Typisch deutsch:W-Wort ohne www

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Die Erde eiert - und das hat auch mit den Menschen zu tun. (Foto: Ute Grabowsky/imago images)

Kinder sprudeln nur so vor Wissensdurst: Warum ist Wasser wässrig? Warum sind Pflanzen grün? Manche Antwort stünde wohl im Internet - unsere Autorin verwendet jedoch andere Mittel.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Ich habe einen vier Jahre alten Menschen daheim, der sein Dasein ganz offenbar zunehmend darin erkennt, mich mit Fragen zu bombardieren. Meine Tochter Taliah sprudelt nur so vor Wissensdurst, sie befindet sich in der W-Wort-Phase: Warum ist Wasser so wässrig? Warum bellt ein Hund und spricht nicht? Warum haben Pflanzen eine grüne Farbe?

Das Problem ist: So trivial diese Fragen zunächst klingen, es ist gar nicht so leicht, sie so zu beantworten, dass nicht sofort wie aus der Pistole geschossen die Folgefrage kommt. Ein Beispiel: Mama, war ich vor meiner Geburt in deinem Bauch? Ja, Schatz. Stille für fünf Sekunden. Ich frage mich indes, wo das nun wohl hinführt. Und natürlich hakte Taliah nach - und zwar gleich doppelt: Wie hast du mich überhaupt verschluckt? Und dann noch das: Kannst du dann auch noch eine Schwester für mich verschlucken?

An einem normalen Tag versuche ich, all diese Fragen zu beantworten. Ich versuche immer, geduldig zu bleiben. Und doch hat mich diese Lebensphase meiner lieben Taliah tatsächlich recht unvorbereitet getroffen. In meiner ugandischen Kultur wurde uns Kindern deutlich gemacht, worin Erwachsene eine Respektlosigkeit sehen. Zum Beispiel, ihnen in die Augen zu schauen, sie in einer Diskussion herauszufordern oder eben - Todsünde - Erwachsenen viele Fragen zu stellen. Im besten Fall wurde man getadelt, in den meisten Fällen angeschrien. Klassische Antworten habe ich selten bekommen. Was zu dem Problem führt, dass man sehr schnell aufhört, anderen seine Fragen zu stellen. Dabei nagen sie doch an einem.

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Erst jetzt begreife ich, was mir einst entgangen ist. Kinder sind wissbegierig. Sie haben eine erstaunliche Vorstellungskraft. Taliahs Gehirn kommt mir vor wie ein Schwamm, der Informationen aufsaugt. Ich täte ihr sicher keinen Gefallen, ihre Fragen zu ignorieren.

Also habe ich mich entschieden, mich den Fragen meiner Tochter bestmöglich zu stellen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es durchaus ergiebig ist, die Frage auf Taliah zurückzulenken. Was glaubst du, würde der sprechende Hund dir denn erzählen? Was würdest du sonst trinken, wenn das Wasser hart wie Stein wäre? Vielleicht sind Pflanzen ja grün, weil Wasser eben nicht hart wie Stein ist?

Diese Debatten haben geholfen, sie in die Zone des Nachdenkens und kritischen Denkens zu lassen. Zudem erhalte ich immer wieder lustige Antworten und einen Einblick in das, was im Kopf dieses Kindes vor sich geht. Beneidenswert.

Denn mal ehrlich: Erwachsene, zum Beispiel Eltern, stellen ja sehr oft eher störende - weil immer die gleichen - Fragen. Zähne geputzt? Hausaufgaben gemacht? Bewerbung abgeschickt? Eventuell ist die Tatsache, dass Kinder so viele unerwartete Fragen stellen, ein Hinweis darauf, dass sie neugierig die Welt um sich herum beobachten. Niemand, nicht einmal die Eltern, haben Antworten auf alles. Mein Tipp ist dennoch, keinesfalls Smartphone und Google zu bemühen, wann immer ein Kind "Warum" sagt. W-Wort ohne www. Es lohnt sich, eigene kreative Wege durch die W-Wort-Phase zu finden. Und manchmal gilt auch so ein Satz: Wie ich dich damals verschluckt habe? Das erfährst du ein andermal.

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