Klimaschutz:Ampel einigt sich auf neues Klimaschutzgesetz

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Der Verkehrssektor verfehlt derzeit das Klimaziel. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Neun Monate haben sie gestritten, jetzt ist die Einigung da: SPD, Grüne und FDP haben einen Kompromiss beim umstrittenen Klimaschutzgesetz gefunden. Wie der aussieht und welcher Sektor am meisten davon profitiert.

Von Michael Bauchmüller und Vivien Timmler, Berlin

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben sich nach monatelangem Streit auf die Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Das teilten Vertreter der drei Fraktionen am Montag mit. Demnach soll das bisherige Gesetz abgeschwächt werden. Anders als bisher sollen Ministerien nicht mehr zu Sofortprogrammen verpflichtet werden, wenn die Klimaziele in ihrem Bereich gerissen werden. Stattdessen soll die Einhaltung der Ziele künftig "sektorübergreifend" geprüft werden.

Sprich: Verfehlt ein Sektor - aktuell Verkehr und Gebäude - seine Ziele, kann ein anderer Bereich, in dem bereits weniger CO₂ emittiert wird als geplant, dies ausgleichen. "Ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden, und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Lukas Köhler.

Künftige Bundesregierungen müssen darlegen, wie sie die Klimaziele erreichen wollen

Das Bundeskabinett hatte eine entsprechende Reform bereits im Juni 2023 beschlossen. Die Ampelfraktionen konnten sich aber lange nicht darauf verständigen. Vor allem die Grünen hatten Sorgen, die Novelle könne den Klimaschutz aufweichen. Künftig soll nun nicht mehr der Blick zurück - also die Bilanz des jeweiligen Vorjahres - im Zentrum stehen, sondern eine Vorausschau: Anhand ihrer soll geprüft werden, inwieweit die geltenden Maßnahmen ausreichen, um die Klimaziele einzuhalten.

Der Kompromiss sieht vor, dass künftige Bundesregierungen darlegen müssen, wie genau sie ihre Klimaziele bis 2040 erreichen wollen - und nicht nur bis 2030 wie bislang. Damit würde klarer, in welchen Bereichen die Emissionen dauerhaft hoch liegen und in welchem Maße sich dies durch Klimaschutz-Erfolge an anderer Stelle überhaupt noch ausgleichen lässt. Die zuständigen Minister werden also erstmals verpflichtet, den Blick noch weiter in die Zukunft zu richten - dann, wenn es aufgrund des immer geringer werdenden gesamtdeutschen CO₂-Budgets auch immer schwieriger wird, die Rückstände eines Sektors in anderen Bereichen zu kompensieren.

"Die Klimaschutzpolitik wird damit vorausschauender, flexibler und dadurch effizienter", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Selbstverständlich gelten die CO₂-Minderungsziele des gültigen Gesetzes gleichzeitig weiter", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch, "durch die Novelle darf kein Gramm CO₂ mehr ausgestoßen werden." Die neue Fassung des Gesetzes soll schon in der kommenden Sitzungswoche in die zweite Lesung im Bundestag gehen.

Das geltende Gesetz ist erst fünf Jahre alt und galt als größter klimapolitischer Erfolg der Vorgängerregierung. Umweltverbände kämpfen seit Monaten für seinen Erhalt. Sie fürchten eine Aufweichung des Klimaschutzes, wenn die Ministerien keine Sofortprogramme mehr vorlegen müssen. "Die Einigung zum neuen Gesetz ist ein Schlag gegen die Klimaschutzarchitektur in Deutschland: Statt Verbindlichkeit und Zuständigkeit gibt es jetzt geteilte Verantwortungslosigkeit", sagte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz. "Klimaschutz soll ungestraft auf die lange Bank geschoben werden." Auch bei Grünen und in Teilen der SPD gab es von Beginn der Beratungen an große Vorbehalte gegen die Aufhebung der Sektorziele. Die SPD hatte das Gesetz einst in der großen Koalition durchgesetzt.

Wissing kann aufatmen

Die Einigung verschafft nun vor allem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Luft; er begrüßte die Entscheidung am Montag umgehend. Sein Bereich liegt am weitesten hinter dem Plan. Die Emissionen aus dem Pkw-Verkehr stagnieren seit vier Jahren, statt zu sinken.

Erst am Donnerstag hatte Wissing mit einer Warnung vor drastischen Maßnahmen massiven Druck auf die Verhandler der drei Fraktionen ausgeübt. Sollte das neue Klimaschutzgesetz nicht vor dem 15. Juli in Kraft treten, drohten "flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen", hatte der Minister in einem Brief an die Spitzen der Ampelfraktionen von SPD, Grünen und FDP geschrieben.

Aus Fraktionskreisen war am Montag zu hören, dass Wissings Brief und die darauffolgende Debatte jedoch keinerlei beschleunigenden Einfluss auf die Einigung beim Klimaschutzgesetz gehabt habe. Im Gegenteil: "Mit Blick auf das wesentlich strengere Klimaziel 2040 muss besonders im Bereich Verkehr mehr passieren", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Julia Verlinden.

Mit der Einigung beim Klimaschutzgesetz löst sich ein weiterer Ampel-Knoten, und zwar beim Solarpaket. Es soll den Ausbau der Sonnenenergie in Deutschland vorantreiben, etwa indem bürokratische Hürden fallen. So soll beispielsweise der Betrieb von Balkonkraftwerken einfacher werden oder auch die Nutzung von selbst erzeugtem Photovoltaik-Strom in Mehrfamilienhäusern. Hier war zuletzt noch strittig, ob es einen sogenannten Resilienzbonus, also eine finanzielle Förderung zugunsten der heimischen Solarindustrie geben solle.

Der Knackpunkt war beim Solarpaket am Ende jedoch gar kein inhaltlicher: Weil sich die Grünen monatelang nicht auf die Novelle des Klimaschutzgesetzes einlassen wollten, blockierte die FDP im Gegenzug dieses Gesetzesvorhaben. Zwar haben die beiden Themen im Grunde nichts miteinander zu tun, sie wurden aber aneinander "gekoppelt", um Druck auf den jeweils anderen Koalitionspartner auszuüben. Und jetzt, da die Novelle des Klimaschutzgesetzes kommt, ist die Bahn auch für das Solarpaket frei.

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