Große Koalition:Söder fordert "Regierung der nationalen Vernunft"

Lesezeit: 3 min

Die Ampelkoalition hat nach Ansicht des bayerischen Ministerpräsidenten Söder nicht mehr die Kraft, Deutschlands gewaltige Probleme zu lösen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wegen der vielen Probleme in Deutschland plädiert der CSU-Chef für eine Koalition der Union mit der SPD. In der CDU stößt der Vorschlag auf wenig Begeisterung - die Reaktion des Kanzlers fällt knapp aus.

Von Robert Roßmann, Berlin

CSU-Chef Markus Söder hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag aufgefordert, die Ampelkoalition zu beenden und eine "Regierung der nationalen Vernunft" zu bilden. Seiner Meinung nach sei "die Ampel stehend k. o.", sie habe nicht mehr die Kraft, die gewaltigen Probleme, etwa bei der Migration, zu lösen.

"Unser Land steht vor großen Problemen, die Demokratie vor ihrer schwersten Bewährungsprobe", sagte Söder. "Die Fliehkräfte aus dem Zentrum der Demokratie verstärken sich - es gibt beginnende Warnsignale, wie wir sie in Weimar erlebt haben." Der bayerische Ministerpräsident verwies dabei auf die Wahlergebnisse und Umfragewerte der AfD und die bevorstehende Gründung einer neuen Partei durch die bisherige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

In den jüngsten Umfragen liegt die Union zwar weit vor der SPD - das Politbarometer sieht sie bei 30 Prozent, die Sozialdemokraten nur bei 15. Im Bundestag ist die SPD aber stärker. Die Union könnte in einer großen Koalition also nicht den Kanzler stellen. Söder sprach sich am Freitag trotzdem für eine große Koalition aus. CDU und CSU sollten seiner Ansicht nach bis zur nächsten Bundestagswahl auch als Juniorpartner in einer solchen Regierung zur Verfügung stehen. In ihr wäre CDU-Chef Friedrich Merz dann voraussichtlich Vizekanzler und Chef eines besonders wichtigen Ressorts, zum Beispiel Finanzen und Wirtschaft.

Scholz hält von Söders Vorschlag "nichts"

Deutschland sei beim Thema Migration "organisatorisch und emotional" überfordert, sagte Söder. Vor einem halben Jahr hätte man das Problem noch mit kleineren Reformen lösen können, das sei nun nicht mehr möglich. Jetzt sei "eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik" nötig. Diese sei mit den Grünen in der Regierung aber nicht möglich. In diesem Zusammenhang kritisierte Söder auch die Beschlüsse der letzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) als "halbherzig" und "an einigen Stellen eher wachsweich".

Aus der CSU hieß es, Söder habe mit Merz über seinen Vorstoß gesprochen. Doch auf viel Begeisterung scheint er dabei nicht gestoßen zu sein. Merz hatte auf dem letzten CSU-Parteitag zwar mit Blick auf den Kanzler und die Migrationspolitik gesagt: "Wenn Sie es mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen, aber wir müssen dieses Problem lösen!"

Doch am Freitag hieß es aus dem Umfeld von Merz zu Söders Vorstoß nur: "Es gibt eine Bundesregierung. Diese Frage stellt sich jetzt nicht." Denn Söder konterkariert die bisherige Linie der CDU. Generalsekretär Carsten Linnemann hatte diese erst vor wenigen Tagen so beschrieben: "Wenn sich diese Bundesregierung nicht zusammenrauft und zerbricht, geht kein Weg an Neuwahlen vorbei."

Am Freitag konnte man sogar den Eindruck gewinnen, dass Söder seinen Vorstoß noch nicht einmal im eigenen Lager vorher besprochen hat. Die anderen Unionsministerpräsidenten scheint Söder erst recht nicht ins Bild gesetzt zu haben. Spielt der CSU-Chef also nur mal wieder auf eigene Rechnung? Und was sollte Merz davon haben, Vizekanzler unter Scholz zu sein? Die Risiken wären für den CDU-Chef jedenfalls deutlich größer als die Chancen.

Noch deutlicher als die CDU reagierte am Freitag Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Auf die Frage, was der Bundeskanzler vom Vorstoß Söders halte, antwortete Hebestreit lediglich: "Nichts."

Bürger sehen Asylpolitik als derzeit wichtigstes Problem

Mit seiner Beschreibung der mangelhaften Akzeptanz der Ampelkoalition hat Söder allerdings nicht ganz unrecht. Laut Politbarometer sind nur noch 32 Prozent der Wahlberechtigten mit der Bundesregierung zufrieden - und damit so wenige wie nie zuvor in dieser Legislaturperiode. Auch die Arbeit des Kanzlers wird mehrheitlich schlecht bewertet. Allerdings sind trotzdem 71 Prozent davon überzeugt, dass die Ampelkoalition bis zum nächsten regulären Bundestagswahltermin im Herbst 2025 halten wird. Als derzeit wichtigstes Problem sehen die Befragten mit gewaltigem Vorsprung die Asyl- und Zuwanderungspolitik. Nur noch 33 Prozent sind der Auffassung, dass Deutschland "die vielen Flüchtlinge aus Krisengebieten verkraften" kann.

Newsletter abonnieren
:SZ am Sonntag-Newsletter

Unsere besten Texte der Woche in Ihrem Postfach: Lesen Sie den 'SZ am Sonntag'-Newsletter mit den SZ-Plus-Empfehlungen der Redaktion - überraschend, unterhaltsam, tiefgründig. Kostenlos anmelden.

Auf diese Stimmung müsse man dringend reagieren, findet Söder schon länger. In einer Protokollerklärung zu dem MPK-Beschluss verlangt seine Staatsregierung deshalb eine effektive Einschränkung des Zuzugs von Migranten. Hierzu sei "ein konsequenter Grenzschutz in ganz Deutschland erforderlich", heißt es in der Erklärung. Statt Sonderaufnahmeprogrammen brauche es "vollziehbare Rückführungsabkommen mit den Asylherkunftsländern". Zentrale Bundesausreisezentren an den großen deutschen Flughäfen könnten "Abschiebungen deutlich erleichtern und beschleunigen".

Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten müsse "substantiell" ausgeweitet werden. Außerdem müsse die Bundesregierung "die Anreize, speziell nach Deutschland zu kommen, vermindern". Dazu müssten nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung die Sozialstandards "überdacht und finanzielle Vorteile in Deutschland deutlich gesenkt werden". Und es müsse dafür gesorgt werden, "dass mehr Asylbewerber gemeinnützige Arbeit leisten".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

CDU
:Partei gut, Chef mäßig

Die Union kommt in der jüngsten Umfrage auf 32 Prozent - so viel wie die drei Ampelparteien zusammen. Warum fliegen Friedrich Merz dann nicht mehr Herzen zu, nicht mal in den eigenen Reihen?

Von Robert Roßmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: