Weltfrauentag in München:Auf Frauen bauen

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"Feministisch kämpfen jetzt!" ist das Motto der großen Demonstration zum Weltfrauentag am Münchner Marienplatz (hier ein Bild aus dem Jahr 2023). (Foto: IMAGO/leo.fge/IMAGO/aal.photo)

"Feministisch kämpfen jetzt!": Demonstration, Konzerte, Lesungen, Aktionen, Selbstverteidigung - was zum Internationalen Frauentag in München alles geboten ist.

Von Michael Zirnstein

Der Weltfrauentag wird seit 113 Jahren "begangen". Eigentlich wird er ja gekämpft. Anfangs stritten die Frauen für ihr Wahlrecht und bessere Bedingungen im Beruf. Und schon 1921, als sie sich auf den 8. März als fixes Datum einigten, war die Kampfzone ausgeweitet: Wie die St. Petersburger Arbeiterinnen und Soldatengattinnen bei ihren Streiks und Demonstrationen ab dem 8. März 1917 gegen Krieg, Hunger und absolutistische Macht in die Schlacht zogen, geht es seither um mehr und ums Ganze - um eine gesellschaftliche, politische Revolution.

Insofern hat die weltweite Bewegung viel erreicht, aber längst ist noch nicht alles gewonnen - und das zeigt sich auch bei vielen Veranstaltungen und Aktionen mit sehr unterschiedlichen Zielen zum Weltfrauentag in München. Die zentrale Demonstration auf dem Marienplatz am 8. März, 17 Uhr, hat nicht umsonst die Parole: "Feministisch kämpfen jetzt!" Feministinnen und Feministen kämpfen zusammen gegen männliche Dominanz und Gewalt. Und das Bündnis kämpft unter dem feministisch beflaggten Rathaus um mehr Geld ("Equal Pay"), mehr Macht, mehr Frieden "sofort", mehr Selbstbestimmung über den Körper und mehr Sichtbarkeit - und das längst für alle Flinta-Personen (Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nichtbinäre, Trans und Agender) jedweder Kultur, körperlicher oder geistiger Verfassung und Hautfarbe. Wahrlich ein "Internationaler Feministischer Kampftag", wie die Subkulturgruppe A-Tram ihn nennt. Aber natürlich ist der 8. März auch ein Tag, an dem die weltweite "Schwesternschaft" mit viel Kunst und Kultur gefeiert werden darf. Im Ratskeller gibt es dazu extra die Flasche Prosecco (Bianco oder Pink) für 15 Euro (statt 25 Euro).

Offizielle Reihe "Sie inspiriert mich"

Die Rapperin und Aktivistin Gündalein gibt ein Konzert am "Feiertag für Flinta*" im Ampere. (Foto: Florian Peljak)

Ein Tag ist gut, 365 Tage wären eigentlich selbstverständlich - immerhin einen Monat lang und darüber hinaus soll die Reihe "#sieinspiriertmich" zeigen, dass "Feminismus Einheit schafft, Spaß macht und was für alle ist". Münchner queer-feministische Initiativen sind die Veranstalter mit Unterstützung des Kulturreferates und der Gleichstellungsstelle (das ganze Programm: sie-inspiriert-mich.de). Beim "Feiertag für Flinta*", dem Kick-off-Event am Sonntag, 3. März, im Ampere, gibt es von 16 bis 23 Uhr streit- wie tanzbare, vor allem liebenswerte Musik der Rapperin und Aktivistin Gündalein, der österreichischen Singer-Songwriterin Clara Luzia, des Folk-Duos Blind & Lame und der Cumbia-Rockerin Maria Moctezuma, ein Body-Positivity-Musical des Heart Chors, eine Lesung aus den Briefen von Hildegard Kneef an ihre Tochter sowie Stand-up-Comedy zu muslimischem Dating und mehr von Anissa Loucif.

