Ungarn:Neuauflage einer Schmutzkampagne

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Plakative Stimmungsmache: "Tanz nicht nach ihren Einflüsterungen", heißt es zu Fotos von der EU-Kommissionschefin und Alexander Soros. (Foto: ATTILA KISBENEDEK/AFP)

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zündet im Konflikt mit der EU die nächste Eskalationsstufe: Eine Plakataktion gegen Ursula von der Leyen und ein Gesetz, das Auslandshilfen für Wahlkämpfe unterbinden soll.

Von Tobias Zick

Diesmal ist Ursula von der Leyen dran. Ihr hat der Regierungschef des Mitgliedstaats Ungarn, Viktor Orbán, seine jüngste Kampagne gewidmet; auf Plakaten, die diese Woche überall im Land geklebt wurden, schaut die EU-Kommissionschefin schwarz-weiß und säuerlich drein; schräg hinter ihr, in der Position eines Einflüsterers, hebt ein Mann seinen Zeigefinger, dessen Nachname den Adressaten regierungsamtlicher Stimmungsmache mindestens so vertraut ist: Alex Soros. Er ist Sohn des ungarischstämmigen US-Philanthropen George Soros, der seit Jahrzehnten einen wesentlichen Teil seiner Börsengewinne in die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen fließen lässt. Der Slogan auf dem Plakat: "Lasst uns nicht nach ihrer Pfeife tanzen!"

Die mit ungarischen Staatsgeldern geschmähte EU-Kommissionsvorsitzende gab sich unbeeindruckt; sie habe nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie davon erfuhr, ließ sie einen Sprecher ausrichten. In der Tat ist diese Plakataktion gewissermaßen nur die Neuauflage eines altbekannten Motivs: Schon 2019 hatte die ungarische Regierung den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker plakatiert, an der Seite von George Soros und unterlegt mit verschwörungstheoretischen Vorwürfen, die beiden wollten gemeinsam die illegale Migration nach Europa fördern. Schon damals warfen Kritiker Ungarns Regierung vor, sie arbeite mit antisemitischen Klischees - George Soros ist 1930 in Budapest als Kind einer jüdischen Familie geboren. Die Antisemitismus-Vorwürfe wies Orbán stets zurück mit Verweis auf seine engen Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Die geplanten Gesetze ähneln russischen Vorbildern

Die neue Kampagne gegen Junckers Nachfolgerin von der Leyen und Soros' Sohn Alexander, der inzwischen die Leitung der Stiftung von seinem Vater übernommen hat, bildet den Startschuss zu einer "nationalen Konsultation" - einer Fragebogenaktion, bei der die Bürger des Landes ihre Einstellungen zur Politik der Europäischen Union bekunden sollen. Darin wird unter anderem fälschlich suggeriert, Brüssel wolle in Ungarn "Migranten-Ghettos" errichten.

Flankierend zu der Aktion unter dem Motto "Verteidigung der nationalen Souveränität" ließ Viktor Orbán, der soeben auf einem Kongress seiner Partei Fidesz zum elften Mal in Folge als Vorsitzender gewählt wurde, einen Gesetzentwurf zum "Schutz der nationalen Souveränität" ins Parlament einbringen. Demnach soll es Organisationen und Parteien, die an Wahlkämpfen teilnehmen, künftig verboten werden, Gelder aus dem Ausland anzunehmen. Verstöße sollen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden; ein neu zu schaffendes "Amt für Souveränitätsschutz" soll über die Einhaltung wachen.

Kritiker sehen darin Parallelen zu russischen Gesetzen, wonach sich Medien und Organisationen, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, selbst als "ausländische Agenten" kennzeichnen müssen. Erst im Oktober hatte Orbán in Brüssel Unmut provoziert, indem er bei einem Seidenstraßen-Gipfel in Peking demonstrativ an der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin posierte.

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Im Dezember vergangenen Jahres hatte die EU Fördermittel für Ungarn von insgesamt 27,8 Milliarden Euro eingefroren, weil Orbáns Regierung nach Einschätzung der Kommission und verschiedener Mitgliedstaaten den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz abbaut und Korruption fördert. Berichten zufolge gab es zuletzt in Brüssel Erwägungen, die EU-Kommission könnte einen Teil der eingefrorenen Gelder freigeben, wenn Budapest seinen Widerstand gegen weitere EU-Hilfen für die Ukraine aufgibt.

Doch eine solche Einigung erscheint zunehmend fraglich: In einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel und an die Partnerländer fordert Orbán jetzt, die EU müsse Ziele und Instrumente in ihrer Ukraine-Politik anpassen: Andernfalls könne es keine neuen Finanzhilfen, Sicherheitsgarantien oder auch EU-Beitrittsgespräche geben.

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