Formel 1 in Suzuka:Küss mich, wir sind die Champions

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Liebkosungen für die Siegertrophäe: Max Verstappen gewinnt den Großen Preis von Japan. (Foto: Clive Mason/Getty Images)

Max Verstappen gewinnt den Großen Preis von Japan und macht Red Bull zum Konstrukteurs-Weltmeister - obwohl Sergio Pérez erneut blamabel fährt. Bei Mercedes und McLaren zoffen sich die Teamkollegen untereinander.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Er kann's noch. Und wie. Max Verstappen zeigt seine ganze Souveränität, als er beim Großen Preis von Japan den ersten Titel des Jahres einfährt: Sein 13. Saisonsieg vor den grandiosen Nachwuchskräften Lando Norris und Oscar Piastri von McLaren ist nicht nur eine veritable Wiedergutmachung für den Ausrutscher von Singapur, sie sichert Red Bull Racing auch vorzeitig zum sechsten Mal den Konstrukteurs-Titel, den zweiten hintereinander. Die neuerliche Blamage seines Teamkollegen Sergio Pérez, der früh sein Auto beschädigt und abstellen muss, sorgt außerdem dafür, dass Titelverteidiger Verstappen schon im Sprintrennen beim nächsten WM-Lauf in Katar zum dritten Mal Champion werden kann - er braucht bei derzeit 177 Zählern Vorsprung auf Pérez nur noch drei Pünktchen dafür.

"Max fährt auf seinem eigenen Level", lobt Teamchef Christian Horner. Tatsächlich hat das britisch-niederländisch-österreichische Ensemble es geschafft, der vergangenen Gala-Saison noch eins draufzusetzen. Was Kapitän Verstappen vorlebt, basiert auf einer Mannschaftsleistung. Red Bull Racing ist trotz zahlreicher Abwerbungsversuche auf allen entscheidenden Posten stärker besetzt als die Konkurrenz, mit Ausnahme des zweiten Cockpits. Entscheidend aber ist die Rolle des genialen Konstrukteurs Adrian Newey, einem Verstappen des Zeichenbretts. Tatsächlich ähneln sich der 25 Jahre alte Rennfahrer und der 64-jährige Ingenieur charakterlich: Sie sind stur und sensibel, so risikobereit wie kontrolliert. Der Brite hat seinem Schützling nur ein paar Trophäen voraus, für ihn war es am Sonntag schon der insgesamt 24. Titelgewinn.

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Von Elmar Brümmer

Als Verstappen hoch über dem Suzuka International Circuit den Siegerpokal küsst, leuchtet die der Airbox eines Formel-1-Autos nachempfundene Trophäe in den niederländischen Farben, Sensoren machen es möglich. Irgendwie muss ja Abwechslung in die ewig gleichen Zeremonien gebracht werden. Küss' mich, wir sind die Champions. Der Dominator kann natürlich immer noch nicht genug davon bekommen. "Jetzt geht es erst richtig los", jubiliert er nach der Zieldurchfahrt in sein Helmmikrofon, und ist dann ganz Mannschaftskapitän: "Ihr verdient das, seid stolz auf Euch." Teamchef Horner bescheinigt ihm einen "absolut fantastischen Job" und spricht vom "großartigsten Jahr" der Rennstallgeschichte. Er muss es ja wissen, denn er ist seit den Anfängen 2005 dabei und der am längsten amtierende Rennstallvorsteher in der Königsklasse.

Beim Start behauptet sich Verstappen gegen die papayafarbene Konkurrenz

Vor allem die ersten zehn Sekunden sind es, die es zu überstehen gilt in Suzuka. Das leichte Gefälle, der Wind, die enge Piste - alles mitentscheidend für einen Start. Und auf den kommt es hier besonders an. Verstappen kennt noch zwei andere Herausforderungen, die beiden papayafarbenen McLaren. Rookie Oscar Piastri neben sich, Lando Norris hinter sich. Im ersten Kurvenbogen wurde schon reichlich Formel-1-Geschichte geschrieben, Ayrton Senna hat hier Alain Prost torpediert. Es ist ein heißer Ritt, wenn drei Autos auf den Asphaltknick zurasen. Wer zuerst zuckt, verliert die Position, aber wer zu viel riskiert, verliert das Rennen.

Verstappen preschte mit leicht durchdrehenden Rädern vor, als hätte es den Ausrutscher von Singapur nie gegeben. Piastri, gar nicht feige, hielt mit, der Führende schnitt ihm den Weg ins Kurveninnere ab. Dadurch wurde außen die Spur frei für Norris, doch im letzten Moment erkannte der Weltmeister die Gefahr, ließ den Red Bull leicht nach links trudeln - und behauptete seine Position. "Max ist eben Max", schmunzelte Norris hinterher. So klingt das, wenn ein Rennfahrer einem anderen ein Kompliment macht.

