Formel 1:Der fabelhafte Designer Adrian Newey

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Na, wer hat mehr Geld? Adrian Newey (rechts) sonnt sich an der Seite des Fahrers Sergio Pérez auf einem Boot im Hafen der Besserverdiener von Monte Carlo. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

In der Formel 1 herrscht ein harter Kampf um die besten Ingenieure. Red Bulls genialer Chefdesigner wird von den anderen Teams so umworben, dass er inzwischen mehr verdient als mancher Fahrer - und seinen Rennstall zu Einsparungen zwingt.

Von Elmar Brümmer, Montreal

Es dürfte sich um den folgenreichsten Kinobesuch der Formel-1-Geschichte gehandelt haben. Christian Horner, gerade Teamchef bei Jaguar geworden, war 2005 Ende beauftragt worden, die Weichen für den künftigen Red-Bull-Werksrennstall zu stellen. Ideen und Geld waren reichlich vorhanden, es fehlte nur ein außergewöhnlicher Technischer Direktor. Da für den Firmengründer Dietrich Mateschitz das Beste gerade gut genug war, stand Adrian Newey ganz oben auf der Einkaufsliste. Neben Ross Brawn von Ferrari galt der Brite als Superhirn der Branche, bewiesen durch zwölf Titel. Ein Weltmeistermacher also. Allerdings bei McLaren unter Vertrag, dazu ordentlich dotiert.

Nun begab es sich damals schon, dass sich der Eigenbrötler Newey mehr für seine Entwürfe interessierte als für den Kontostand. Der Weg zur Verpflichtung, wurde Horner bedeutet, führe dennoch nur über Gattin Marigold. Also besorgte der Manager dem Ehepaar Newey eine Einladung zur Premiere des neuen Star Wars-Films in Monte Carlo. Beste Plätze, viel zukunftsträchtige Action auf der Leinwand, doch Newey schlief ein. Die Verhandlungen überließ er in der Tat seiner Frau, perfekt gemacht wurde der Deal dann später im Nebenzimmer eines Londoner Restaurants. Marigold Neweys Verhandlungsgeschick schuf eine neue Gehaltsklasse für Techniker, plötzlich war ein Konstrukteur ein höheres Millionengehalt wert.

Neweys aktuelle Fahrzeugschöpfung: Das Modell RB19 brachte Red Bull in dieser Saison sieben Siege in sieben Rennen. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Heute, sechs Fahrer- und fünf Mannschaftstitel später, weiß die ganz Welt: Es war ein ziemlich gutes Geschäft. Für beide Seiten. Und es soll genauso weitergehen, mittlerweile im zweistelligen Millionenbereich. Neweys aktuelle Fahrzeugschöpfung namens RB19 hat für sieben Siege in sieben Rennen gesorgt, beim Großen Preis von Kanada an diesem Sonntag steht das anfangs als Getränke-Truppe verlachte österreichisch-britische Team vor seinem 100. Grand-Prix-Sieg.

Die anderen Rennställe sind so verzweifelt, dass sie - Mercedes und Ferrari inklusive - bereit wären, so ziemlich jeden Preis für Neweys Dienste zu bezahlen. Der 64-Jährige weiß zwar, was er in Milton Keynes hat, aber Kompagnon Horner ahnt auch, dass Loyalität in der Formel 1 ein zerbrechliches Gut ist. Deshalb hat er entgegen den Gepflogenheiten seines Konzerns kürzlich eine Personalangelegenheit öffentlich gemacht: Adrian Newey werde noch für "viele, viele Jahre mehr" an seinem geliebten Zeichenbrett bei Red Bull stehen. Da Max Verstappens Vertrag noch bis Ende 2028 läuft, kann man sich denken, wie das gemeint ist.

Weil sie Newey nicht bekommen, wirbt die Konkurrenz gezielt die Top-Techniker aus der zweiten Reihe von Red Bull ab.

