Zwanzig Jahre ist der Zusammenbruch der Sowjetunion nun schon her. Aber "an diesem Samstag erleben wir wohl das wirkliche Ende des kalten Krieges", hieß es gelegentlich auf den Fluren des Nato-Gipfels in Lissabon. So oft könne der Kalte Krieg gar nicht enden, wie bisher schon bei verschiedenen Gelegenheiten in den vergangenen zwanzig Jahren behauptet worden war, wurde dem aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs ein wenig spöttisch entgegengehalten.
Doch es war dann ausgerechnet der russische Präsident Dmitrij Medwedjew, der den eher feierlich Gestimmten im westlichen Bündnis Recht gab. Dies sei ein wirklich "historischer" Augenblick, sagte er nach einem Treffen mit den Nato-Chefs in der portugiesischen Hauptstadt. "Wir sind einen langen Weg gegangen" seit dem Kollaps der Sowjetunion.
Dabei erwähnte er die "Illusionen der 90er Jahre" und ließ auch die vielen Missstimmungen bis hin zur temporären Eiszeit nach dem Georgien-Krieg im Jahre 2008 aus. Nun aber sei man gemeinsam entschieden, die "Schwierigkeiten der Vergangenheit zu überwinden". Und: "Wir schauen optimistisch in die Zukunft." Das war nun eine ganz andere Tonlage als die, die sein Vorgänger Wladimir Putin noch auf dem Nato-Gipfel im Jahre 2008 in Bukarest angeschlagen hatte.
Allerdings hatten es die Nato und vor allem ihre Führungsmacht USA Medwedjew leicht gemacht. Präsident Barack Obama sprach von einem "Neustart der Beziehungen" und lobte die enge Zusammenarbeit, die in Lissabon verabredet worden sei. So stimmte Moskau zu, dass die Nato künftig Material für ihre Truppen in Afghanistan nicht nur wie bisher auf dem Landweg durch Russland an den Hindukusch transportieren darf, sondern auch zurück. Das ist für die Zeit bedeutsam, in der die Nato beginnt, ihre Truppen nach und nach aus Afghanistan abzuziehen. Schon nächstes Jahr könnte es soweit sein.
Vor allem aber wurde Russland "eingeladen", sich an der von der Nato geplanten Raketenabwehr gegen atomare Angriffe etwa aus Iran zu beteiligen. Doch weil der Westen selber noch nicht so ganz genau weiß, wie dieses System aussehen und funktionieren könnte und auch Moskau sich noch nicht ganz im Klaren ist, ob es auch in seinem Interesse liegt - wie der Westen immer behauptet - wollen Nato und Russland nun erst einmal eine gemeinsame "Gefahrenbewertung" machen. Die könnte in einem halben Jahr fertig sein, vielleicht aber auch später.
Moskau, versicherte Medwedjew, werde jedenfalls nichts mitmachen, was seine Fähigkeit zur atomaren Abschreckung einschränke. Und trotz der offensichtlichen Freude über die neue, freundliche Tonlage zwischen den alten Gegnern aus dem Kalten Krieg waren sich die Gipfelteilnehmer sehr wohl bewusst, dass die Beziehungen in Kürze wieder in Richtung Frost rutschen könnten. Sollte die Anfang November in den U SA gewählte republikanische Mehrheit die Ratifizierung des Start-Abkommens zur atomaren Abrüstung und Abrüstungskontrolle, die Obama noch in diesem Jahr durch den Kongress bringen will, scheitern lassen oder für mehrere Monate blockieren, dann könnte es mit den Freundlichkeiten und der neuen Partnerschaft schnell wieder vorbei sein. Dann, sagte Medwedjew, war "alles, was wir bisher erreicht haben, vergeblich".