Bundesliga:In Köpenick flitzt ein Superheld

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Schwingt sich zwar nicht von Haus zu Haus, ist aber trotzdem schneller als alle anderen: Union-Stürmer Sheraldo Becker als Spider-Man. (Foto: Annegret Hilse /Reuters)

Union fliegt dank eines 4:2 gegen Freiburg Richtung Champions League, Frankfurt befreit sich ohne Trainer Glasner fulminant - und Hoffenheim ist wieder im Abstiegs-Sog. Alles Wichtige zum Spieltag.

Von Jonas Beckenkamp, Tim Brack und Philipp Schneider

Union Berlin - SC Freiburg 4:2 (3:0), Tore: 1:0 Behrens (5.), 2:0 Becker (35.), 3:0 Becker (38.), 3:1 Gulde (56.), 3:2 Grifo (70., Foulelfmeter), 4:2 Laidouni (80.)

Die beiden Überraschungsteams dieser Saison, Freiburg als Fünfter und Union als Vierter, sind vor allem für ihre ungemeine Stabilität bekannt. Der Fußballgott schüttete dann einen Kübel Ironie über dieser Partie aus, denn Freiburgs Kiliann Sildillia hatte keinen stabilen Stand, rutschte früh aus und Unions Kevin Behrens schob zum 1:0 ein. Dann zelebrierten die Berliner ein Best-of der eigenen Stärken: Kompaktheit, Umschaltspiel, Erfolg mit Standards. Sheraldo Becker leitete einen Angriff in der eigenen Hälfte selbst an der Mittellinie ein, war trotzdem blitzschnell vor dem Freiburger Tor: 2:0.

Nur zwei Minuten später überwand er SC-Torhüter Mark Flekken nach einer Ecke mit einem strammen Schuss ins kurze Eck aus 16 Metern. Zwischen beiden Toren hatte er noch mit einer Spider-Man-Maske gejubelt und Gelb gesehen. Der blitzschnelle Superheld "The Flash" wäre wohl passender gewesen, aber was soll's, Becker war an diesem Nachmittag unantastbar. Nur Union war es nicht: Denn Freiburg kam durch ein Tor von Manuel Gulde und einen unverschämt knappen Panenka-Elfmeter von Vincenzo Grifo noch einmal heran. Doch wieder eilte Becker zur Rettung, bereitete das 4:2 durch Aissa Laidouni (80.) in einem Konter vor. Mit zwei Toren und zwei Assist hievte Becker Union zumindest vorübergehend auf Platz drei an Leipzig vorbei. Die Champions League rückt immer näher. (tbr)

Bayern München - Schalke 04 6:0 (2:0), Tore: 1:0 Müller (21.),2:0 Joshua Kimmich (29., Foulelfmeter nach Videobeweis), 3:0 Gnabry (50.), 4:0 Gnabry (65.), 5:0 Tel (80.), 6:0 Mazraoui (90.+2)

War unter der Woche Gesprächsthema wegen angeblicher Abschiedsgedanken, gegen Schalke macht der Bayern-Angreifer Thomas Müller mit dem Tor zum 1:0 von sich reden. (Foto: Christian Kolbert/kolbert/Imago)

Was nach Definition von Trainer Thomas Tuchel ein Thomas-Müller-Spiel ist, wird man wohl nicht mehr erfahren. Er verrät es ja nicht. Man muss schon dankbar sein für seine Hinweise, die sich teilweise widersprechen. Und auch das Prinzip Ausschlussverfahren hilft in der Frage nicht weiter. Was man weiß: Die beiden Partien gegen Manchester City waren keine Thomas-Müller-Spiele, denn da saß er auf der Bank. Das Spiel gegen Mainz war schon ein Thomas-Müller-Spiel, da durfte er ja spielen. Die Partien gegen die Abstiegskandidaten Hertha BSC und Bremen waren dann wieder keine Thomas-Müller-Spiele, das Match gegen den Abstiegskandidaten Schalke 04 am Samstag aber doch. Diesmal begründete Tuchel die Hereinnahme Müllers mit dem Ziel einer "besseren Besetzung im Strafraum" - und der Vision, die Bayern seien mit dem Doppelpack aus Jamal Musiala und Müller "ein Tick offensiver". Soso.

