Typisch deutsch:Wo sind all die Afro-Puppen?

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Puppen in einem Schaufenster (Symbolfoto). (Foto: Rudi Gigler/Imago)

Die Suche danach in Münchner Geschäften ist sehr frustrierend. Warum gehören schwarze Spielgefährten nicht zum Sortiment?

Kolumne von Lillian Ikulumet

Als Taliah zum ersten Mal Afrika besuchte, bekam sie von meinen Verwandten eine Afro-Puppe geschenkt. Doch sie hatte Mühe, dieses Geschenk anzunehmen. Als sie die Puppe in die Hand gedrückt bekam, schrie sie und warf sie weg.

Noch nie in ihrem bald fünf Jahre dauernden Leben hatte meine Tochter eine schwarze Puppe gesehen. Nun, in Uganda, kam dieser Moment. Sie hatte zunächst Angst vor der Gestalt, war verunsichert. Die Puppe lag jetzt auf dem Boden. Taliah beobachtete sie einige Minuten lang scheu aus den Augenwinkeln, ehe sie die Puppe wieder aufhob. Nun schaute sie sich die Gestalt genau an, berührte ihr Haar und ihre braunen Augen.

Kurz darauf holte sie ihre alte weiße Puppe hervor, hielt die beiden Figuren nebeneinander und verglich sie. Die weiße, meinte sie, sehe aus wie Elsa aus dem Film "Die Eiskönigin". Die andere sehe aus wie Taliah. Langsam lernte sie ihre Afropuppe kennen. Nach ein paar Tagen bat sie mich, ihre eigenen Haare so zu flechten, damit sie der Frisur ihrer Afro-Puppe gleichen. Sie nannte die Puppe Hanah.

Hanah wurde für die Zeit, in der wir in Uganda waren, wie eine Freundin. Sie trug sie fast überall hin, spielte mit ihr und nahm sie mit ins Bett. Dann rückte der Tag unserer Rückkehr näher - und es passierte. Im Flugzeug sitzend, kurz vor dem Abflug, stellten wir fest, dass Hanah fehlte. Wir hatten sie vergessen. Ich tröstete meine Tochter und versprach, dass ich ihr in Deutschland eine zweite Hanah kaufen würde, genau wie die, die wir zurückgelassen hatten.

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Mit derartigen Versprechen sollte man vorsichtig sein. Denn unser erster Ausflug zu den großen Spielwarenläden Münchens verlief alles andere als erfolgreich. Es stellte sich heraus, dass Afro-Puppen in den Geschäften der Stadt offenbar nicht zum Sortiment gehören. Wir gingen von Laden zu Laden und Taliah wurde immer frustrierter. Mir ging es ähnlich. Wir kehrten ohne Puppe nach Hause zurück.

Das Internet war unsere einzige Hoffnung. Vom Sofa aus recherchierten wir uns eine Puppe herbei, die der ugandischen Hanah aufs Afrohaar glich - und bestellten sie. Die Frage ist nur, warum eine schwarze Puppe überhaupt als ausgefallenes Teil gelten muss.

Es geht ja bei diesem Erlebnis nicht nur um die Puppe eines kleinen Mädchens. Es ist viel mehr eine Geschichte darüber, dass Puppen über Rassen hinweg eine kulturelle, soziale und praktische Bedeutung haben können. Für Kinder haben Puppen die Bedeutung, die ihre Verwendung als Quelle der Unterhaltung, Freizeit, Bildung und Beteiligung an Rollenspielen beinhaltet, die den Alltag nachahmen. Nicht zu vergessen, die persönliche Verbindung zur Puppe. Eventuell würde etwas mehr Farbauswahl in Münchens Puppen-Spielzeugläden dem Gefüge der Stadt gut tun.

Was mich betrifft, steht diese Puppe für eine ganze Gesellschaft. Etwas Unbekanntes taucht auf, löst erst Furcht aus. Dann nähern sich die Beteiligten an, der, die oder das Unbekannte wächst einem ans Herz - und plötzlich will man es nicht mehr missen. Hanna II. ist inzwischen angekommen - und hat einen festen Platz an Taliahs Seite.

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