Staatsbesuch aus China:Was Xi in Europa erreichen will

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Vor einem Jahr besuchte Frankreichs Präsident Peking, nun kommt Chinas Präsident nach Paris. (Foto: Thibault Camus/AP)

Zum ersten Mal seit fünf Jahren reist der chinesische Präsident nach Europa - und trotz dieser Geste sind spitze Töne gegen EU und Nato von ihm zu erwarten. Außer Frankreich besucht er nur Serbien und Ungarn.

Von Florian Müller, Peking

Nein, einen Blick auf den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping im Radlerdress wird man wohl nicht erhaschen. Er ist nicht Wladimir Putin, der sich gerne mal sportlich gekleidet ablichten lässt. Aber vielleicht ist ja trotzdem ein Hauch Tour de France zu spüren, wenn Xi und sein französischer Gastgeber Emmanuel Macron Anfang dieser Woche den Col du Tourmalet in den Pyrenäen besuchen. Schließlich ist er einer der berühmtesten Anstiege des Radrennens, eine "Hochburg der französischen Sportkultur", wie der Élysée betont.

Weil in der Nähe dieses Bergpasses einst die Großmutter des französischen Präsidenten lebte, mutmaßen französische Medien nun, dass sich Macron revanchieren möchte für die persönlichen Einblicke, die Xi ihm vergangenes Jahr bei einer Teezeremonie im südchinesischen Guangzhou gab. Xis Vater war dort Anfang der 1980er-Jahre Provinzgouverneur.

Macron könnte das Treffen mit Xi nutzen, um die Einheit Europas zu bekräftigen

Es ist die erste Europareise für Xi seit fünf Jahren. Auf dem Programm steht nach Frankreich Serbien, dann Ungarn. Mit der sechstägigen Reise verfolgt die chinesische Führung zwei Ziele, wie Abigaël Vasselier von der auf China spezialisierten Denkfabrik Merics erklärt: "Die Beziehungen zwischen Europa und China wieder auf Kurs zu bringen" und der europäischen Auffassung entgegenzuwirken, dass Chinas wachsende Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg Konsequenzen haben müsse.

Zuerst Frankreich, wo Xi am Sonntag ankam und den Montag in der Hauptstadt verbringt: Mit der Feier zum 60-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Paris und Peking suche Xi nach einem "Wohlfühlmoment", der sich positiv auf die bilateralen Beziehungen mit der EU als Ganzes auswirken kann. Doch trotz der für Dienstag angesetzten Bilderbuch-Tour in die Pyrenäen sind Konflikte wahrscheinlich. "Paris wird Chinas Unterstützung für Russland in den Mittelpunkt der Diskussion stellen", erwartet Vasselier. Macron hatte bereits vor einem Jahr erfolglos versucht, Xi zum Einwirken auf seinen Freund Putin zu bringen.

Macron könnte das Treffen mit Xi zudem nutzen, um die Einheit Europas zu bekräftigen, wird dem Chinesen doch oft unterstellt, die EU spalten zu wollen. So soll er Berichten zufolge Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem privaten Abendessen am Donnerstag in Paris bearbeitet haben, dass dieser ebenfalls kommt, wenn sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag mit Macron und Xi in Paris trifft. Anders als Scholz im vergangenen Monat hatte Macron die Kommissionspräsidentin auch schon bei seinem Besuch in Peking vergangenes Jahr dabei.

Xi könnte vor einem Handelskrieg zwischen Europa und China warnen

Die EU-Kommissionspräsidentin will sich bei dem Treffen nach eigenen Angaben für einen "fairen" Wettbewerb einsetzen. Die "aktuellen Ungleichheiten" beim Marktzugang seien nicht nachhaltig und müssten angesprochen werden, so von der Leyen in einer Erklärung vor dem Treffen. "Mit massiven Subventionen" stelle China mehr her, als es verkaufe. Dies führe zu einem "Überangebot an subventionierten chinesischen Produkten wie Elektrofahrzeugen und Stahl, was wiederum zu einem unfairen Handel führt".