Am Samstag waren 21 Minuten gespielt, Müller hatte soeben das 1:0 - im Fachjargon "Dosenöffner" genannt - erzielt, da fragte man sich: Wäre dieser Tick Offensive nicht auch schon vorher ganz hübsch gewesen? Nicht, dass am Ende auch die Spiele gegen Hertha und Werder Thomas-Müller-Spie ... ach, geschenkt!

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Der Offensivmann erhält von den Fans Sonderapplaus, Verteidiger Mazraoui kann sich fast ausschließlich auf die Offensive konzentrieren und Müller macht all seine Lieblingssachen. Die Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Die Bayern starteten stürmisch und hatten nach zehn Minuten eine Riesenchance der Kategorie Warum zur Hölle haben sie den nicht gemacht? Müller lief gemütlich wie ein Wanderer durch den Strafraum, bloß mit einem Ball am Fuß, er schoss aber so wenig wie Wanderer mangels Ball schießen können; irgendwann übernahm das Coman, der Schalker van den Berg klärte auf der Grundlinie. Immer wieder drangen die Münchner auf das gegnerische Tor, über Gnabry, über Musiala, über Sané - ein bisschen erinnerten sie an die Bayern zu Saisonbeginn, die auch ohne Mittelstürmer mit Lust und Wonne zu Chancen kamen. Und die mit jedem Tor selbstbewusster wurden.

Nachdem Kimmich per Foulelfmeter auf 2:0 erhöht hatte, ging den Gästen offensichtlich der Glauben abhanden, diese Partie noch drehen zu können. Umso ärgerlicher, dass Schalkes Offensivmann Marius Bülter überhaupt auf dem Platz stand, seine fünfte gelbe Karte sah - und damit im weit wichtigeren Spiel gegen Eintracht Frankfurt fehlen wird.

In der zweiten Hälfte kombinierten die Münchner munter weiter, Serge Gnabry erhöhte nach herrlichem Dribbling von Joao Cancelo über links auf 3:0, dann nach einem Konter auf 4:0. Als Torjubel zeigte er die Geste eines Rührens mit Löffel im imaginären Topf. Logisch, nach zwei Toren war Gnabry jetzt der Chefkoch der Bayern. Der blieb er auch, nachdem der für ihn eingewechselte Mathys Tel und Noussair Mazraoui die armen Schalker mit dem fünften und sechsten Bayern-Treffer waidwund geschossen hatten. Die Fans sangen: "Deutscher Meister wird nur der Effzeebeee".

Und die Erkenntnis dämmerte: Nur Thomas Müller sagt, was ein Thomas-Müller-Spiel ist. (pps)

Eintracht Frankfurt - FSV Mainz 05 3:0 (2:0), Tore: 1:0 Kamada (18., Foulelfmeter), 2:0 Buta (40.), 3:0 Kolo Muani (59.)

Wie einst Marco van Basten: Der Frankfurter Aurelio Buta trifft aus spitzestem Winkel gegen Mainz. (Foto: Michael Berm/Eibner/Imago)

Eigentlich brauchen die Frankfurter derzeit kein Rhein-Main-Derby, um den Puls hochzutreiben - sie sind sich selbst genug. Trainer Oliver Glasner schaute gegen Mainz nur von der Tribüne zu, weil er sich in der Vorwoche Rot abgeholt und danach gegen einen Journalisten gewütet hatte. Womöglich der Tropfen, der den Krug zum Überlaufen brachte; unter der Woche gab die Eintracht bekannt, dass man am Saisonende getrennter Wege geht.

