Migrationspolitik:Union kritisiert Zuschüsse für Seenotretter

Lesezeit: 2 min

Flüchtlinge an Deck der "Humanity 1" im Hafen von Catania auf Sizilien. Das Schiff wird von der Organisation SOS Humanity betrieben. (Foto: Salvatore Cavalli/AP)

Zumindest ungewollt ermöglichten die Organisationen das Geschäft der "menschenverachtenden Schleuserbanden", heißt es aus der CDU. Das sollte die Bundesregierung nicht unterstützen. SPD und Grüne nennen diese Haltung unmenschlich.

In der Union mehrt sich die Kritik an der deutschen Unterstützung für private Flüchtlingsretter auf dem Mittelmeer. Nach Wolfgang Schäuble zeigte auch der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul (CDU), Verständnis für die Verärgerung der italienischen Regierung. Deren Kritik an den Zahlungen der Bundesregierung für private Seenotretter sei berechtigt, sagte der für Außenpolitik zuständige Unionspolitiker der Welt. "Faktisch, wenn natürlich auch ungewollt, ermöglichen die Rettungsorganisationen den menschenverachtenden Schleuserbanden deren Geschäft. Dafür sollte kein deutsches Steuergeld verwendet werden." Die Bundesregierung solle ihre politische Energie darauf verwenden, mit den nordafrikanischen Staaten Abkommen zu erreichen.

Auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble kritisierte, dass Deutschland Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unterstütze, "die Flüchtlinge eben nicht nur retten, sondern auch nach Europa bringen", wie er der Zeit sagte. "Das ist die Geschäftsgrundlage für die Schlepperkriminalität."

Das Auswärtige Amt hatte vor Kurzem mitgeteilt, dass mehrere in Italien tätige NGOs direkte Zuschüsse aus Deutschland in Höhe von jeweils 400 000 bis 800 000 Euro erhalten sollen - etwa die Organisation SOS Humanity, die ein Rettungsschiff im Mittelmeer unterhält, oder auch die vatikannahe katholische Laienorganisation Sant'Egidio, die sich für sozial Schwache und Geflüchtete einsetzt. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beschwerte sich formell in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Außenminister Antonio Tajani machte vergangene Woche deutlich, dass man die Zuschüsse als Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten und unfreundlichen Akt eines Verbündeten betrachte.

Migration
:Elon Musk kritisiert deutsche Politik

Der Besitzer von X verbreitet einen Tweet gegen deutsche Seenotretter, dessen Verfasser schreibt, er hoffe auf Siege der rechten Partei in Bayern und Hessen. Nach einer Antwort des Auswärtigen Amts legt Musk nochmals nach.

Viele Politiker fordern, es brauche eine staatlich betriebene Seenotrettung

Darüber ist auch in Deutschland eine Debatte entbrannt. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Welt, die Äußerungen aus der Union seien mehr als erschütternd. "Wenn es um Menschen geht, die man vor dem Ertrinken bewahrt, dann darf es kein Abwägen geben." Grünen-Politiker Julian Pahlke kritisierte, die Zuschüsse habe nicht die Bundesregierung beschlossen, sondern der Bundestag - in dessen Haushaltsausschuss sogar mit Stimmen der Union. "Dass die Union die Förderung mitträgt, zeigt, dass christliche Werte für einige Abgeordnete auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen."

Zugleich sprach sich Stephan Thomae, Parlamentsgeschäftsführer der mitregierenden FDP, perspektivisch für die "staatliche Übernahme der Seenotrettung im Mittelmeer" aus. Die Geretteten müssten im Regelfall dann zurück in nordafrikanische Staaten mit Migrationsabkommen gebracht werden. "Wir müssen die EU-Außengrenzen besser schützen und irregulärer Migration entgegenwirken."

Auch die fluchtpolitische Sprecherin der Linkspartei, Clara Bünger, plädiert für eine staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer. Zu diesem Zweck solle man die Grenzschutzbehörde Frontex in eine europäische Seenotrettungsagentur umbauen. Wenn zu befürchten sei, dass "Tunesien Menschen in der Wüste aussetzt, ist das ein schwerwiegendes Hindernis, Menschen dorthin zurückzubringen".

Dass es in seiner Partei, der CDU, auch namhafte Stimmen gibt, das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen, davon hält Schäuble nichts: "Wir müssen vor allem die europäischen Regeln, die es gibt, wirkungsfähig machen." Es brauche realistische Reformen. "Die Bürger wollen keine Vorschläge mehr hören, von denen alle genau wissen, dass sie sich so nicht realisieren lassen werden. Aber die Menschen zurückzuschicken - das geht. Auch wenn es nicht schön und einfach ist."

© SZ/KNA/kast - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMigration
:An der Grenze der Belastbarkeit

Am Himmel kreisen Hubschrauber, am Boden liegen zerrissene Einreisepapiere: Seit Monaten versuchen Polizei und Behörden im Landkreis Spree-Neiße das Chaos zu ordnen, das Europa nicht geregelt bekommt. Ein Besuch bei Erschöpften.

Von Renate Meinhof

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: