Europäische Union:Ein diplomatisches Gesicht für den Grünen Deal

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Kann er die abtrünnige Europäische Volkspartei wieder für den Green Deal gewinnnen? Der neue EU-Klimakommissar Maroš Šefčovič. (Foto: Aris Oikonomou/AFP)

Frans Timmermans, das Feindbild der Wirtschaft, ist weg. Was Ursula von der Leyen jetzt von dem Slowaken Maroš Šefčovič erwartet.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Frans Timmermans hielt am Dienstagabend wieder eine seiner leidenschaftlichen Reden zum Thema Klima. "Ich bitte euch", sagte er, "lasst euch nicht einreden, dass es einen Widerspruch zwischen Klimagerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit gibt." Timmermans sprach in Den Haag als frischgekürter Spitzenkandidat von Sozialdemokraten und Grünen für die niederländische Parlamentswahl im November.

Seinen Job als Klimakommissar der Europäischen Union hatte zu dem Zeitpunkt in Brüssel schon Maroš Šefčovič übernommen. Und so viel steht fest: Reden wie von Timmermans, die den Widerspruch zwischen Klimapolitik und sozialer Politik einfach wegdefinieren, wird man von dem Slowaken nicht hören.

Der Neue soll die Wogen glätten

Ursula von der Leyen, die Kommissionschefin, rühmte Timmermans' Werk in höchsten Tönen, nachdem der sich offiziell aus seinem Amt als geschäftsführender Vizepräsident für den Grünen Deal verabschiedet hatte. Was die Präsidentin sich vom Nachfolger erwartet, formulierte sie so: "Die Umsetzung des Grünen Deals erfordert einen noch intensiveren Dialog mit der Industrie, wichtigen Interessengruppen wie Waldbesitzern und Landwirten sowie Bürgern." Der Neue, so heißt das übersetzt, soll die Wogen glätten, die Timmermans verursacht hat.

Der Widerstand gegen die Klima- und Umweltpolitik der EU ist zuletzt stark gewachsen: Die Rechtspopulisten agitieren erfolgreich, Wirtschaftsverbände zetern gegen eine angebliche EU-Regulierungswut. Vor allem die Landwirtschaftslobby hat sich Timmermans zum Feindbild erkoren. Was besonders misslich für die Kommissionspräsidentin ist: Auch die Europäische Volkspartei (EVP), der Ursula von der Leyen (CDU) angehört, hat sich zuletzt vom Grünen Deal abgesetzt, der ja doch der Kern ihrer Amtszeit ist. Der Schuldige, angeblich: Timmermans, der Sturkopf.

Maroš Šefčovič scheint für die Rolle des Versöhners glänzend geeignet zu sein. Der 57-Jährige ist durch und durch Diplomat. Als solcher vertrat er sein Land in Simbabwe, Kanada, Israel und von 2004 an auch in Brüssel als slowakischer EU-Botschafter. Der EU-Kommission gehört er seit 2009 mit wechselnden Zuständigkeiten an. Er kümmerte sich um Erziehung, Bildung, Kultur, Jugend, Energie, zuletzt war er als Vizepräsident für das Themenfeld "interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau" zuständig. Sollte es Menschen geben, die seinen Namen noch nie gehört haben, würde der Slowake das wohl als Kompliment begreifen. Er erledigt seine Arbeit geräuschlos.

Jovial im Umgang, hart in der Sache

"Big Maros" wird der Sozialdemokrat in Brüssel genannt, er gilt als jovial im Umgang, aber hart in der Sache. Derart effizient arbeitet Šefčovič, dass man es fast schon spektakulär finden kann - so wie in den Verhandlungen zur Umsetzung des Brexit. Britische Boulevard-Zeitungen betitelten den Slowaken als "Wurstkönig", weil er einen besonders ausgefeilten Kompromiss für den Umgang mit britischen Fleisch- und Wurstwaren gefunden hatte. Šefčovič fühlte sich geehrt und erwiderte, er werde alles tun, um einen "Wurstkrieg" zu vermeiden.

Der Ausflug auf den Boulevard war nur ein Ausreißer in der Vita des Diplomaten Šefčovič. Den zweiten leistete sich er 2019, als er in seiner Heimat für das Präsidentenamt kandidierte. Šefčovič hörte sich plötzlich an wie ein slowakischer Viktor Orbán. Er sprach sich dagegen aus, sexuellen Minderheiten mehr Rechte zu gewähren, und arbeitete sich an der Migrationspolitik von Angela Merkel ab. Besonders kurios wirkt im Rückblick seine Polemik gegen einen in Brüssel beheimateten "europäischen Superstaat". Die Agenda seiner Rivalin Zuzana Čaputová attackierte er als "ultraliberal". Dann verlor er die Wahl und kehrte wieder in seinen Urzustand zurück.

In Brüssel warten noch andere Projekte mit Sprengkraft

Als oberster Klimakommissar, mit dem rückenstärkenden Titel "geschäftsführender Vizepräsident" versehen, steht Maroš Šefčovič im Zenit seiner Brüsseler Laufbahn. Er wird Europa wohl im November beim Klimagipfel in Dubai vertreten, gemessen aber wird er daran, ob er in der EU die Debatten um Umwelt- und Klimagesetze bis zur Wahl im Juni 2024 beruhigen kann.

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Möglicherweise bedeutet das, dass einige Projekte einfach liegen bleiben, zum Beispiel das umstrittene Gesetz, das den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft bis 2030 halbieren soll. In der Brüsseler Gesetzgebungsmaschine steckt auch noch die "Gebäudeeffizienzrichtlinie", die ähnlichen Sprengstoff birgt wie Robert Habecks Heizgesetz. Das gilt auch für das "Gesetz zur Wiederherstellung der Natur". Die EVP hat versucht, es schon im Parlament zu stoppen, und dabei eine herbe Niederlage gegen Timmermans und dessen Unterstützer einstecken müssen.

Sehr im Sinne Ursula von der Leyens wäre es wohl, wenn Maroš Šefčovič die EVP wieder hinter den Grünen Deal brächte. Sollte die Präsidentin eine zweite Amtszeit anstreben, geht das nur als Spitzenkandidatin der EVP. Und dazu braucht es eine gemeinsame Vorstellung von Klima- und Umweltpolitik.

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