Die Frage war also: Wie reagiert die Mannschaft auf den angekündigten Rauswurf des Trainers? Antwort: maximal unbeeindruckt. Erst verwandelte Daichi Kamada einen Strafstoß, den er selbst herausgeholt hatte. Dann beschwor Aurelio Buta den Geist von Marco van Basten in der Frankfurter Arena herauf. Wie der Niederländer 1988 gegen die Sowjetunion traf Buta aus maximal spitzem Winkel, volley, Ekstase. So ein Tor kann alle Sorgen vertreiben, zumindest vorübergehend. Dass sie noch ein bisschen länger weg bleiben, dafür sorgte Randal Kolo Muani mit einem Solo-Tor übers halbe Feld. Nach zehn Spielen ohne Sieg in der Liga war es eine fulminante Befreiung für die Eintracht. (tbr)

VfL Bochum - FC Augsburg 3:2 (1:1), Tore: 1:0 Antwi-Adjei (2.), 1:1 Maier (29.), 2:1 Gouweleeuw (59., Eigentor), 3:1 Losilla (62.), 3:2 Yeboah (85.)

Der Bochumer Christopher Antwi-Adjej überwindet Augsburgs Keeper Tomas Koubek mit einem Gewaltschuss. (Foto: Lars Baron/Getty)

Wer in dieser Partie zu Spielbeginn zu lang an der Bratwurstbude verweilte, musste sich ärgern, denn mit Warmlaufen war hier nichts. Nach einem skurrilen Kopfball-Ping-Pong im Zentrum landete der Ball beim Bochumer Energiebrocken Christopher Antwi-Adjei, der schlug einen Haken und feuerte einen Kanonenschuss ab, der dem Tornetz ein Schleudertrauma bescherte. Doch der FCA ist bekanntlich ein biestiger Widersacher, das Team glänzt nicht, es klaubt aber oft irgendwie seine Punkte zusammen. Entsprechend humorlos besorgte Arne Maier das 1:1 mit einem Flachschuss.

Interessant war die Begegnung indes auch für Hertha BSC, denn ein VfL-Sieg konnte den Abstieg der Berliner sehr, sehr nahe bringen. Und so kam es: Wieder kurvte Antwi-Adjei los, seinen scharfen Pass fälschte Jeffrey Gouweleeuw ins eigene Tor ab - und auch beim 3:1 half ein Augsburger mit: Elvis Rexhbecaj lenkte Anthony Losillas Versuch in die unter Ecke ab. In Bochum wackelte trotz des späten 3:2 durch FCA-Angreifer Kelvin Yeboah das Stadion, denn der VfL ist vorerst wieder Tabellen-15. Und die Hertha? Ist kaum mehr zu retten. (bek)

VfL Wolfsburg - TSG Hoffenheim 2:1 (1:o), Tore: 1:0 Kaminski (15.), 2:0 Waldschmidt (75.), 2:1 Guilavogui (90.+3., Eigentor)

Ein bisschen gemein war das schon: Hoffenheim griff an, traf die Latte - doch das Führungstor gelang dem VfL durch einen Kopfball des Polen Jakub Kaminski. Ridle Baku hatte geflankt, die TSG-Defensive in Person von Stürmer Andrej Kramaric gepennt, so vergrößerten sich die Abstiegssorgen der Hoffenheimer. Die erlebten einen überaus frustrierenden Nachmittag, denn sie versuchten es ja. Das Problem war, dass ihnen das fehlte, was Wolfsburg noch nach Europa bringen könnte: Der VfL spielte nicht annähernd überzeugend - aber kühl wie ein Auftragsbösewicht im Film. Das 2:0 erwirtschaftete dann Luca Waldschmidt nach Lupfpass von Felix Nmecha, nachdem zuvor wieder Kramaric im Mittelfeld fehlerhaft agiert hatte. Niko Kovacs Männer haben sich offenbar auf eine Art Pragmatik für die Conference League verständigt - und Hoffenheim ist trotz des späten 1:2 durch ein Eigentor von Joshua Guilavogui wieder mittendrin im Sog nach unten. (bek)

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