Arena in Fröttmaning:Zwei Verletzte bei missglückter Protestaktion vor EM-Spiel

Lesezeit: 3 min

Kurz vor dem Anpfiff bringt ein Motorschirmflieger sich selbst und die Fußballfans in der Münchner Arena in Gefahr. Dahinter steckt Greenpeace.

Von Martin Bernstein

Bei einer Protestaktion von Greenpeace unmittelbar vor Anpfiff des EM- Vorrundenspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich in der Münchner Arena sind am Dienstagabend mindestens zwei Menschen verletzt worden. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Die beiden hätten bei der unkontrollierten Landung eines motorisierten Gleitschirmfliegers Kopfverletzungen erlitten und würden in Münchner Kliniken behandelt, hieß es kurz nach 23 Uhr. Eine akute notärztliche Versorgung sei nicht erforderlich gewesen, ergänzte die Polizei später.

Der Flieger, ein 38 Jahre alter Mann aus Baden-Württemberg, wurde von herbeigeilten Ordnern vom Spielfeld abgeführt und von Polizisten festgenommen. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruchs ermittelt. Außerdem wird ein möglicher Verstoß gegen das Luftverkehrsgesetz geprüft. Gegen Mitternacht war der Mann noch in Polizeigewahrsam.

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Wo der 38 Jahre alte Umweltaktivist zu seinem Flug gestartet war, wird von der Polizei noch geprüft. Dass er vom benachbarten, 75 Meter höher gelegenen Fröttmaninger Berg kam, kann die Münchner Polizei ausschließen - vermutlich, weil sie dort selbst Beamte positioniert hatte. Mit Blick auf die kommenden Spiele am Samstag und am Mittwoch kommender Woche in der Arena müsse das Sicherheitskonzept überprüft und eventuell ergänzt werden, hieß es. Ein Polizeisprecher verwies auf die kurze Reaktionszeit in einem derartigen Fall.

Zunächst hatte es in der Live-Reportage im ZDF vom Spiel geheißen, der Gleitschirmflieger sei beim Einschwenken ins Stadion an den Drähten einer Seilkamera hängen geblieben. Ein Sprecher der Firma "Spidercam" hat das am Mittwochmorgen dementiert. Der Greenpeace-Aktivist sei vielmehr in eine der beiden Blitzableiterleitungen geflogen, die quer über das Spielfeld gespannt sind. Der Pilot hatte anschließend einen unkontrollierten Absturz in die mit 14 500 Menschen besetzten Zuschauerränge gerade noch verhindern können.

Auf dem gelben Gleitschirm des Aktivisten war die Parole "Kick out oil!" zu lesen und darunter der Schriftzug der Umweltorganisation Greenpeace. Diese stellte auf Twitter die Aktion, bei der laut Polizei Menschenleben gefährdet wurden, zunächst als Protest gegen EM-Sponsor Volkswagen dar.

Greenpeace-Aktion
:Bruchlandung im EM-Stadion

Ein Greenpeace-Aktivist muss kurz vor Anpfiff des EM-Spiels zwischen Deutschland und Frankreich mit einem Motorschirm mitten im Stadion notlanden. Zwei Menschen werden verletzt - es hagelt Kritik von allen Seiten.

Erst später reichte die Organisation mehrere Tweets nach. "Dieser Protest hatte nie die Absicht das Spiel zu stören oder Menschen zu verletzen", hieß es darin. "Wir hoffen, dass es allen gut geht und niemand ernsthaft verletzt wurde. Greenpeace Aktionen sind immer friedlich und gewaltfrei." Bei der Aktion sei "nicht alles nach Plan gelaufen". In einer weiteren Kurznachricht entschuldigte sich Greenpeace dafür, dass durch die "aufgrund einer technischen Störung erzwungene Notlandung Menschen gefährdet wurden und dadurch offenbar eine Person verletzt wurde".

Nach Darstellung von Greenpeace hätte der Gleitschirmflieger gar nicht im Stadion landen sollen. Eigentlich sei der Plan gewesen, dass der Pilot mit einem großen Latexball über das Stadion schwebt, erklärte ein Sprecher der Organisation am Abend der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Ball hätte dann hinabsinken sollen. Technische Schwierigkeiten hätten den Piloten aber zur Notlandung auf dem Spielfeld gezwungen.

Volkswagen hat die Greenpeace-Aktion inzwischen scharf kritisiert. "Mit der heutigen Protestaktion hat Greenpeace Leib und Leben unbeteiligter Zuschauer und Fans eines Fußballspiels in Gefahr gebracht", hieß es nach dpa-Angaben in einem Statement. Das sei nicht akzeptabel.

"Krass idiotische und unverantwortliche Aktion", twittert ein Grünen-Politiker

Auch der Deutsche Fußball-Bund reagierte auf den missglückten Protest mit deutlicher Kritik: "Diese Aktion verurteilen wir als DFB. Derjenige hat nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet und verletzt. Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar", sagte Verbandssprecher Jens Grittner. "Der Vorgang wird jetzt auch geprüft, bei der Polizei, bei den Behörden hier in München und der Uefa. Aber selbstverständlich verurteilen wir auch das, was da passiert ist. Das hätte wahrscheinlich auch noch weitaus schlimmer ausgehen können", sagte Grittner.

In den sozialen Medien erntete Greenpeace ebenfalls Spott und scharfe Kritik. "Wichtiges Thema, aber krass idiotische und unverantwortliche Aktion", schrieb der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bei Twitter. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte den Piloten in der Bild-Zeitung einen unverantwortlichen Abenteurer, "der seine Flugkünste selbst maßlos überschätzt hat und dadurch Leib und Leben von Zuschauern im Stadion ernsthaft gefährdet hat". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat nun Konsequenzen angekündigt. "Das wird genau behandelt, das sind klare Verstöße", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. "Das ist kein Kavaliersdelikt."

Drohnenflieger festgenommen - kein Zusammenhang zur Protest-Aktion

Wie die Münchner Polizei mitteilte, wurde am Rande des EM-Spiels am Dienstagabend neben dem Umweltaktivisten auch ein Drohnenflieger festgenommen. Der 48 Jahre alte Mann aus Nürnberg habe eine Drohne im Flugbeschränkungsgebiet um das Münchner EM-Stadion gesteuert, einen Zusammenhang mit der Greenpeace-Aktion gebe es nicht. "Die Polizei weist ausdrücklich darauf hin, dass es auch an den kommenden Spieltagen hier ein Flugbeschränkungsgebiet gibt", hieß es in einer Mitteilung.

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