Lebensmittelexporte:China fordert Lösung im Getreidestreit

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Ein Bagger verlädt in einem ukrainischen Hafen Getreide in ein Frachtschiff. (Foto: Andrew Kravchenko/dpa)

Der Druck auf Russland wächst: Auch ein Verbündeter des Kremls mahnt jetzt an, eine Lebensmittelkrise abzuwenden. Kritik kommt auch von Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Der Kreml sieht die Vereinten Nationen am Zug.

Im Streit um das Getreideabkommen wird der Druck auf Russland größer. Mit China mahnt jetzt auch ein Verbündeter des Kremls an, eine drohende Lebensmittelkrise abzuwenden. Pekings stellvertretender Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, forderte am Freitag (Ortszeit) im UN-Sicherheitsrat eine baldige Wiederaufnahme der Ausfuhren von Getreide und Düngemitteln aus Russland und der Ukraine. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisierte Russlands Rückzug aus dem internationalen Abkommen nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsident Wolodimir Selenskij.

Moskau hatte am Montag das Abkommen für beendet erklärt und den Getreidefrachtern die Sicherheitsgarantien in den von Russland kontrollierten Regionen im Schwarzen Meer entzogen. Seitdem gibt es immer wieder russische Angriffe auf ukrainische Häfen. Die Vereinbarung hatte es der Ukraine seit vergangenem Sommer ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und andere Lebensmittel ins Ausland zu verkaufen.

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China hoffe, dass die Betroffenen mit den zuständigen UN-Gremien zusammenarbeiteten, um eine ausgewogene Lösung für die berechtigten Anliegen aller Parteien zu finden, sagte Geng laut einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens bei der Sitzung in New York. Dies sei notwendig, um die internationale Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Er bezog sich dabei auch auf die Ankündigung von UN-Generalsekretär António Guterres, alles zu tun, damit sowohl ukrainisches Getreide als auch russische Lebensmittel und Düngemittel auf die Weltmärkte gelangen.

Der russische Vizeaußenminister Sergej Werschinin machte deutlich, dass Moskau in dem Streit um eine mögliche Wiederaufnahme die UN am Zuge sieht. "Der Ball liegt - wie jetzt manchmal gesagt wird - auf der Seite unserer Partner, mit denen wir gearbeitet haben", so Werschinin. Er sagte, dass im Zuge des Getreideabkommens vor einem Jahr mit den Vereinten Nationen auch ein Memorandum mit einer Gültigkeit von drei Jahren unterzeichnet worden sei, das Russlands Bedingungen für den Deal beinhalte.

Russland verlangt vom Westen etwa eine Lockerung von Sanktionen, um eigenes Getreide und Dünger leichter auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Moskau beklagt, dass im Zuge der EU-Sanktionen etwa der Ausschluss russischer Banken vom Finanzverkehrssystem Swift Geschäfte behindere. Auch Versicherungen könnten nicht abgeschlossen werden für die Frachter.

Selenskij telefoniert mit Erdoğan und Stoltenberg

Zwar betont die EU, dass russisches Getreide und Dünger von den Sanktionen ausgenommen und auch viele Banken weiter an Swift angeschlossen seien. Allerdings entgegnete Werschinin, dass der "Geist der Sanktionen" ausstrahle und viele Partner auch legale Geschäfte mit Russland scheuten. Deshalb will Russland grundsätzlich Lockerungen erreichen. Zugleich machte er deutlich, dass Russland Wege finden werde, sein in Entwicklungsländern gefragtes Getreide und den Dünger auf den Weltmarkt zu bringen. Und Russland sei weiter bereit, mit der Türkei ein neues Abkommen auszuhandeln. Man habe "eine sehr enge Zusammenarbeit". Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte vor einem Jahr zwischen den Kriegsparteien vermittelt.

Russland fordert neben dem Anschluss seiner Banken an Swift auch eine Wiederaufnahme von Lieferungen von Bauteilen für seine Landwirtschaftstechnik und für Anlagen zur Produktion von Dünger. Zudem solle die Blockade von russischen Aktiva im Ausland, die mit der Landwirtschaft in Verbindungen stehen, aufgehoben werden, hatte Kremlchef Wladimir Putin gesagt. Russland sei bei Erfüllung aller Bedingungen bereit, zum Abkommen zurückzukehren.

Der ukrainische Präsident Selenskij drängte am Freitag in einem Gespräch mit Erdoğan auf eine Rückkehr zum Abkommen. "Die Öffnung des Getreidekorridors hat absolute Priorität", sagte Selenskij nach einem Telefonat mit dem türkischen Staatschef. "Zusammen müssen wir eine globale Ernährungskrise verhindern."

"Wegen Russlands Handlungen ist die Welt erneut am Rande einer Lebensmittelkrise. Insgesamt 400 Millionen Menschen in vielen Ländern Afrikas und Asiens sind einem Hungerrisiko ausgesetzt", sagte Selenskij. Erdoğan hofft nach eigenen Angaben, mit Putin im August über das Getreideabkommen sprechen zu können. Seinen Außenminister hat er beauftragt, mit Moskau eine Neuauflage des Abkommens auszuhandeln.

"Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, auf Schärfste", teilte Nato-Generalsekretär Stoltenberg nach einem Telefonat mit Selenskij am Samstag mit. Die Verbündeten stünden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite. Das von Russland angegriffene Land sei der Nato nach dem jüngsten Gipfel des Bündnisses so nahe wie nie. Selenskij wiederum berichtete, in dem Telefonat sei es um weitere Schritte zur Integration seines Landes in die westliche Verteidigungsallianz gesprochen. Man habe zudem über Schritte gesprochen, um den Getreidetransport übers Schwarze Meer wieder möglich zu machen und langfristig zu gewährleisten. Ins Detail ging er nicht.

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