"Zusammen empowern!", das sollen die folgenden Aktionen - und Spaß machen. Zum Beispiel beim "Lost Cabaret" im Import/Export, "Münchens erster Variety-Show von und mit komischen Flintas": Sieben Künstlerinnen, teils aus Berlin und Finnland, zaubern in der Late-Night-Show mit Clownerie, Poesie, Drag, Performance-Kunst, Comedy und japanischem Butoh-Tanz, mal virtuos, mal unfertig, mal verletzlich, mal wahnwitzig (22. März). Das Projekt "SP[ ]CE" setzt sich an unterschiedlichen Orten in der Stadt wie dem Glitch Bookstore mit queer-feministischer Literatur, Filmen und sozialen Zwischenräumen auseinander (4. bis 10. März). Die Gruppenausstellung "Ensemble! Sharing is caring" im Café Gartensalon bietet außer Kunst auch ein Programm mit Akkordeonmusik von Ahoi! Die Damen, Gesprächen und Workshops, etwa in Sigillenmagie, also Symbolzauberkraft (Amalienpassage, 8. März bis 1. Mai).

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Im Café Marat und in der A-Tram im Schlachthofviertel wird "Wut aufs Patriarchat" kreativ umgeleitet: Es wird gezeigt, wie Rrrriot-Girls, Do-it-Yourself-Bewegung und Subkulturen Flinta-Personen Räume für ihre Ausdrucksformen öffnen (16. März). Das EineWeltHaus nimmt den Feminismus-Klassiker "Farbe bekennen" als Vorlage für einen Aktionstag, etwa mit dem Vortrag "Barbies pinke Kritik am Patriarchat" oder einem Afro-Dance-Kurs (15. März). Und es gibt dem Reihen-Titel nach auch Inspiration durch starke Vorbilder: Im Giesinger Bahnhof inspiriert die 1944 in Dachau als Spionin hingerichtete Sufi-Adlige, Musikerin, Autorin, Kinderpsychologin und Krankenschwester Noor Inayant Khan zu einem Abend mit Hörspiel, Musik, Lesung, Film, Tanz und mehr (8. März).

We Won't Shut Up Festival

Die in Berlin lebende russischstämmige Israelin Mary Ocher singt in der Milla. (Foto: Pietro Ponteri)

Wer könnte Frauen stärker machen als starke Frauen? Eine wahre Wonderwoman ist die Doktorin Reyhan Sahin, vielen besser bekannt als Lady Bitch Ray. Schon ihre Promotion zum Thema "Die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs" erregte 2013 Aufsehen und erhielt den Deutschen Studienpreis. Derzeit forscht sie an den Zusammenhängen von - unter anderem - Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Intersektionalität und Gender. Alles Themen, die sie auch als Rapperin, Buchautorin, Performance-Künstlerin, Modedesignerin, Journalistin und Bildungsreferentin behandelt - teils in wissenschaftlicher, teils in derber, gar vulgärer Straßen-Sprache. Und auch, wenn sie zum Auftakt des "We Won't Shut Up"-Festivals unter dem Motto "Yalla, yalla, Habibi" - also etwa "Auf geht's, Bruder!" - mit Suzan Suzan Çakar spricht (7. März, Habibi Kiosk).

"Yalla, yalla, Habibi" ruft Lady Bitch Ray im Habibi Kiosk der Kammerspiele. (Foto: Carlos Fernandez Laser)

Die als Kind nach Deutschland geflüchtete Kurdin Çakar ist Teil des Kollektivs "We Won't Shut Up Munich" und Gastgeberin der "Auf einen Mokka mit"-Talk-Reihe. In der trifft sie sich auch mit der "Gemeinsam gegen Rechts"-Demo-Mitorganisatorin Maren Mitterer im Bellevue di Monaco (8. März).

Maren Mitterer von Fridays For Future sprach auf der großen Demo "Gemeinsam gegen Rechts". (Foto: Maren Mitterer)

Seit 2020 ist "We Won't Shut Up" eine starke Säule beim Münchner Weltfrauentag. Man will nicht den Mund halten - so soll das Festival "Frauen aus unterschiedlichen (Fach-)Bereichen eine Stimme geben", und Künstlerinnen und Musikerinnen Bühnen. Inzwischen erstreckt sich das stark besetzte Programm über vier Tage und fünf Orte. In der Glockenbachwerkstatt, der Festival-Zentrale mit Infoständen und Henna-Tattoo-Tisch der Künstlerin Hudda, beschallen die DJs Caramela und Santitali den Bolzplatz mit Reggaeton, die kurdische Hamburgerin Heja Netirk singt und erzählt unter dem Titel "Kine em? Wer sind wir?"; die neue All-Star-Szene-Culture-Clash-Band Sinem und die All-female-Punkband fab geben Konzerte.