Pérez fährt einmal mehr desaströs - die Geduld mit dem Mexikaner könnte bald erschöpft sein

Als sich der Spitzenreiter auf den Weg machte, eine Prophezeiung von Lewis Hamilton ("Max wird uns am Sonntag eine halbe Minute voraus sein") wahrzumachen, musste das Feld neutralisiert werden. Denn im Mittelfeld hatten sie das mit den Ausweichmanövern nicht ganz so gut hinbekommen, zu viele scharfe Karbonteile lagen auf der Ideallinie. Einer der Be- und Getroffenen war Verstappens Teamkollege Sergio Pérez, der einmal mehr nicht so fuhr, wie es von einem WM-Zweiten zu erwarten ist. So geriet er früh in die Crash-Zone, holte sich eine neue Nase, vertat sich beim Einordnen hinterm Safety Car, kassierte eine Fünf-Sekunden-Strafe und rutschte auf Platz 13 zurück.

Im gleichen Auto, mit dem Verstappen einsam vorneweg fährt, tat sich der Mexikaner sogar schwer, am Haas-Ferrari vorbeizukommen - prompt schlitterte er beim Überholversuch in Kevin Magnussen hinein. Gleiches Spiel: Frontflügel ruiniert, Fünf-Sekunden-Strafe. Die trat er erst gar nicht mehr an, sein Auto wurde zurück in die Garage geschoben. Seine Zukunftsaussichten bei Red Bull Racing sind trotz eines Vertrages bis Ende kommender Saison im freien Fall. Der neuseeländische Ersatzmann Liam Lawson beim Schwester-Team Alpha ist für nächstes Jahr Ersatzmann für beide Konzernrennställe. Da ließe sich ein Tausch leicht arrangieren, denn irgendwann dürfte die Geduld von Teamchef und Teamberater Helmut Marko erschöpft sein.

Doch nochmal raus aus der Red-Bull-Garage: Sergio Pérez hatte das Rennen eigentlich schon beendet, kehrt aber wieder auf die Strecke zurück um seine Strafe abzusitzen. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Die absolute Demütigung folgte dann, als das Rennen in die Schlussphase ging. Pérez war eigentlich schon vor 25 Runden ausgestiegen, musste aber wieder rein ins Cockpit - um die Strafe noch abzusitzen, sonst würden ihm die Sekunden beim nächsten Rennen draufgeschlagen. Teamchef Horner zeigte sich am Ende versöhnlich, vielleicht auch etwas zynisch: "Sergio hat auch seinen Anteil am Erfolg." Der 33-Jährige versuchte sich erst gar nicht in Schadensbegrenzung: "Das war ein desaströses Wochenende für mich."

Zoff bei Mercedes: "Gegen wen wollen wir hier eigentlich Rennen fahren?"

Überhaupt die Zweierbeziehungen an diesem Wochenende: Das Generationenduell bei Mercedes ging mit unverminderter Härte weiter. Diesmal war es George Russell, der Druck auf Lewis Hamilton ausübte. Aber der Rekordchampion verteidigte sich mit aller Routine und Härte. So sehr, dass die Rennleitung das interne Ausscheidungsfahren beobachtete. Russell stellte seinem Kommandostand eine rhetorische Frage: "Gegen wen wollen wir hier eigentlich Rennen fahren? Gegen uns selbst oder gegen die anderen?"

Auch bei McLaren ist nicht alles Orange. Norris, der sich schon als alleiniger Titelkandidat der Zukunft sah, bekommt mit Piastri immer größere Konkurrenz. Der Australier hat in Suzuka seinen Vertrag vorzeitig bis 2026 verlängert bekommen, und fuhr derart beschwingt gleich zum ersten Mal in die erste Startreihe. Zur Rennmitte aber wurde Norris immer schneller, beschwerte sich über rüde Abwehrmanöver seines Vordermanns - und wurde vorbei gewunken. Das machte Mercedes am Ende trotz heftiger Proteste auch mit Russell und Hamilton, um den fünften Platz gegen den heranstürmenden Ferrari von Carlos Sainz zu sichern. Das stärkste Machtwort des Tages aber hat Max Verstappen in seinem Dank an die Mannschaft gesprochen: "Ihr habt mir ein Raketenauto gebaut." Einem Überflieger angemessen.

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