Typisch deutsch:Alles verpulvert

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Wie spart man am besten? Unser Autor ließ sich von der Münchner Sparkultur inspirieren. (Foto: Ute Grabowsky/Imago/Photothek)

Unser Autor ist mit einem Talent fürs Geldausgeben ausgestattet. Die arabische Großzügigkeit kann er sich nur schwer abgewöhnen. In München ringt er sich jetzt öfter zur Sparsamkeit durch.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Ich erinnere mich gern an mein erstes Monatsgehalt in Deutschland. Ich ging damit erst mal zum Frisör, kaufte mir ein Smartphone, gönnte mir einen Kaffee beim Bäcker, oder auch mal zwei - und ging nach zwei Wochen gleich nochmal zum Frisör. Nach monatelanger Flucht und Armut seit meiner Ankunft in Deutschland hatte ich ein bisschen Normalität zurück.

"Gib aus, was du in der Tasche hast, und was im Verborgenen ist, wird zu Dir kommen." So lautet ein populärer Aphorismus in Syrien. Oft habe ich ihn wiederholt. Wie viele meiner Landsleute habe ich mich daran orientiert, lange hatte dieser Satz für mich und mein Leben Gültigkeit. Der Leitspruch lässt sich mannigfaltig interpretieren. Alles in allem geht es dabei um Großzügigkeit. Die ist in der arabischen Kultur verbreitet. Es zählt zum guten Ton, Besuchern bei sich zuhause große Mengen an Speisen zu servieren, egal ob gewollt oder nicht.

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Wenn ich nun in Deutschland Freunde zum Essen einlade, bekomme ich oft die Rückmeldung, dass ich ihnen sehr viel kredenze. Genauer gesagt ist es den meisten Gästen zu viel, eventuell sogar viel zu viel. Eines Tages habe ich mich dann aus Neugierde mal bei einem meiner Gäste erkundigt. Warum werde immer erwähnt, dass bei mir mehr auf dem Tisch steht, als vertilgt wird? Ist doch besser als anders herum, oder?

Hinter vorgehaltener Hand erfährt man dann, dass das alles ja auch Geld koste. Wobei der Begriff "Geld" von eingeborenen Oberbayern eher gemieden wird. Darüber spricht man nicht, heißt es, eventuell haben sich die Deutschen deswegen so viele tolle Synonyme überlegt: Kohle, Kies, Knete, Kröten, Schotter, Mäuse, Pulver. Oder eben verpulvern.

Wie übersetzt man verpulvern ins Arabische? In Syrien sprechen wir offen darüber, wie viel Geld wir verdienen und wie viel wir ausgeben. Es gäbe ja auch nichts zu verheimlichen. Was rein kommt, geht wieder raus. Meine Mutter kritisierte mich immer, weil ich großzügig war, eventuell auch zu mir selbst. Du hast ein großes Loch in deiner Tasche, sagte sie. Und: Versteck deine weißen Groschen für den schwarzen Tag.

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Meine Mutter könnte Deutsche sein, zumindest was die Finanzen angeht. Sie sammelte einst Goldarmbänder, verkaufte sie und gab mir das Geld, damit ich mein Journalismus-Studium finanzieren konnte. Sie beherrschte die Kunst der Sparsamkeit schon, da wusste ich noch nicht mal, dass es das gibt.

Nun, es sollten andere Zeiten kommen. Der Krieg in Syrien, die Flucht, das neue Leben in München mit all seinen Bräuchen. Einer davon: Das traditionelle Geldbeutelwaschen im Fischbrunnen. Am Aschermittwoch kommen die Menschen am Marienplatz zusammen, um ihre Portemonnaies ins Wasser zu halten. Es ist nur ein Symbol, aber spätestens seit Putins Krieg ist Sparsamkeit eines der großen Themen dieser Zeit. Die Preise sind stark gestiegen - vor allem bei Lebensmitteln, Strom und Gas. Wir alle müssen sparen, auch ich, da kann ich noch so von Leitsätzen geprägt sein.

Aber wie spart man eigentlich? Klar, man kann Münzen in ein Sparschwein oder Scheine in den Strumpf unter die berühmte Matratze stecken. Oder die modernere Variante wählen und in einen Fonds investieren. Das ehrliche Sparen, von dem viele Deutsche sprechen, bedeutet aber vor allem: Geld verdienen und nicht wieder ausgeben. Also schuften wie eine Ameise, die im Sommer und Herbst Nadeln sammelt, um sich für den Winter ein warmes Lager zu sichern. Ameisen gehen auch nicht zum Frisör.

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