Europäische Union:Der Grüne Deal lebt

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Bevor der Niederländer Wopke Hoekstra neuer Klimakommissar der EU werden konnte, musste er eine mehrstündige Anhörung im Umweltausschuss überstehen. (Foto: Frederick Florin/AFP)

Die neuen EU-Klimakommissare Hoekstra und Šefčovič übernehmen ihre Ämter mit großen Versprechen. Jetzt müssen sie aber noch die Gesellschaft überzeugen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Die Umwelt- und Klimapolitik der Europäischen Union liegt künftig in den Händen der Kommissare Wopke Hoekstra und Maroš Šefčovič. Beide Personalien sind nicht unumstritten. Der Niederländer Hoekstra, neuer Klimakommissar, hat früher für den Shell-Konzern gearbeitet und als Angestellter von McKinsey fossile Großkunden betreut. Der Slowake Šefčovič, künftig gesamtverantwortlich für den Grünen Deal, hat parteipolitische Verbindungen zum korrupten Putin-Versteher, dem slowakischen Wahlsieger Robert Fico. Das Europaparlament hat die beiden am Donnerstag dennoch in ihren Funktionen bestätigt.

Hoekstra und Šefčovič ersetzen auf Wunsch von Kommissionschefin Ursula von der Leyen Frans Timmermans, berühmt und berüchtigt als Europas "Klimapapst". Der Niederländer hatte bis zum Sommer beide Funktionen auf sich vereint und will nun Ministerpräsident in seiner Heimat werden. Šefčovič war bislang schon ein geschäftsführender Vizepräsident der Kommission und übernimmt jetzt zusätzliche Aufgaben. Hoekstra, zuletzt niederländischer Außenminister, wurde von seiner Regierung als Ersatz für Timmermans nach Brüssel geschickt.

Das verbindliche Klimaziel, das der neue Kommissar ankündigt, klingt bemerkenswert

Das Votum im Straßburger Plenum war nur noch Formsache. Der Abstimmung vorausgegangen war allerdings ein Riesenspektakel im Umweltausschuss des Parlaments, der für die Prüfung der beiden Personalien zuständig war. Der Grüne Deal, so zeigte sich dabei, ist keinesfalls tot.

Hoekstra und Šefčovič mussten mehrstündige Anhörungen über sich ergehen lassen und über Nacht auch noch ausführliche Fragebögen beantworten. Weil die linke Seite des Gremiums den Christdemokraten Hoekstra madig machte - Shell, McKinsey! -, stellte die rechte Seite den Sozialdemokraten Šefčovič als Fico-Mann ins Zwielicht. Am Ende erreichten die beiden bei der Abstimmung im Ausschuss die nötige Zweidrittelmehrheit - auch dank der Grünen, obwohl die nicht der sogenannten Von-der-Leyen-Mehrheit aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen angehören.

Die Kommission, das ist nun die Lesart der Grünen, habe sich im Rahmen der Anhörungen darauf verpflichtet, das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Wopke Hoekstra kündigte wie gewünscht an, die EU-Kommission werde im Januar ein verbindliches Klimaziel für das Jahr 2040 formulieren: Reduktion der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent im Vergleich zu 1990. Das klingt tatsächlich bemerkenswert, bislang war nur von 80 Prozent die Rede gewesen. Bis zum Jahr 2030 liegt die Zielmarke bei minus 55 Prozent, spätestens bis zum Jahr 2050 will die EU dann klimaneutral werden.

Wopke Hoekstra legte sich zudem darauf fest, eine Steuer auf Kerosin auf den Weg zu bringen und die Subventionen für fossile Energieträger schnell zu stoppen. Er klang dabei fast wie Frans Timmermans - aber die Frage ist, ob den Worten auch Taten folgen. Seine Chefin Ursula von der Leyen setzt mit Blick auf die Europawahlen 2024 jedenfalls andere Schwerpunkte.

Anfang Dezember steht der erste große Einsatz für Wopke Hoekstra an

Ursula von der Leyen hat in ihrer Rede zur Lage der Union im September einen neuen Kurs in der Klima- und Umweltpolitik angekündigt. "Wir brauchen mehr Dialog und weniger Polarisierung", sagte sie. Die beiden zuständigen Kommissare sollen im Gespräch mit Vertretern von Industrie und Landwirtschaft den Unmut über immer neue Vorschriften aus Brüssel dämpfen. Ihre vorrangige Aufgabe ist es aus Sicht von der Leyens nicht, alle noch im Umlauf befindlichen Gesetzesvorhaben bis zur Wahl ans Ziel zu bringen. Vielmehr sollen sie sicherstellen, dass die bereits verabschiedeten Gesetze Akzeptanz in der Gesellschaft finden.

Ursula von der Leyen näherte sich damit Manfred Weber an, dem Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), als deren Spitzenkandidatin sie wohl in den Europawahlkampf ziehen wird. Weber hat das Motto ausgegeben, der Grüne Deal dürfe die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht gefährden. Vielmehr müssten beide Ziele in Einklang miteinander gebracht werden. Viele Landwirte, die Kernkundschaft der Christdemokraten, begehren gegen die Brüsseler Regulierungen auf, deshalb hatte Weber vor der Sommerpause versucht, mit der EVP ein Gesetz zur "Wiederherstellung der Natur" komplett zu stoppen, letztlich vergeblich. Die damalige Polarisierung zwischen links und rechts überlagert die Brüsseler Klimapolitik bis heute.

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Webers Parteifreund Wopke Hoekstra hat sich in der Befragung verpflichtet, für alle noch ausstehenden Gesetze des Grünen Deals zu kämpfen. Allerdings dürfte er das flexibler tun als der Sturkopf Timmermans. Eine seiner Hauptaufgaben liegt ohnehin darin, die EU als eine Art Klima-Außenminister zu vertreten und dafür zu werben, dass auch andere Regionen der Welt so ehrgeizig vorgehen wie Europa. Sein erster großer Einsatz: die Weltklimakonferenz Anfang Dezember in Dubai.

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