Was läuft in der Literaturszene:Lesen, wie Crashs ausgehen

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Stellt seinen viel gelobten Roman "Der Stich der Biene" im Literaturhaus vor: Paul Murray. (Foto: Chris Maddaloni)

Mit Paul Murray von irischen Autohändlern in der Finanzkrise erfahren, mit Büchern in die Niederlande, die Ukraine oder nach Kanada schweifen - welche Lesungen bis Ende März in die Nähe und Ferne blicken.

Von Antje Weber

Autos zu verkaufen, ist auch eine Kunst. Beziehungen müsse man aufbauen, davon ist der Autohändler Dickie überzeugt, das Vertrauen der Kunden erwerben. Warum nur lässt sich jetzt trotzdem kein Käufer mehr in seinem Autohaus blicken?

"Es hatte einen Crash gegeben", schreibt der irische Schriftsteller Paul Murray in seinem Roman "Der Stich der Biene" als Erklärung. "Das war das Wort, das sie in den Nachrichten benutzten", heißt es in der Übersetzung von Wolfgang Müller für den Antje Kunstmann Verlag weiter. "Es ließ Cass an etwas Plötzliches, Explosives denken, an ein Auto, das gegen eine Wand krachte. Aber dieser Crash war ein langsamer, einer, der schon seit Jahren an dauerte, ohne jede Explosion. Es war rein gar nichts passiert, das man hätte sehen können. Aber irgendwie gab es wegen dieses Crashs kein Geld mehr. Sogar den Banken war es ausgegangen."

Murray beschreibt in seinem 700 Seiten dicken Roman, der von der New York Times bis zur BBC zu den besten Büchern 2023 gezählt wurde, die Finanzkrise - und am Beispiel des Autohändlers Dickie und seiner Familie den Niedergang einer ganzen Gesellschaft. Am 20. März stellt Murray sein Werk im Literaturhaus vor. Es ist nur ein Beispiel für Bücher und Lesungen, die in die Ferne führen und dabei sehr viel mit uns zu tun haben.

Wer internationale Stimmen hören will, hat bis Ende März einige Gelegenheit dazu: Im Literaturhaus stellen die Übersetzerinnen Christiane Burkhardt und Janine Malz im Vorfeld der Leipziger Buchmesse die Autorinnen Fen Verstappen und Wytske Versteeg aus den Niederlanden vor (14. März), der indigene Schriftsteller Michel Jean reist aus Kanada an (19. März), in der Buchhandlung Lehmkuhl stellt der Übersetzer Maximilian Murmann den Zeichner Veiko Tammjärv und den Autor Tauno Vahter aus Estland vor (20. März). Die Illustratorin Nora Krug wiederum hat sich in einer Graphic Novel der Ukraine genähert: " Im Krieg. Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und Sankt Petersburg" heißt der Band, den sie am 25. März im Literaturhaus vorstellt.

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Den Stimmen Geflüchteter widmet sich ein anderer besonderer Abend: "Das Schimmern der See - ich will doch nur frei sein" ist der Titel der "Doppel-Lesung mit drei Stimmen", die am 20. März in der Stadtbibliothek im HP8 stattfindet. Der Fotograf und Zeichner Adrian Pourviseh, Crew-Mitglied auf dem Rettungsschiff Sea-Watch 3, hat das Thema Flucht übers Mittelmeer als Comic verarbeitet, der aus Eritrea geflüchtete heutige Kameramann Filimom Mebrhatom in einem Erfahrungsbericht; Moderator ist Diko Derderian, der 2015 aus Syrien floh. In Gedichten und Liedern verarbeitet dagegen die iranische Künstlerin Sanaz Zaresani die bereits vielen Jahre ihres Exils, zu hören am 15. März im Theater im Fraunhofer.

Doch es gibt auch Abende, die weniger räumlich, sondern vielmehr zeitlich ausschweifen: Für den 19. März hat die Bayerische Akademie der Schönen Künste einen Gedenkabend für den im vergangenen Jahr verstorbenen Schriftsteller Martin Walser angesetzt. Und in der Isarphilharmonie erinnert Lars Eidinger am 15. März mit Liebesgedichten an den Schriftsteller Thomas Brasch (1945-2001).

Sicherlich wird der Schauspieler auch Braschs wohl bekanntestes, vielleicht schönstes Gedicht vortragen: "Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber/ wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber / die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber / die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber / wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber / wo ich sterbe, da will ich nicht hin: / Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin." Auch diese Zeilen, so lässt sich deuten, beschreiben einen langsamen Crash.

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