Bundeswehr:Debatte über mögliches Ende des deutschen Einsatzes in Mali

Bundeswehr: Soldatinnen beim Mali-Einsatz im Camp Castor in Gao. Die Bundeswehr ist in dem westafrikanischen Land an der UN-Mission Minusma und der EU-Ausbildungsmission EUTM beteiligt.

Soldatinnen beim Mali-Einsatz im Camp Castor in Gao. Die Bundeswehr ist in dem westafrikanischen Land an der UN-Mission Minusma und der EU-Ausbildungsmission EUTM beteiligt.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Immer wieder torpediert die malische Regierung das Engagement der UN-Friedenstruppen, der auch 1100 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr angehören. In Berlin werden Forderungen laut, die Mission zu überdenken - doch auch ein Abzug birgt große Gefahren.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Neue Straßensperren und Patrouillen in Bamako zeugen davon, dass auch die in Mali regierende Militärjunta des Putschistenführers Oberst Assimi Goïta die Sicherheitslage als bedrohlich einschätzt. Mindestens 15 Angriffe verübten islamistische Extremisten seit Anfang Juni, attackierten mit Autobomben den größten Militärstützpunkt des Landes nur 15 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Zugleich aber behindert die Regierung zunehmend die UN-Friedenstruppe Minusma - und auch die Bundeswehr, die mit 1100 Soldatinnen und Soldaten ein großes und militärisch bedeutendes Kontingent stellt. Die Deutschen sind mit der Aufklärung betraut, Grundlage für das Lagebild der UN-Truppen.

Immer neuen Schikanen gegen die Blauhelm-Mission mit 13 200 Soldaten und 1900 Polizisten befeuern in Berlin die Debatte über ein mögliches Ende des Einsatzes, nachdem der Bundestag erst im Mai das Mandat verlängert hatte. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte vergangene Woche zwar bekräftigt, dass die Bundesregierung sich weiter an der UN-Mission beteiligen will, "weil die Menschen vor Ort uns brauchen". Die Situation sei aber alles andere als gut. "Man braucht um den heißen Brei nicht herumzureden: Sie ist schlecht." Die malische Regierung torpediere immer wieder das Engagement.

Die Junta hatte der Bundeswehr am Dienstag die Überflugrechte für die Transportmaschinen vom Typ A-400M entzogen. Das hätte die Rettungskette für die Soldaten und damit deren Sicherheit infrage gestellt. Kurz darauf revidierte sie die Entscheidung. Das Verbot, einen privat betrieben Teil des Flughafens von Bamako als Quartier zu nutzen, erhielt sie jedoch aufrecht; 60 Bundeswehrsoldaten mussten deswegen laut dem Einsatzführungskommando in das nahegelegene UN-Camp Bifrost am Flughafen verlegt werden. Hintergrund ist ein Streit mit der Betreiberfirma.

Wer schützt künftig den Flughafen in Gao?

Unklar ist auch, ob die UN-Truppen die planmäßige Rotation von Einheiten wieder aufnehmen können, die von den malischen Machthabern untersagt wurde. Die Bundesregierung gibt sich aber optimistisch, dass in dieser Frage eine Einigung erzielt werden kann. Offen ist überdies, wie der technische Betrieb des Flughafens Gao sichergestellt werden kann, der entscheidend ist für die Logistik des dort gelegenen deutschen Feldlagers Camp Castor und, wichtiger noch, der Schutz durch Kampfhubschrauber.

Beides hatte zuvor Frankreich gewährleistet, das seine Truppen abzieht. Sie hatten außerhalb des UN-Mandats aufgrund einer bilateralen Vereinbarung im Land operiert, die Mali gekündigt hatte. Sollten russische Truppen oder gar Wagner-Söldner den Flughafen übernehmen, würde dies die Lage weiter verschärfen, nicht nur weil ein neuer UN-Bericht nahelegt, dass die von Goïta angeheuerten Wagner-Soldaten an Massakern beteiligt gewesen sein sollen.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert, das Mandat und seine Sinnhaftigkeit ernsthaft zu überdenken und überprüfen. Die Bundeswehr sei auf Einladung Malis im Land, sagte sie. Wenn die Regierung die UN-Truppen nicht mehr wolle, dann "muss man in der Tat gehen". Sie sehe die Entwicklung aber noch nicht an dem Punkt, sagte die FDP-Politikerin. Ein Ende des UN-Einsatzes würde bedeuten, dass terroristische Gruppen in Mali weiter erstarken, warnte sie - eine Sorge, die Baerbock teilt. In dem Land sind Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat und von al-Qaida aktiv. Daraus könnte eine Bedrohung für Anschläge in Europa entstehen, mehr Menschen könnten in die Flucht getrieben werden.

"Sehenden Auges in diese gefährliche Situation"

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, mahnte, wenn die Sicherheit der Soldaten nicht mehr gewährleistet werden könne, "dann können wir auch nicht bleiben" - das sieht man im Auswärtigen Amt nicht anders und erst recht nicht im Bundesverteidigungsministerium. Ressortchefin Christine Lambrecht (SPD) hatte "gleichwertigen Ersatz" für die französischen Kampfhubschrauber zur Voraussetzung gemacht, um Patrouillen und das Feldlager gegen Angriffe schützen zu können. Bangladesch will Helikopter russischen Typs stellen, El Salvador zur Überbrückung kleinere Maschinen. Ob das ein gleichwertiger Ersatz für die vier Tiger ist, dazu hat sich Berlin noch nicht geäußert.

Der CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul verlangt von der Bundesregierung jedenfalls Klarheit über den Einsatz zu schaffen. Das "politische Verwirrspiel" sei weder den Soldaten noch der internationalen Gemeinschaft zuzumuten. Er forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, sich einzuschalten, und warf der Regierung vor, "sehenden Auges in Mali in diese gefährliche Situation geschlittert" zu sein. Sie müsse nun klar sagen, wie sie den Herausforderungen und Bedrohungen wirksam entgegenwirken wolle. Bisher laufe die Regierung den Entwicklungen hinterher und reagierte nur.

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