Connollystraße:Israelfeindliche Parole in Sichtweite des Anschlagsorts von 1972 übersprüht

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Der israelfeindliche Schriftzug auf einem Bungalow des Studentenwerks im Olympischen Dorf fiel offenbar monatelang niemandem auf - nun wurde er übersprüht. (Foto: Catherina Hess)

Ein verbotener Hamas-Slogan prangt monatelang unbeanstandet auf einem Bungalow des Münchner Studierendenwerks im Olympiadorf - mittlerweile ist er nicht mehr zu lesen. Generalstaatsanwaltschaft und Staatsschutz ermitteln.

Von Martin Bernstein

Eine Hamas-Parole, die als Aufruf zur Auslöschung Israels gelesen werden kann, war offenbar seit Monaten auf einem Bungalow des Studierendenwerks im Olympischen Dorf in München zu lesen. Mittlerweile ist sie entfernt worden: Mitarbeiter des Studierendenwerks übersprühten den arabischen Schriftzug zunächst provisorisch, wie ein Pressesprecher am Freitag mitteilte. In der nächsten Woche soll die Fassade dann professionell übermalt werden.

Seit November ist der Spruch "From the River to the Sea..." verboten, ihn zu zeigen oder zu skandieren kann eine Straftat sein. Im Fall der arabischen Wandmalerei im Olympiadorf ermitteln die Münchner Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsschutz der Polizei. Der neue Bewohner des Bungalows und ein Passant hatten Alarm geschlagen.

Besondere Brisanz hat die öffentlich zur Schau gestellte antiisraelische Hetze, weil der Bungalow in der Connollystraße steht - nur wenige Gehminuten entfernt vom Ort des Anschlags auf israelische Sportler durch ein palästinensisches Terrorkommando im Jahr 1972. Auch die Gedenkstätte an die Bluttat während der Olympischen Spiele ist in Sichtweite.

Auf einer Erinnerungstafel an der Connollystraße liegen Steine als Zeichen der Trauer um die Ermordeten. Darunter verwelkte Blumen, eine Kerze. Und nur dreihundert Meter weiter eine arabische Parole über die gesamte Breite eines Studentenbungalows, die ein "freies Palästina" vom Jordan bis zum Mittelmeer fordert, also eines, das keinen Platz für den jüdischen Staat Israel lässt. Die Farbe ist noch nicht verblasst. Weitere Inschriften deuten darauf hin, dass ein ehemaliger Mieter für den Schriftzug verantwortlich war. Sein Auszug liegt aber schon zehn Monate zurück.

Als die Parole auf das Haus geschrieben wurde, war sie noch nicht strafbar. Sie fiel auch niemandem auf, als die Hamas-Terroristen im Oktober über israelische Zivilisten herfielen, als danach die Hamas und ihre Kennzeichen in Deutschland offiziell verboten wurden, als immer häufiger jüdische Studierende auch in München von Anfeindungen und mangelnder Solidarität berichteten. Was die arabische Inschrift so nah an einem ehemaligen Anschlagsort und mitten in einem studentischen Quartier bedeuten sollte, interessierte offenbar niemanden.

Bis vor zwei Wochen ein neuer Bewohner in den Bungalow einzog. Danach wurde das Studierendenwerk aktiv, ein Maler wurde beauftragt, der Schriftzug sollte am Donnerstag entfernt werden. Die CSU-Ortsvorsitzende Tina Pickert schaute sich den Schriftzug am Morgen an und wunderte sich: "Das Studentenwerk hat den Auftrag, eigentlich zu überprüfen, was auf ihren vermieteten Apartments steht - sie dürfen das nicht einfach so laufen zu lassen!"

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"Wir haben zahlreiche Studierende unterschiedlichster Herkunft, auch aus dem arabischen Raum, die orientalische Darstellungen und Schriftzüge künstlerisch einsetzen", sagt Christopher Klein vom Studierendenwerk. "Daher ging offenbar niemand von einem antisemitischen Inhalt aus." Die Bewohner dürfen ihre Bungalows selbst bemalen, die Farben werden gestellt. Selbstverständlich seien rassistische, antisemitische oder verfassungsfeindliche Inhalte verboten. Menschen- oder verfassungsfeindliche Motive seien bislang so gut wie nie aufgetaucht. "Vielmehr transportieren viele Bemalungen Motive für mehr Integration, Diversität und Menschenfreundlichkeit", versichert Klein. Er verspricht: "Den aktuellen Fall werden wir zum Anlass nehmen, die Richtlinien noch zu verschärfen." Aufschriften sollen künftig nur noch auf Deutsch oder Englisch zulässig sein.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern war vor wenigen Tagen von einem Passanten auf die Parole aufmerksam gemacht. Sie veröffentlichte in den sozialen Netzwerken ein Kurzvideo, in dem auf die besondere Bedeutung des Gedenkortes Connollystraße hingewiesen wird.

Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Andreas Franck, leitete am vergangenen Freitag ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs ("Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen") ein. Seit dem Verbot der Hamas und des Unterstützer-Netzwerks Samidoun am 2. November behandelt die Generalstaatsanwaltschaft die Parole "From the river to the sea" nach Francks Angaben "als spezifisches Kennzeichen der Terrororganisation Hamas".

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