Die All-Female-Punkband fab. (Foto: Fab)

Höhepunkt der Feiern in der Milla ist ein Konzert von Mary Ocher, die sich selbst "progressive, kosmopolitische und feministische Bohemienne" nennt. Die russischstämmige Israelin lebt in Berlin, tourte aber mit ihrem experimentellen Polit-Pop zuletzt durch 40 Länder. Ihr aktuelles Album "Approaching Singularity: Music for The End Of Time" hat sie mit einem Essay über Autoritarismus, Technologie und die anstehenden Veränderungen für die Menschheit angereichert (8. März).

Die Ikone Frida Kahlo, wie sie der Graffiti-Künstler Inox Ink porträtiert hat. (Foto: Inox Ink)

Im Bellevue di Monaco rüstet man Mitstreiterinnen am 9. März in Diskussionen (etwa über Care-Arbeit), Vorträgen über den weiblichen Zyklus oder Männerbünde ("Detox Maskulinity") und Workshops für Brust-Abtastung, Graffiti oder Selbstverteidigung für den vielschichtigen Kampf.

Im Film "Smoke Sauna Sisterhood" tauschen sich Finninnen beim Saunieren aus. (Foto: We Won'T Shut Up)

Das Werkstattkino zeigt im Rahmen des Festivals einige feministische Filme: "As I Open My Eyes", das Porträt einer 18-jährigen, gegen männliche Strukturen anrennenden Tunesierin (9. März, 18.30 Uhr); "Außer Männern hatten wir nichts zu verlieren", in dem zwei junge Film-Studentinnen dem radikalen Feminismus früherer Generationen, etwa im ersten Frauenbuchladen Münchens, nachforschen (10. März, 16.30 Uhr, mit interaktiver Diskussion); und den beim Sundance Festival ausgezeichneten "Smoke Sauna Sisterhood": ein menschlicher, wahrlich enthüllender Film, in dem sich saunierende Finninnen ihre innersten Leiden offenbaren (10. März, 19 Uhr).

Lesungen

Anlässlich des 80. Geburtstags von Jil Sander gibt es die erste Biografie über die Modeschöpferin. (Foto: Boris Roessler/dpa)

"Bemerkenswerte Frauen" stellt die Münchner Stadtbibliothek in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltungen zum Weltfrauentag. Zum Beispiel Jil Sander. Marie Wiesner liest aus ihrer Biografie über die öffentlichkeitsscheue, wohl bedeutendste Modeschöpferin aus Deutschland (7. März, 19.30 Uhr, Filiale Allach-Untermenzing).

In ihrem Buch "Schwestern" beschäftigt sich Julia Korbik mit dem Begriff der "Schwesternschaft". Der klinge vielen "esoterisch", nach Frauen, die händchenhaltend im Kreis tanzen. Für Korbik besitzt Schwesterschaft aber als feministisches Konzept noch heute Kraft - darüber spricht die Journalistin in der Juristischen Bibliothek im Rathaus (7. März, 19.30 Uhr).

"Schau mal Frau - Denkwürdige Frauen" heißt eine Ausstellung in der Stadtbibliothek Riem (noch bis 9. März). Zur Finissage am 8. März, 18 Uhr, stellt die Historikerin Adelheid Schmidt-Thomé einige weibliche Lebenswege mit Bezug zu München vor.

In der Mohr-Villa soll die Leseperformance "Liebesgeschichten.Mut" Heldinnen, Künstlerinnen und Alltagskönnerinnen aus drei Jahrhunderten zeigen, die "Liebe und Kraft im Herzen haben" und mutig ihren Weg gehen: zum Beispiel Caroline Schulz, die im 18. Jahrhundert ihren Verlobten aus einer Festung befreite und einen ersten literarischen Salon gründete. Oder die Berliner Schauspielerin Gisela Rox, die ein Seminarhaus in Indien gründete und "zur hinduistischen Liebeslegende" wurde (8. März, 19.30 Uhr).

