Studie über Asylbewerber:Manche Ansichten erinnern stark an die muffigen 50er Jahre

Sie haben auch nach sozialen Beziehungen gefragt. Was kam dabei heraus?

Wir haben gefragt, welche Nachbarn sie sich wünschen würden und herausbekommen, dass hier die Einstellungen stark von dem in Deutschland vorherrschenden Meinungsbild abweichen. In anti-liberalen Einstellungen zu Sexualität, Homosexualität, Ehe und Partnerschaft, ja selbst zu Wohn- oder Lebensformen wie einer WG zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Flüchtlingen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Manche Ansichten, wie etwa die Verurteilung einer 'wilden Ehe', erinnern stark an die muffigen 50er Jahre in Deutschland.

Können Sie ein noch paar Beispiele nennen?

Fangen wir positiv an: 64 Prozent haben etwa nichts gegen eine deutsche kinderreiche Familie als Nachbarn einzuwenden, eine Situation, bei der der deutsche Spießbürger an dreckige Schuhe im Hausflur und Krach denkt. Neben einer deutschen Familie mit vielen Kindern zu leben, scheint die Idealvorstellung für viele der Flüchtlinge zu sein. 41 Prozent würden sich auch eine afrikanische Familie als Nachbarn wünschen; ganze 4 Prozent berichten, dass sie das lieber nicht möchten. Aber wenn wir nach einem deutschen unverheirateten Paar oder einer gemischtgeschlechtlichen WG fragen, dann zeigten sich plötzlich deutliche Zurückhaltung. Obwohl sie ja den Kontakt zu Deutschen wünschen, finden sie das doch etwas komisch. Auch eine jüdische Familie aus Israel würden nur 26 Prozent befürworten, 14 Prozent sind dagegen, aber 60 Prozent ist es einfach völlig egal.

Wie sieht es mit der Sexualmoral aus?

Im Vergleich zur liberalen deutschen Mehrheitsgesellschaft wirken viele Flüchtlinge recht intolerant und prüde. Für etwa die Hälfte der Befragten ist Sex vor der Ehe eine Sünde und soll bestraft werden. Diese Leute wollen dann auch nicht neben einem unverheirateten Paar leben. Und 43 Prozent aller Befragten lehnten ein schwules Paar als Wohnungsnachbarn ab.

Aber Sie haben eher säkular orientierte Flüchtlinge erlebt?

Absolut. Die Mehrheit der Befragten (87 Prozent) spricht sich für Religion als Privatsache aus. Nur drei Prozent sind gegen die Trennung von Staat und Religion. Alkoholkonsum (65 Prozent), die Heirat zwischen Christen und Muslimen (60 Prozent) und ein Religionswechsel (52 Prozent) werden von der Mehrheit nicht als Problem angesehen. Auch bei der Gleichberechtigung der Geschlechter gab es bei Männern (77 Prozent) und Frauen (81 Prozent) hohe Zustimmungsraten.

Was für Schlussfolgerungen ziehen Sie aus der Studie?

Wir müssen den Vertrauensvorschuss der Flüchtlinge nutzen und Ihnen klar machen, dass wir zum Teil andere Werte haben. Wir müssen Ihnen klarmachen, dass wir Liberalität leben und das Individuum gegen den Staat geschützt wird. Auch wenn wir das eigentlich nicht toll finden, darf man hier mit einer Burka rumlaufen. Aber wir müssen ihnen sagen, dass wir die Toleranz, die wir ihnen gegenüber aufbringen auch von ihnen uns gegenüber erwarten. Außerdem wünschen sie sich mehr Kontakt zu Deutschen, und das sollten wir unterstützen. Abschottungstendenzen konnten wir unter den Flüchtlingen nicht erkennen, und das kann vorsichtig optimistisch stimmen.

Hatten diese Menschen jemals ein Grundgesetz in der Hand?

Das haben wir nicht gefragt, aber davon würde ich nicht ausgehen. Die haben ganz andere Probleme und bekommen auch nicht mit, wenn AfD-Chefin Frauke Petry alle abgelehnten Asylbewerber auf eine außereuropäische Insel verfrachten will. Die wissen wohl, dass die AfD ihnen nicht wohl gesonnen ist, dass es Unterschiede zwischen Ost und West gibt, aber zehn Prozent glauben auch, dass die SPD gegen Flüchtlinge ist. Keine Ahnung, woher die das haben.

Und die CDU?

Die bekommt den Merkel-Bonus ab, denn Angela Merkel ist immer noch die Heldin. Alle anderen Parteien gehen neben ihr unter.

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