Europäische Union:Zurück zur Natur

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Wälder, Lebensraum für Arten wie den Feuersalamander, sollen aufgeforstet werden. Die Europäische Union hat ein entsprechendes Gesetz zur Renaturierung beschlossen. (Foto: Boris Roessler/DPA)

Moore vernässen, Wälder aufforsten: Die EU einigt sich auf umfassende Maßnahmen zur Renaturierung - allerdings unter Vorbehalt. Alle Blicke richten sich nun auf die EVP von Manfred Weber.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die Europäische Union hat das erste Gesetz beschlossen, das im großen Umfang die Wiederherstellung der vom Menschen geschädigten Natur durchsetzen soll. Bis zum Jahr 2030 werden demnach auf 20 Prozent der Landflächen und 20 Prozent der Seeflächen Renaturierungsmaßnahmen eingeleitet. Wälder werden aufgeforstet, Moore wieder vernässt, Flüsse dürfen wieder ihren natürlichen Lauf nehmen. Darauf haben sich der Rat der Mitgliedsländer, das Europaparlament und die EU-Kommission im sogenannten Trilog am späten Donnerstagabend geeinigt.

Europa als Vorbild für die Welt in Umwelt- und Klimaschutz? So eindeutig ist die Botschaft nicht.

Das von der Kommission vorgelegte Gesetz wurde im Laufe der Verhandlungen abgeschwächt, vor allem aus Rücksicht auf die Landwirtschaft. Wo vorher Pflichten festgeschrieben wurden, ist nun in vielen Fällen von Freiwilligkeit die Rede. Das Gesetz formuliert auch keine Ziele der Renaturierung, sondern nur Maßnahmen. Damit will man verhindern, dass Regierungen von Naturschutzverbänden verklagt werden können. Es wurde zudem eine "Notbremse" vereinbart für den Fall, dass Lebensmittel knapp werden und deshalb zusätzliche Anbauflächen gebraucht werden.

Hinter der Einigung bleibt ein Fragezeichen

Und dennoch bleibt die Einigung vom Donnerstag, entgegen den sonstigen Gepflogenheiten im Brüsseler Gesetzgebungsverfahren, mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Alle Blicke richten sich nun auf die vom CSU-Politiker Manfred Weber geführte Europäische Volkspartei (EVP).

Der Streit um die Renaturierung rührt an den Grundlagen der europäischen Umwelt- und Klimapolitik. Webers Fraktion schien im Sommer den Grünen Deal von Kommissionschefin Ursula von der Leyen nicht mehr mitzutragen und versuchte, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren komplett zu kippen. Als Begründung wurde vor allem angeführt: Es gefährde die Existenz der europäischen Landwirtschaft, indem es ihr zehn Prozent der Nutzflächen entziehe. Die Befürworter des Gesetzes argumentierten: Das Gesetz diene gerade dazu, die Grundlagen der Landwirtschaft langfristig zu erhalten. Der Streit kulminierte in einer Kampfabstimmung im Parlament. Die EVP verlor, das Gesetz blieb am Leben.

Mittlerweile haben sich die Gemüter beruhigt. Das liegt zum einen daran, dass der streitbare Klimakommissar Frans Timmermans sich mittlerweile in die niederländische Parteipolitik verabschiedet hat. Das Amt von Timmermans versehen jetzt gemeinsam der Sozialdemokrat Maroš Šefčovič und der Christdemokrat Wopke Hoekstra, beide gelten als Männer, die Kompromisse einfädeln können. Zum anderen scheint bei der EVP die Erkenntnis gereift zu sein, dass ihr Totalopposition nicht gut zu Gesicht steht.

Jedenfalls hat sich die EVP in Person der Verhandlungsführerin Christine Schneider (CDU) überaus konstruktiv an den Verhandlungen mit Rat und Kommission beteiligt. Nun ist die Frage, ob Schneiders Kolleginnen und Kollegen aus der EVP dem vorliegenden Text Ende November im Umweltausschuss des Parlaments auch wirklich zur Mehrheit verhelfen. Üblicherweise ist das Formsache nach einem erfolgreichen Trilog, diesmal nicht. Die EVP verwies allerdings am Freitag in einem Statement auf die großen Erfolge, die Christine Schneider erreicht habe. Das klang eher nach Zustimmung.

Die EVP wollte Landwirten keinerlei Pflichten vorschreiben

Die grüne Verhandlungsführerin Jutta Paulus sagte am Freitag, sie sei "vorsichtig optimistisch". Es wäre, findet sie, auch fatal, würde die EU vor dem Klimagipfel in Dubai das Signal senden, sie halte internationale Verträge nicht ein. Denn das Renaturierungsgesetz wird gebraucht, um das Biodiversitätsabkommen von Montreal zu erfüllen. Es besagt, dass weltweit bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent der geschädigten Flächen Reparaturmaßnahmen beginnen sollen. Außerdem lassen sich ohne die Renaturierung von Wäldern und Mooren, die CO₂ speichern, die europäischen Klimaziele nicht erfüllen.

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Die EVP wollte ursprünglich jegliche Renaturierungsmaßnahmen auf ohnehin schon geschützte Gebiete ("Natura 2000") beschränken. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen solche geschützten Gebiete bevorzugt ins Auge fassen können. Die EVP wollte auch keinerlei Pflichten für die Landwirtschaft vorschreiben. Der entsprechende Artikel findet sich nun wieder im Gesetz, samt einer stufenweisen Wiedervernässung von Mooren. Allerdings können Landwirte nicht zur Renaturierung von Mooren gezwungen werden. Wer sich dazu bereiterklärt, soll Geld erhalten, das feiert die EVP als Erfolg.

Allein mit Vorschriften aus Brüssel lasse sich die Wiederherstellung der Natur ohnehin nicht erzwingen, sagt die Grüne Jutta Paulus. Die Landnutzer und Landeigener müssten schon mitmachen.

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