Generaldebatte im Bundestag:Scholz dringt auf "Deutschland-Pakt"

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Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gute Laune, als er am Mittwoch nach der Generaldebatte den Plenarsaal des Bundestags verließ. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Bundeskanzler fordert gemeinsame Anstrengungen für eine Modernisierung des Landes, Unionschef Friedrich Merz prangert zu hohe Transferleistungen an. Kritik kommt auch aus den Bundesländern.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bundesländern, den Kommunen und der demokratischen Opposition eine enge Zusammenarbeit angeboten, um dringend notwendige Reformen voranzubringen und das Land zu modernisieren. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung", sagte er am Mittwochmorgen im Bundestag, "also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln." Scholz forderte "Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streiterei".

Konkret schwebt dem Kanzler ein "Deutschland-Pakt" vor, der vier Themenfelder umfassen soll: beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine schnellere Realisierung wichtiger Infrastrukturprojekte, eine Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung sowie die Gewinnung von mehr Fachkräften bei gleichzeitiger Begrenzung der illegalen Migration. Anlass für Scholz' Rede war die Haushaltswoche im Bundestag, in der noch bis Freitag die Einzeletats der Ministerien beraten werden. Traditionell steht am Mittwoch der Etat des Bundeskanzlers auf der Tagesordnung, was stets mit einer Generaldebatte und einem Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierung verbunden ist.

Den Auftakt macht dabei immer der Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionsfraktion. Friedrich Merz (CDU) nutzte seinen Auftritt am Mittwoch dann auch gleich für harsche Kritik am Kanzler und der Ampelkoalition. Mit Blick auf die von Scholz ausgerufene "Zeitenwende" durch den Überfall Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahr kritisierte Merz, dass die Regierung das Nato-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben nur dank des Bundeswehrsondervermögens erreiche. Für die Zeit danach drohe eine strukturelle Unterfinanzierung der Bundeswehr; spätestens 2027 würden im Verteidigungsetat mindestens 30 Milliarden Euro fehlen. Vor allem für SPD und Grüne bleibe die Bundeswehr weiterhin "ein ungeliebtes Kind", so Merz.

Kanzler und Oppositionsführer sind sich selten einig. In einem Punkt aber doch

Grundsätzlich warf Merz der Regierung vor, an einem immer paternalistischeren Staat zu arbeiten. Im Zentrum seiner Kritik standen dabei die anstehende Erhöhung des Bürgergelds und die geplante Kindergrundsicherung. Arbeit müsse sich mehr lohnen als der Bezug von Transferleistungen, forderte Merz. Die Menschen aber gingen "nicht zurück in die Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen können, dass sie mit staatlichen Transferleistungen am Ende des Jahres mehr herausbekommen". An die Regierung gewandt fügte er hinzu: "Die Menschen können einfach rechnen, im Gegensatz zu manchen von Ihnen." Auch den "wahnsinnigen Bürokratieaufwand" im Land prangerte Merz an und nannte als Beispiel das Heizungsgesetz, das an diesem Freitag verabschiedet werden soll.

In Sachen Bürokratie allerdings waren Merz und Scholz sich am Mittwoch sogar einig. Denn auch der Kanzler stellte seiner Einladung zu gemeinsamen Modernisierungsanstrengungen eine erstaunlich schonungslose Diagnose des Ist-Zustands voran. Die Infrastruktur sei auf Verschleiß gefahren worden, es fehlten Arbeitskräfte, über dem Land habe sich ein "Mehltau" aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit gelegt. "Wir müssen das Bürokratiedickicht lichten", sagte Scholz. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch."

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Besonders die Länder nahm Scholz in die Pflicht, am Status quo etwas zu ändern - auch weil sie seiner Ansicht nach eine Mitverantwortung für die Misere tragen. Mit Blick auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz etwa mahnte er moderne, vernetzte Ausländerbehörden an. Er kritisierte zudem, dass Verfahren zum Netzausbau zu langsam abgeschlossen würden. Auch der Ausbau der Windkraft gehe nur im Schulterschluss mit den Ländern, sagte Scholz und lobte Schleswig-Holstein, Niedersachsen "und auch Nordrhein-Westfalen", die ihre Genehmigungen deutlich gesteigert hätten. Der Kanzler betonte auch, dass der Bund schon 85 Prozent seiner Verwaltungsleistungen digitalisiert habe, Länder und Kommunen dagegen hätten nur ein Viertel der zugesagten Leistungen online zugänglich gemacht.

Mit Blick auf das schwache Wirtschaftswachstum sagte Scholz, das beste Wachstumsprogramm sei es, wenn ein Betrieb statt drei Jahre künftig nur noch drei Monate auf die Baugenehmigung oder die Betriebserlaubnis warten müsse. Schneller werden heiße, alle Planungsprozesse zu digitalisieren und auf manche Genehmigungspflichten einfach mal zu verzichten. Das sei günstiger und nachhaltiger als Dauersubventionen. Von einem "schuldenfinanzierten Strohfeuer namens Konjunkturprogramm" halte er dagegen nichts.

Die von Scholz zum Mitmachen eingeladenen Ländern zeigten am Mittwoch derweil wenig Enthusiasmus für Scholz' "Deutschland-Pakt". Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach von einem "PR-Gag" und sagte der Rheinischen Post: "Ich fühle mich offen gesprochen veräppelt." Es gehe schließlich um "Projekte, die ohnehin schon in der Pipeline sind und die wir als Länder schon seit Langem fordern".

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