Umgekehrt könnte Xi davor warnen, dass EU-Untersuchungen wegen unfairer Wettbewerbspraktiken gegen zahlreiche chinesische Exportgüter von Elektroautos bis Flughafenscannern in einem Handelskrieg enden könnten. Wegen der französischen Unterstützung für Strafzölle auf Autos hat Peking bereits eine Untersuchung gegen französischen Branntwein eingeleitet. In Deutschland hält sich die Begeisterung über den chinakritischen Kurs von der Leyens wegen der Sorge vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen gegen Volkswagen, BMW und Mercedes in ihrem wichtigsten Markt in Grenzen.

Von Frankreich geht es für Xi weiter nach Serbien. Das Timing ist hier ebenfalls symbolisch, denn am Dienstag jährt sich die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch Nato-Flieger zum 25. Mal.

Für Xi gehe es bei diesem Besuch um "ikonische" Bilder, mit denen er das Publikum zu Hause, aber auch im globalen Süden auf die "Doppelmoral" des US-geführten Verteidigungsbündnisses hinweisen kann, sagt Alicja Bachulska von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. "Er will zeigen, dass die Nato keine Sicherheit schafft, sondern gegen Chinas und Russlands Interessen arbeitet." Peking gibt der Osterweiterung der Nato die Schuld für den Ukraine-Krieg.

Dass der serbische Präsident Aleksandar Vučić Xi diese Bühne bietet, passt laut Bachulska zur "opportunistischen" Art des Politikers. Während er auf der einen Seite den EU-Beitritt anstrebt, versuche er mit der "stählernen Freundschaft" zum strategischen Rivalen Brüssels eigene Verhandlungsmasse anzuhäufen.

Belgrad schmückt seine Straßen aus Anlass des bevorstehenden Besuchs von Präsident Xi mit chinesischen Nationalfahnen. (Foto: Darko Vojinovic/AP)

So patrouillieren schon seit 2019 chinesische Polizisten durch Belgrad, und chinesische Firmen haben sich in zahlreiche Wirtschaftszweige in Serbien eingekauft und machen mittlerweile europäischen Firmen starke Konkurrenz. Vergangenes Jahr hatten die beiden Länder sogar ein Freihandelsabkommen unterzeichnet.

"Ungarn ist das trojanische Pferd Chinas in der EU."

Eine ähnliche Motivation wie bei Vučić sieht Bachulska auch bei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der Xi voraussichtlich von Mittwoch bis Freitag beherbergen wird. "Ungarn ist das trojanische Pferd Chinas in der EU." Anders als die meisten anderen osteuropäischen EU-Mitglieder hat sich Orbán nicht von Xi abgewandt, als Putin den Einmarschbefehl in der Ukraine gab.

Es gab im Kooperationsforum zwischen Peking und den osteuropäischen Hauptstädten, das mal als 17 +1 bezeichnet wurde, einst große Hoffnungen auf Infrastrukturinvestitionen im Rahmen von Pekings "Neue Seidenstraßen"-Initiative. Diese, so Bachulska, hätten sich in den meisten Fällen nicht realisiert. "Mit Ausnahme Ungarns, das vergleichsweise viele chinesische Investitionen anziehen konnte." So bauen etwa der Batteriehersteller CATL und der Autohersteller BYD dort Werke. Zum Dank dafür könnte Xi von Orbán Brüssel-kritische Töne etwa in Bezug auf die Handelskonflikte erwarten.

Doch auch wenn Orbán den Besuch aus Peking als Gegengewicht zum Druck aus Brüssel instrumentalisieren möchte, ist Bachulska zufolge doch klar, dass die EU am Ende für Ungarn wichtiger ist als China. So hat Budapest, wenn auch unter Protest, etwa kein Veto auf Sanktionen gegen chinesische Firmen eingelegt, die Russlands Krieg in der Ukraine unterstützen sollen. Und auch bei Strafzöllen gegen chinesische Produkte hat der innerhalb der EU isolierte Orbán nur begrenzte Einflussmöglichkeiten, weil diese eine Mehrheitsentscheidung sind.

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Von Florian Müller (Text) und Liu Xinyue (Fotos)

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