Positionspapier:CDU will handyfreie Grundschulen

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Über Smartphones an Schulen wird schon lange gestritten. Die CDU möchte sie dort weitgehend verbieten. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Die Union kritisiert die Grünen gern als "Verbotspartei", nun fordert der CDU-Bundesvorstand um Friedrich Merz, Smartphones aus Klassenzimmern und vom Schulhof zu verbannen. Wie sinnvoll wäre das?

Von Boris Herrmann und Kathrin Müller-Lancé, Berlin/München

Der mitunter etwas rätselhafte Friedrich Merz schien bislang zumindest in einer Sache unmissverständlich zu sein: nämlich darin, dass er Verbote nicht ausstehen kann. Erst neulich im Bundestag, im Rededuell mit Bundeskanzler Olaf Scholz, kritisierte der Unionsfraktionschef die Ampel-Regierung wieder massiv für ihre "Verbotspolitik".

Insbesondere den Grünen hält Merz regelmäßig vor, das Land mit Verboten und Regulierungen überziehen zu wollen. Es klingt bei ihm oft so, als sei die Verbots- oder auch Ordnungspolitik das Gegenteil von Freiheit, Vernunft und Innovationsgeist. Deshalb ist es bemerkenswert, dass nun offenbar auch Merz ein aus seiner Sicht sinnvolles Verbot entdeckt hat: Seine CDU will das Handy aus Klassenzimmern verbannen.

In anderen Ländern gibt es solche strengen Maßnahmen schon

Der Bundesvorstand der Partei hat dieser Tage ein Positionspapier zur Bildung verabschiedet. Darin fordert die CDU, in Grundschulen "ein privates Handynutzungsverbot umzusetzen". An weiterführenden Schulen seien "Maßnahmen zu ergreifen, um eine private Handynutzung im Unterricht auszuschließen".

Bereits im August hatte die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien diese Idee ins Spiel gebracht. Prien, die auch Bildungsministerin von Schleswig-Holstein ist, sah sich damals mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe eine klassische Sommerloch-Debatte losgetreten. Nun hat die CDU das Thema aber aus dem Sommerloch in den politischen Regelbetrieb geholt. Mit dem Vorstandsbeschluss macht sich auch Parteichef Merz die Forderung nach einem Handyverbot zu eigen.

Trotzdem bleibt es in erster Linie Priens Projekt. "Handys auf dem Schulhof und in den Pausen sind eben auch ein Einfallstor für die Verbreitung von Gewaltvideos, Mobbing unter Schülerinnen und Schülern und die Propaganda von Extremisten", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Social-Media-Plattformen und Chaträume bergen Suchtgefahren und sind für Kinder im Grundschulalter nicht geeignet."

In anderen Ländern gibt es so ein Verbot schon, in Frankreich zum Beispiel gilt es für Schülerinnen und Schüler bis 15 Jahre. Auch in den Niederlanden soll es von 2024 an keine Handys mehr im Klassenzimmer geben. In Deutschland können die Schulen bisher selbst entscheiden, wie sie den Umgang mit Handys regeln. Manche Schulen sammeln die Geräte vor dem Unterricht ein, andere verbieten sie nur auf dem Schulhof. Wobei ein Verbot sich immer nur auf die Nutzung der Handys beziehen darf.

Dass Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones in die Schule mitbringen, kann keine noch so ambitionierte Partei in Deutschland verbieten. Das würde die Handlungsfreiheit einschränken, die im Grundgesetz verankert ist.

Bayern hat sein Handynutzungsverbot 2022 wieder gelockert

Ein generelles Handynutzungsverbot gab es bisher nur in einem Bundesland - bis zum vergangenen Jahr in Bayern. Inzwischen ist der dortige Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) zurückgerudert und hat das Verbot gelockert. Seine Argumentation: Das Smartphone sei nun mal zum ständigen Begleiter der Jugendlichen geworden, pauschale Verbote seien da nicht mehr zeitgemäß. Weiterführende Schulen in Bayern dürfen nun selbst entscheiden, wo, wann und für wen Handys erlaubt sind. Das gilt allerdings nicht für die bayerischen Grundschulen, dort ist die Nutzung nach wie vor nur in Einzelfällen erlaubt.

Müsste man die Erkenntnisse der Bildungsforschung zusammenfassen, käme wohl etwas heraus wie: Wie schädlich Handys sind, hängt davon ab, was man damit macht. So warnt der Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer von der Universität Augsburg schon länger, dass die intensive und unreflektierte Nutzung von Smartphones und Tablets zu massiven Lernrückständen führen kann. Eine Studie der TU Dortmund zeigte vor Kurzem, dass Viertklässler, die viel auf digitalen Geräten lesen, einen schlechteren Wortschatz haben als Viertklässler, die häufig Bücher lesen. Wobei die Autoren betonen, dass die Nutzung von technischen Geräten nicht automatisch dazu führe, dass man weniger lernt. Ob ein pauschales Verbot Sinn ergibt, bleibt also eher eine politische Frage.

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Die Antwort von Ria Schröder, der bildungspolitischen Sprecherin der FDP im Bundestag, fällt eindeutig aus: "Die private Nutzung der Handys während des Unterrichts oder auf dem Schulgelände müssen Schulen selbst regeln. Dies bundesweit zu reglementieren, ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", sagt Schröder. Auch die Grünen lehnen ein grundsätzliches Handyverbot an Grundschulen ab.

"Nicht das Handy an sich ist gut oder schlecht, sondern die jeweilige Nutzung kann sinnvoll oder schädlich sein", sagt die zuständige Grünen-Abgeordnete Nina Stahr. Zu der Medienkompetenz, die in der Schule vermittelt werden müsse, gehöre eben auch das Erlernen eines reflektierten Umgangs mit Smartphones und den entsprechenden Apps. Stahr lässt sich auch die Gelegenheit nicht entgehen, in diesem Kontext von der "Verbotspartei CDU" zu sprechen. Es dürfte im Interesse von Friedrich Merz sein, dass sich dieser Spitzname nicht allzu weit herumspricht.

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