Gastronomie:Edip Sigl ist Deutschlands neuer Drei-Sterne-Koch

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Edip Sigl freut sich in Hamburg über seinen dritten Stern. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Der deutsch-türkische Chef des "Es:senz" im Chiemgau ist ein Meister der subtil-überraschenden, regionalen Küchenkunst.

Von Franz Kotteder

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 12. Februar 2023, hatte Edip Sigl zu einem dieser "Four Hands Dinner" geladen, bei dem zwei Küchenchefs gemeinsam ein Menü kochen. Sein Duo-Partner an diesem Abend war Christian Jürgens, damals noch Drei-Sterne-Koch am Tegernsee. Die Begegnung fand statt in Sigls Restaurant Es:senz, für das Sigl mit seinem Team in kürzester Zeit zwei Sterne im Michelin erreicht hatte. Seit Dienstag sind es nun sogar drei: Bei der Michelin-Gala in Hamburg bekam er die begehrteste Auszeichnung, die Spitzenköche erreichen können.

Das Dinner vor einem Jahr war die Begegnung zweier sehr unterschiedlicher Charaktere. Der impulsive Showman Jürgens auf der einen Seite, dessen Teller gerne mal nach dem Prinzip "Menschen, Tiere, Sensationen" aufgebaut sind. Auf der anderen Seite der stille, bescheiden wirkende Sigl, dessen Gerichte von einer tief durchdachten Präzision geprägt sind. Überraschende Wendungen liebt er zwar auch, wie so viele Spitzenköche. Es gibt von ihm etwa die "Chiemsee Kiesel", die tatsächlich aussehen wie Steine, in Wahrheit aber eine gallertartige, innen flüssige Sphäre aus Räucherfisch und feinstem Essig sind. Man konnte das verstehen als Anspielung auf Jürgens' "Gefüllte Kieselsteine" aus Kartoffelteig, ein berühmtes Gericht von ihm. Ähnlich also, aber doch ganz anders: noch raffinierter.

Der 1985 in Köln geborene Sigl begann seine Lehre 2002 im Golfrestaurant Gut Lärchenhof (ein Michelin-Stern). Er arbeitete dann bei Heinz Winkler in Aschau im Chiemgau und war vier Jahre beim Drei-Sterne-Koch Juan Amador - einer der wenigen deutschen Köche, die sich intensiv mit der Molekularküche beschäftigten. 2012 ging er ein Jahr lang auf Weltreise, bei der er "unzählige Einblicke in kulinarische Ausrichtungen aller Art" erhielt, wie er sagt. Er heuerte dann im kleinen Münchner Sternerestaurant Les Deux an, für das er 2020 schon einmal zwei Sterne holte.

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Danach, sagt er, wollte er sich neu orientieren. 2016 hatte er seine Frau Melanie Sigl geheiratet und ihren Namen angenommen. Der ist wesentlich leichter zu buchstabieren als sein türkischer Geburtsname, und außerdem wollte er dokumentieren, "dass ich in Bayern angekommen bin". Als er im Les Deux kündigte, war seine zweite Tochter unterwegs, die junge Familie hatte sich im Chiemgau ein Eigenheim gekauft.

Der Rest klingt fast wie ein Märchen. Er lernte im Chiemgau Dieter Müller kennen, den Gründer und Inhaber der Budget-Design-Hotelgruppe Motel One, die mehr als 90 Häuser umfasst. Müller und seine Frau Ursula Schelle-Müller besitzen aber auch das Golfresort Achental in Grassau. Das ist im äußerst luxuriösen Jodelstil gehalten und hat sechs Restaurants. Für das anspruchsvollste davon waren sie Ende 2020 auf der Suche nach einem Küchenchef.

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So kamen die Müllers und Sigl zusammen. Erst so nach und nach, erzählte Müller einmal, hätten sie begriffen, dass im Achental mehr drin war als nur ein gutes Restaurant. Es wurde nun geradezu auf Edip Sigl maßgeschneidert und wegen seiner Initialen Es:senz genannt. Sigl richtete seinen Küchenstil jetzt rigoros regional aus, die Gäste erwarte "keine Vielzahl an verschiedenen Komponenten, sondern ein deutlich erkennbarer Star auf dem Teller".

Das Konzept ist perfekt aufgegangen. Nun ist Sigl einer von lediglich zehn deutschen Drei-Sterne-Köchen. "Das macht mich schon stolz", sagt er am Telefon, "in Grassau so eine Nadel in die kulinarische Landkarte zu setzen." Auf der Bühne in Hamburg war ihm anzusehen, dass er sein Glück kaum fassen konnte. Christian Jürgens, der im Vorjahr noch eine Art Co-Moderator der Gala gewesen war, fehlte an diesem Abend und wurde mit keinem Wort erwähnt. Seine Sterne ist er ebenso los wie seinen Job, seit im vergangenen Jahr gegen ihn Vorwürfe wegen unangemessenen Verhaltens gegenüber Untergebenen erhoben worden waren.

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