Deutschland:Was sich für Merkel jetzt ändern wird

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Die neuen Stimmenverhältnisse im Bundesrat könnten Kanzlerin Angela Merkel noch zu schaffen machen. (Foto: AP)

Kenia, Kiwi, Ampel: Noch nie war die politische Landkarte so bunt. Was das für Merkel und die Wahl des Bundespräsidenten bedeutet.

Von Robert Roßmann

Eine Woche wie diese hat es in der deutschen Nachkriegspolitik noch nicht gegeben. In den vergangenen Tagen schüttelten sich gleich in drei Bundesländern neue Koalitionen zurecht. Bereits die Namen der Bündnisse zeigen, wie ungewöhnlich sie sind. In Baden-Württemberg wollen Grüne und CDU Deutschlands erste Kiwi-Koalition bilden, in Sachsen-Anhalt sprechen CDU, SPD und Grüne über das erste Kenia-Bündnis. Und in Rheinland-Pfalz verhandeln SPD, FDP und Grüne über die Bildung der ersten Ampel seit zwanzig Jahren. Die politische Landkarte war noch nie so bunt. Aber welche Folgen hat das für die Kanzlerin? Wird das Regieren für Angela Merkel nun schwerer?

Die Machtverhältnisse verschieben sich

Auf Bundesebene haben die neuen Bündnisse zunächst Auswirkungen auf den Bundesrat. Dort war Merkels große Koalition schon vor den Landtagswahlen weit von einer Mehrheit entfernt. Allerdings hatten die Umfragen monatelang Ergebnisse vorhergesagt, die in allen drei Ländern große Koalitionen zur Folge gehabt hätten. Der Anteil der Länder, auf die sich Union und SPD im Bundesrat verlassen können, wäre damit von 24 auf 34 Stimmen gestiegen. Merkel hätte also nur noch ein Land - etwa das schwarz-grün regierte Hessen - auf ihre Seite ziehen müssen. Doch wegen der Kiwi-, Kenia- und Ampel-Bündnisse sinkt der Anteil der großkoalitionären Länder jetzt sogar. Die Verhandlungen, zum Beispiel über die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten, dürften deshalb noch komplizierter werden.

(Foto: N/A)

Auch auf die Zusammensetzung der Bundesversammlung schlagen die Landtagswahlen direkt durch. Am 12. Februar 2017 soll sie den Bundespräsidenten wählen. Bisher gab es in der Versammlung auch eine rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit. Die ist wegen des Erfolges der AfD vor drei Wochen aber dahin. Daran dürfte sich auch nichts mehr ändern. Auf eine ausreichende Mehrheit kommen nur noch Union und SPD oder Schwarz-Grün, für einen "Ampel-Kandidaten" würde es schon länger nicht mehr reichen.

Verzichtet Gauck auf eine Wiederwahl, wäre das ein Problem für Merkel

Merkel möchte, dass Joachim Gauck noch einmal antritt. In diesem Fall wären alle Rechenspiele obsolet, dem Bundespräsidenten wäre eine Mehrheit sicher. Aber Gauck hat noch nicht zu erkennen gegeben, was er will. "Seine Eitelkeit steht im Widerstreit mit der unangenehmen Aussicht, als alter Mann in Bellevue zu sitzen", heißt es im Regierungslager. Gauck wäre am Ende einer zweiten Amtszeit 82 Jahre alt. Wenn er deshalb auf eine Wiederwahl verzichten sollte, hätte Merkel ein Problem.

Angesichts der dominanten Rolle der Union in der Bundesversammlung wäre es ihrer Partei nicht zu vermitteln, einen "andersfarbigen" Kandidaten wie Frank-Walter Steinmeier zu unterstützen. Um einen eigenen Kandidaten durchzusetzen, bedarf Merkel jedoch der Hilfe von SPD oder Grünen. Gleichzeitig muss sie aber vermeiden, dass von der Präsidentenwahl ein Richtungssignal für die Bundestagswahl ausgeht. Das würde wiederum für einen möglichst überparteilichen und nicht allzu CDU-haften Kandidaten sprechen.

Der SPD fehlt jeder Spielraum für Lösungen jenseits der Union

Gut für die Kanzlerin ist, dass es jetzt in der Bundesversammlung nicht einmal mehr rechnerisch die Möglichkeit einer Richtungsentscheidung gegen ihre CDU gibt. Weil weder ein Ampel-, noch ein rot-rot-grüner Kandidat eine Mehrheit hätte, fehlt der SPD jeder Spielraum für Lösungen jenseits der Union.

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Neben diesen arithmetischen Auswirkungen der Landtagswahlen gibt es auch atmosphärische. Die Verhandlungen der Mainzer FDP über eine Ampel zeigen Merkel, dass es vorbei ist mit der Nibelungentreue der Liberalen zur Union. Auf der anderen Seite dürfte der Erfolg von Winfried Kretschmann dazu führen, dass seine Bundespartei schwarz-grüner wird. Baden-Württemberg und Hessen sind jetzt ein wichtige Achse innerhalb der Grünen. Sollte es 2017 wieder zu Sondierungsgesprächen zwischen Merkels Union und den Grünen kommen, werden sich die Grünen wohl nicht mehr verweigern. Das erhöht die Optionen Merkels.

Die Schwäche der SPD erleichtert Merkel das Regieren

Die SPD wiederum hat aus ihren vernichtenden Wahlergebnissen die Lehre gezogen, erst einmal konstruktiv weiter regieren zu wollen. Es gibt, zumindest bisher, keine Anzeichen für einen Aufstand gegen den Vorsitzenden Sigmar Gabriel oder einen Aufruf, den Bundestagswahlkampf gegen die Union schon jetzt zu eröffnen. Beides erleichtert der Kanzlerin das Regieren.

Doch all das ist unwichtig im Vergleich zu Merkels eigentlichem Problem: der Flüchtlingspolitik. Sollte ihr Kurs im Lauf des Jahres Wirkung zeigen, wird sie ziemlich unangefochten bis zur Bundestagswahl regieren können. Sollte die Kanzlerin mit ihrem Kurs aber scheitern, und die AfD auch deshalb weiter reüssieren, steht Merkel vor gefährlichen Zeiten. Im September wird in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Sollte die Union dann wieder so abgestraft werden wie vor drei Wochen, droht der CDU-Chefin Ungemach auf dem Wahlparteitag Anfang Dezember.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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