahrer spricht von einem "Raketenauto".

So braucht es nur noch eine kurze Zündung, drei WM-Pünktchen, um schon am übernächsten Wochenende den Titelhattrick einzufahren. So gern er seine Wut rauslässt, so sehr hält er sich jetzt mit der Freude zurück. Nicht, dass er die Erfolge als gegeben hinnimmt, ganz im Gegenteil. Aber in Suzuka sollte alles Licht seinem Team gelten: "Dieser Titel ist noch mehr wert als der vom letzten Jahr." So benimmt sich ein echter Mannschaftskapitän.

Sergio Perez

Bei Sergio Perez geht in Suzuka mal wieder einiges schief. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Die Frage, welchen Anteil der Mexikaner am zweiten Mannschaftstitel in Serie für Red Bull Racing hat, ist vielleicht auch so zu beantworten: offenbar zieht die Nummer zwei alles Pech auf sich. Als wenn er nicht schon verunsichert genug wäre ob seiner schwankenden Leistungen im Qualifying, ging auch im Renngetümmel wieder alles schief. Der Mann, den sie "Checo" nennen, fuhr sich zweimal den Frontflügel ab, kassierte zwei Fünf-Sekunden-Strafen und wurde dann früh aus dem Rennen genommen - um nicht noch mehr zu beschädigen an Auto und Psyche.

Doch nach 25 Runden musste er wieder zurück ins Cockpit geholt werden. Er hatte die letzte Strafe nicht mehr abgesessen, was nach dem kruden Regelwerk der Formel 1 eine Rückstufung in Katar zur Folge gehabt hätte. Die Regelexperten von Red Bull hatten das gemerkt, schickten ihn für einen Umlauf raus, kassierten die Strafe und schoben Perez wieder zurück in die Garage. Damit war er auch noch zur Lachnummer geworden.

Sebastian Vettel

(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Irgendwann war es nicht mehr das große Surren, dass den Insektenhotel-Baumeister Sebastian Vettel begeisterte am Suzuka International Circuit. Sondern das Heulen der Motoren. Der Formel-1-Ruheständler stand beim Training hinter der Leitplanke und sagte seinem alten Kumpel Timo Glock ins Sky-Mikrofon: "Zuschauen hier tut weh. Aber ich wusste ja, dass es schwer werden wird, hier zuzuschauen... Ich habe ja immer gesagt, dass ich gern für ein Rennen nach Suzuka zurückkommen würden."

Momentan sucht der 36-Jährige noch seine richtige Bestimmung, nutzt seine weiterhin große Popularität, um auf Themen aufmerksam zu machen, die ihm am Herzen liegen. Wie groß die Welt doch wäre im Gegensatz zur Formel 1, habe er festgestellt. Und so bringt der Wahl-Schweizer das große Thema Biodiversität in die kleine Rennwelt, mit elf selbst zu bemalenden Häuschen. Seine Ex-Kollegen freuten sich über das Selfmade-Projekt in Kurve zwei, für die Formel-1-Piloten war es eine Art Abenteuerspielplatz. Formel-1-Chef Stefano Domenicali freute sich ebenfalls über die Publicity, er würde Vettels Aktivismus gern in eine richtige Botschafterrolle verwandeln - für nachhaltigere Aktionen.

Fernando Alonso

(Foto: Toshifumi Kitamura/AFP)

Anderen den Vortritt lassen, das ist nicht so wirklich die Art von Fernando Alonso auf der Rennstrecke. Das älteste Alpha-Tier der Formel 1 sucht sich dafür philosophische Rückendeckung bei den Samurai. Als Japan-Liebhaber hat der 42-Jährige die kontrollierte Offensive studiert: "Rennfahrer und Samuraikämpfer sind sehr eng miteinander verbunden. Es geht um Disziplin, Selbstvertrauen, Furchtlosigkeit. Mut bedeutet nicht nur, verrückte Dinge zu tun. Mut ist, wenn man in den Kampf zieht und nicht ein Prozent des Kopfes denkt, dass man versagen wird, man nutzt den Hunger, um noch härter anzugreifen als zuvor."

So hat er das wieder gehalten, nach einer heftigen Diskussion um die richtige Strategie mit seinem Ingenieur bei Aston Martin: "Ihr werft mich hier den Löwen zum Fraß vor!" Er forderte eine Änderung der Strategie, bekam sie - und wurde am Ende noch Achter.

George Russell

(Foto: Kazuhiro Nogi/AFP)

Mercedes träumt davon, McLaren zu sein, und innerhalb einer Saison aus einem labilen Rennwagen ein siegfähiges Auto zu machen. Aber Mercedes ist Mercedes, Lewis Hamilton und George Russell müssen warten, üben Druck auf die technische Abteilung aus. Und fahren in Podiumsnähe einstweilen ihr eigenes Ausscheidungsfahren. Mehrfach gerieten die beiden Briten aus den unterschiedlichen Fahrergenerationen aneinander. So haarig war die Verteidigung von Lewis Hamilton zum Teil, das Russell klagte: "Gegen wen fahren wir hier eigentlich? Gegen uns oder gegen die anderen?"

Am Ende war die Situation umgekehrt, aber Russell wollte die Anweisung zum Platztausch nicht befolgen. Bis er eine Stimme im Ohr hatte, die klar machte: "George, das ist ein Befehl." Teamchef Toto Wolff, nach einer Operation zuhause im Krankenbett, hatte ein Machtwort gesprochen. Heraus kamen nach dem für Außenstehende unterhaltsamen Disput die Plätze fünf und sieben. Folgt die Fortsetzung?

Logan Sargeant

(Foto: Taidgh Barron/ZUMA Wire/Imago)

Wenn es noch einen größeren Verlierer als Perez gibt in der Formel 1, dann dürfte das der Rookie aus Fort Lauderdale sein. Schon in Singapur zeigte der 22-Jährige, dass er leicht überfordert ist mit der Situation. In Suzuka sorgte er samstags wieder für reichlich Kleinholz, als er das Auto ohne Not in die Bande setzte. Williams gingen die Ersatzteile aus, irgendwie brachten sie ihren Schützling aus der Boxengasse trotzdem ins Rennen. Aber nicht für lange, dann flog er gleich wieder raus - nach einer Kollision mit Valtteri Bottas. Trotz der US-Investoren im Team ist sein Platz gefährdet.

Der Brasilianer Felipe Drugovich, derzeit noch Ersatzmann bei Aston Martin, winkt mit Interesse und Sponsorenmillionen. Wie man es auf Anhieb besser macht, zeigt der ein Jahr jüngere Neuseeländer Liam Lawson, der in seinem vierten Rennen für Alpha Tauri knapp an den Punkten vorbeischlitterte. Er wird im kommenden Jahr Ersatzmann bei Red Bull, mit guten Chancen auf Beförderung. Sargeant zu seinem Schicksal: "Bis zu dem Zwischenfall war es ein guter Tag für mich. Ich muss das hinter mir lassen."

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