Theater, Club und mehr

"Wie Frauen den Krieg bedrohen" zeigen Moses Leo, Jelena Kuljic, Maren Solty, Leoni Schulz, Stefan Merki und Joyce Sanhá im Stück "Anti War Women" in den Kammerspielen. (Foto: Julian Baumann)

Die Kammerspiele zeigen am Weltfrauentag im Rahmen der Reihe " Female Peace Palace" Jessica Glauses Stück "Anti War Women - Wie Frauen den Krieg bedrohen" mit Musik von Eva "Gustav" Jantschitsch. Vor dem Stück spricht ein Mann: Dominik Krause, Zweiter Bürgermeister Münchens, der nun die Schirmpatenschaft über das Projekt "#FemaleHeritage" übernimmt. Darin will die Monacensia "Lücken im kulturellen Gedächtnis der Stadt" schließen, indem sie etwa weibliche Nachlässe von Autorinnen erschließt. "Dass das weibliche Kulturerbe noch lange nicht gleichberechtigt gewürdigt wird, ist bereits auf den ersten Blick an den Münchner Straßennamen zu sehen", sagt Krause.

Zudem gibt es eine 30-minütige performative Intervention im Foyer der Kammerspiele. Die soll Mary Church Terrells Stimme noch einmal Gehör verschaffen. Die afroamerikanische Frauen- und Bürgerrechtlerin war die einzige schwarze Teilnehmerin an der Internationalen Frauenkonferenz 1904 in Berlin und dem zweiten Frauenfriedenskongress 1919 in Zürich. Sie sagte: "Dauernder Friede ist eine Unmöglichkeit, solange wir dem Unterschied und der Ungerechtigkeit unterworfen sind, nur weil wir schwarz sind."

Die "unsichtbaren Stimmen der Komponistinnen" soll ein Konzert im Instituto Cervantes zum Klingen bringen. Die Sopranistin Eugenia Boix, die Cellistin Teresa Valente und die Pianistin Susana García de Salazar spielen Stücke von Carricaburu y Roger, Chacón, Zubeldia und Bringuet-Idiartborde. Die vier Komponistinnen mussten ihre Werke im 19. Jahrhundert "über die private oder halböffentliche Sphäre hinaus" gegen die Männerdominanz der Musikwelt durchsetzen (mit der auch heutige Musikerinnen noch zu kämpfen haben).

Das ist auch das Thema bei "Life on Proxima 8", einem Club-Abend, der am Weltfrauentag in der Kranhalle des Feierwerks Premiere hat: Die elektronische Musikszene ist derzeit noch ziemlich fest in Männerhand. Die neue Tanzveranstaltung soll ein "Safe Space" sein, wo sich Flinta-Künstler und -Besucherinnen sicher und wohl fühlen. Die "außerirdische Technoveranstaltung" beginnt um 21 Uhr mit einer Vernissage. Gezeigt wird Videokunst von Almaravision, eine Rauminstallation der Kunstgruppe FKK und eine "Alien-Tanzperformance". Haup-Act des Abends ist Anna Reusch, als weibliche DJ ein Vorbild für viele in der Szene.

Die Europäische Janusz Korczak Akademie lädt zu einem interreligiösen Treffen mit Brotzeit zum Weltfrauentag: Es geht um die Bedeutung von Brot aus jüdischer, christlicher und muslimischer Sicht. Außer kulturellen, historischen und politischen Fragen dazu soll auch beantwortet werden "warum Brot allein nicht ausreicht: Wir wollen auch Rosen!" (7. März, 18 Uhr, Blumenstraße 29; Anmeldung: www.ejka.org).

Auf der grünen Gemeinschafts-Oase "Mehr Platz zum Leben" in Untergiesing (hinter dem Hexenhaus "Gans woanders") machen Bürgerinnen ein buntes Programm zum Weltfrauentag: Rikki Reinwein weiht ihre interaktive, analoge Installation "365" ein. Der Frauenschuhverlag stellt seine Bücher wie "Musengeküsst" in Lesungen vor und lädt zum "Schuhrakel-"Kartenziehen. Es gibt ein Kennenlernen für Mütter, eine Kakao-Zeremonie in der Frauenjurte und ein Harfenkonzert von Uschi Laar (8. März, ab 16 Uhr).

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