"Ska-P"-Konzert am Tollwood:Schon wieder eine Bühne für Antisemitismus?

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Sänger "Pulpul", kostümiert als Polizist, bei einem Auftritt 2009 in Nyon, Schweiz (Foto: Laurent Gillieron/dpa)

Kritiker halten den Song "Intifada" der spanischen Band für antisemitisch - die Staatsanwaltschaft kann erst eingreifen, wenn die Musiker ihn singen. Und eine Tollwood-Sprecherin sagt: Man könne nur bitten, nicht verbieten.

Von Martin Bernstein

Noch ist unklar, ob der Song am Samstag überhaupt zu hören sein wird. Doch der Titel "Intifada" der spanischen Ska-Punk-Band Ska-P (sprich: Eskape) beschäftigt die Tollwood-Verantwortlichen, das Kreisverwaltungsreferat (KVR) und wohl auch die Staatsanwaltschaft. Der Text ist nach Überzeugung mehrerer Gruppen, darunter der Verband jüdischer Studenten, antisemitisch - die Band selbst, die im linken Lager verortet ist, bezeichnet sich als "antizionistisch".

Es geht um Zeilen, die als Relativierung der Shoah gelesen werden können - und als Anklage gegen das Judentum: "Sechs Millionen Juden wurden grausam vernichtet, ein imperialistischer Massenmord, von faschistischen Armeen ausgeführt. Lasst uns aus der Geschichte lernen. Die Opfer sind zu Henkern geworden, alles hat sich verkehrt (...) Tote, Tote, in wessen Namen? Tote, Tote, Jahwe", heißt es auf Spanisch in dem Lied. Ist das Volksverhetzung?

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In der Staatsschutzabteilung der Münchner Staatsanwaltschaft hält man sich bedeckt. Man sei "zur rechtlichen Einordnung hypothetischer Sachverhalte nicht berufen und zur rechtlichen Beratung nicht befugt". Aber man werde die weitere Entwicklung verfolgen. Die weitere Entwicklung - also ob der Punk am Samstag auf dem Tollwood-Festival tatsächlich abgeht, mit dem fraglichen Song.

Der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, hat in der Jüdischen Allgemeinen in diesem Fall eine Strafanzeige angekündigt. Bei Volksverhetzung wäre das aber gar nicht nötig, stellt die Staatsanwaltschaft klar: Bei ausreichenden Anhaltspunkten dafür sei sie sowieso verpflichtet, einzuschreiten.

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In einem Instagram-Post wehren sich die Bandmitglieder gegen die Kritik. Sie sprechen von "einigen bösen Zungen in Deutschland" und warnen: "Vorsicht vor Lügen und Manipulationen, die jetzt an der Tagesordnung stehen." Keine Rede ist davon, den umstrittenen Song am Samstag nicht zu spielen.

Genau darauf hoffen die Tollwood-Veranstalter aber immer noch. Die Gespräche mit der Band seien nicht abgeschlossen, hieß es am Mittwoch. Ska-P habe sich klar vom Antisemitismus distanziert und fordere eine "differenzierte Betrachtung" des Songs. Ob die Festival-Leitung am Samstag die eigene Distanzierung öffentlich zum Ausdruck bringen wird, ließ eine Tollwood-Sprecherin offen.

Das KVR hatte schon im März gewarnt

Im Vertrag mit der Band hat das Tollwood jedenfalls die Aufführung des Liedes nicht ausgeschlossen. "Verbieten" könne man den Song nicht, so die Sprecherin, er stehe ja nicht auf dem Index. Das KVR wiederum schreibt, ein behördlicher Eingriff in Kunst- und Meinungsfreiheit sei nur gerechtfertigt, wenn Straftaten zu befürchten sind. "Dies ist nach rechtlicher Prüfung des KVR nicht der Fall." Man habe jedoch bereits im März die Tollwood-Verantwortlichen aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Lied "Intifada" nicht gespielt werde.

Am Abend hat das Linke Bündnis gegen Antisemitismus auf weitere problematische Inhalte im Werk von Ska-P hingewiesen, beide aus dem Jahr 1996: Eine Marionettenspieler-Karikatur zierte in der Bildsprache antisemitischer Nazi-Hetze ein Plattencover, in einem Song wurden Tierversuche mit dem Holocaust gleichgesetzt.

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