Mit Neweys Ja-Wort allein ist Red Bull Racing aber noch nicht auf der sicheren Seite. Denn seit dem vorvergangenen Jahr haben die Gegner begonnen, gezielt die Top-Techniker aus der zweiten Reihe abzuwerben. Dan Fallows, der nächstbeste im Team nach Newey, wurde von den Head-Huntern geködert, die der Multimilliardär Lawrence Stroll ausgesandt hatte. Und plötzlich ist der Aston Martin einer der härtesten Red-Bull-Verfolger in der Frühphase dieser Saison geworden. Stroll hat sich parallel dazu auch bei Mercedes bedient. Top-Leute sind gefragter denn je. Denn die Formel-1-Teams machen angesichts des weltweiten Booms mehr und mehr Gewinn, und der budget cap verhindert, dass dieses Geld endlos in die Technik gesteckt werden darf. Nicht unter das strikte Limit von knapp 130 Millionen Euro fallen neben den beiden Rennfahren die drei Topverdiener eines Rennstalls. Das große Wettbieten hat begonnen, entsprechend groß sind die Rochaden in dieser Saison.

Teamchef Horner steckt in der Zwickmühle: Hohe Gehälter gehen auf Kosten des Budgets für die Weiterentwicklung

Im Winter sind gleich vier Ingenieure auf Teamchefposten befördert worden, das 2026 anstehende neue Hybrid-Reglement erfordert ein größeres technologisches Know-how. Laurent Mekies, derzeit die Nummer zwei bei Ferrari, soll zum Boss bei Alpha Tauri befördert werden. McLaren hat gerade Red Bulls bisherigen Technik- und Designdirektor Rob Marshall verpflichtet, beim künftigen Audi-Werksrennstall Sauber hat Statthalter Andreas Seidl sofort den bei McLaren geschassten Technikdirektor James Key geholt. Ein munteres Wechselspielchen, verbunden mit entsprechenden Zulagen. Denn auf dem Ingenieursmarkt herrscht Fachkräftemangel. Und plötzlich verdienen die Techniker mancherorts mehr als die Fahrer, was man glauben darf, denn Ferrari hat wohl schon vor ein paar Jahren 20 Millionen Dollar für Newey geboten. Das ist tatsächlich in etwa das Niveau, auf dem Lewis Hamilton und Mercedes gerade eine Vertragsverlängerung verhandeln.

Neweys stattliche Entlohnung sorgt dafür, dass Red Bull Racing seine künftige Struktur umbauen muss. Das Geld, das in ihn investiert wird, fehlt für Gehaltserhöhungen bei anderen führenden Experten. Sie werden somit anfälliger für das Buhlen der Konkurrenz. Der Branchenführer muss umstrukturieren, neue Strategien ersinnen und Entlassungen vornehmen. Auch der Trick mit der Auslagerung von Top-Angestellten in Tochtergesellschaften ist nur begrenzt anwendbar, die Regelhüter überprüfen streng, wovon der Spitzenreiter seit dem letztjährigen Verstoß samt drastischer Strafe ein Lied singen kann. So passte ausgerechnet die langjährige Personalchefin Jayne Poole plötzlich nicht mehr ins Gehaltsgefüge, denn ihr Honorar wurde benötigt, um einige Techniker weiter zu beschäftigen. Kein geringer Verlust, denn Poole arbeitet mit ihrem Know-how jetzt als Beraterin für Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Eine Zwickmühle für Horner, grundsätzlich gehen höhere Prämien auf Kosten des Budgets für die Weiterentwicklung.

Wie sich die Gepflogenheiten auf dem Arbeitsmarkt verändert haben, zeigt der Fall von Laurent Mekies. Ferrari will den Franzosen natürlich nicht so ohne weiteres für Alpha Tauri freigeben. Angeblich wurde ein Koppelgeschäft ersonnen. Demnach könne man sich einen Wechsel ohne Sperrfrist von Mekies zum Zweitrennstall von Red Bull vorstellen, wenn im Gegenzug einige der bereits freigestellten Red-Bull-Techniker nach Maranello umziehen dürften. Offiziell kommentiert wird das von beiden Seiten nicht, aber Horner deutet an, dass da was dran ist: "Es wird keinen Geiselaustausch geben."

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