Infektionsschutz an Schulen:Mit Mütze und Schal im Klassenzimmer

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Warm anziehen, heißt es nicht nur im Gymnasium Neubiberg, wo diese Schüler bei weit geöffneten Fenstern lernen. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Empfehlungen zum Lüften stoßen an ihre Grenzen: Mancherorts frieren Schüler und Lehrer, woanders lassen sich Fenster nicht vollständig öffnen. Luftreinigungsgeräte sollen Abhilfe schaffen.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Frische Luft im Klassenzimmer ist nicht erst seit Corona ein Thema. Doch neben ermüdendem Mief, Feuchtigkeit und zu viel Kohlendioxid ist die Frage nach der Virenlast in den Schulen dazugekommen. In den aktuellen Empfehlungen des Umweltbundesamts zur Reduzierung des Infektionsrisikos durch Aerosole an die Kultusminister heißt es: "Um sich vor infektiösen Partikeln zu schützen, sollte pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen." Das bedeutet: Die Lehrer sollen alle 20 Minuten die Fenster weit aufmachen, und zusätzlich am besten auch noch die Tür. Stoßlüften und Querlüften statt nur Kipplüften.

Ob sich das an jeder Schule im Landkreis optimal umsetzen lässt, prüft derzeit das Landratsamt. Die SPD-Kreistagsfraktion hatte eine entsprechende Anfrage gestellt. Klar ist jetzt schon: Wo das nicht funktioniert, sollen Luftreinigungsgeräte mit Filterfunktion eingebaut werden, so empfiehlt es die Kreisverwaltung. Denn in machen älteren Bauten dürfte der Luftaustausch nicht ausreichend sein, manchmal lassen sich die Fenster auch nicht vollständig öffnen.

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Auch eng aufeinander abgestimmte Systeme aus Lüftung und Beheizung könnten ein Problem darstellen, wenn man richtig Durchzug machen möchte. Diese sehen gar nicht vor, die Fenster zu öffnen, weil die Anlage die Luft umwälzt. Und selbst wenn man so lüftet, wie das Umweltamt es gerne hätte: In kühlen Monaten ist das nur eingeschränkt möglich, weiß auch das Landratsamt und gibt zu bedenken: "Gründe hierfür sind das sinkende Wohlbefinden, ein erhöhtes Risiko von Erkältungskrankheiten und ein erhöhter Bedarf an Heizenergie." Derzeit wird in Hygienekonzepten von Schulen empfohlen: "Bitte unbedingt warme Kleidung, Schal und Mütze mitnehmen!"

Bis zur Sitzung des Kreisausschusses am 23. November will das Landratsamt eine Liste der ermittelten Klassenräume vorlegen und empfiehlt jetzt schon deren technische Aufrüstung. Die Kosten soll der Landkreis sowohl bei den kreiseigenen als auch bei den Zweckverbandsschulen tragen. Laut Sitzungsvorlage können die vom Freistaat geförderten Geräte s seit Oktober beschafft werden, obwohl die Details zu den Förderrichtlinien noch nicht veröffentlicht sind. Die Kosten für Geräte, die für größere Räumlichkeiten geeignet sind, werden mit bis zu 4000 Euro angegeben.

Bereits in der Oktobersitzung des Kreisausschusses am kommenden Montag steht die Beschaffung von Raumluftreinigungsgeräten für das Landratsamt auf der Tagesordnung. 250 000 Euro will der Kreis dafür ausgeben, um sie in Bereichen und Räumen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einzusetzen, also wo viele Menschen über längere Zeit anwesend sind, etwa in Besprechungsräumen, Wartebereichen und der Kantine. Bereits jetzt gibt es Testgeräte, außer in der Verwaltung auch in der FOS/BOS in Unterschleißheim. Die Erkenntnisse aus dem Testbetrieb sollen für den Einsatz von Luftreinigungsgeräten in Schulen hilfreich sein.

Achim Lebert, Schulleiter des Ottobrunner Gymnasiums, ist sich jetzt schon sicher, dass seine zehnten und elften Klassen dringend solche Geräte bräuchten. Denn in seinem Schulhaus sind bereits seit etwa zehn Jahren CO₂-Ampeln eingebaut, einfache Messgeräte zur Bestimmung der Konzentration von Kohlendioxid und damit ein guter Indikator für "verbrauchte Luft", wie das Bundesumwelt bestätigt. Im Ottobrunner Neubau, der 2016 bezogen wurde und wo die fünften bis neunten Klassen untergebracht sind, stehen die Ampeln allesamt auf Grün. Hier wurde ein Lüftungssystem eingebaut, das für einen guten Luftaustausch sorgt.

Auch in dem älteren Gebäudetrakt herrscht nach einem Umbau im obersten Geschoss gute Luft, die Fenster öffnen sich hier automatisch. In den darunter liegenden Stockwerken hingegen stünden trotz ständigen Lüftens die Ampeln auf Rot. Ein recht neues Schulgebäude mit einer modernen Lüftungsanlage hat auch das Gymnasium Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Hier hat man einen technischen Kniff angewendet, nämlich die Wärmetauscher und die Rückbefeuchtung außer Betrieb genommen, um coronamäßig auf der sicheren Seite zu sein, wie Schulleiterin Claudia Gantke erläutert.

Sie verweist auf das Hygienekonzept: "Die verbaute Lüftungsanlage ist leistungsstark und mit hochwertigen Filtern ausgestattet. Derzeit wird die Lüftungsanlage im reinen Zuluftbetrieb gefahren, damit es zu keiner Vermischung von Zu- und Abluft kommt", heißt es dort. Bei ordnungsgemäßem Betrieb werde je nach Raumgröße in 15 bis 20 Minuten einmal das komplette Raumvolumen als Frischluft zugeführt. Die Fenster ließen sich trotzdem öffnen, sagt sie. Es gehe auch um die "subjektive Wahrnehmung", ob die Luft frisch sei.

Ähnlich ist das am neuen Gymnasium in Unterföhring. Auch hier hat Schulleiterin Betina Mäusel beim Bau darauf geachtet, dass sich die Fenster trotz modernster Technik der verbauten Lüftungs- und Heizungsanlage öffnen lassen. "Nach einer dreistündigen Schulaufgabe muss das einfach möglich sein", sagt sie. Aber man können sich dort auch auf die Anlage verlassen, die mit Zu- und Abluft arbeite und nicht bloß die Luft umwälze. Darüber ist Mäusel sehr froh, denn dann könnten die Fenster bei Minusgraden bedenkenlos auch geschlossen bleiben.

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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