SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 145:Warten, bis man vor Sorge krank ist?

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Manchmal sollen Angehörige ein Arztgespräch abwarten, bevor sie Pola Gülberg zum Patienten führt. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Als Pflegekraft darf Pola Gülberg Angehörigen zwar Auskunft über den Zustand eines Patienten geben, aber keine genauere medizinische Erklärung dazu - das ist Aufgabe der Ärzte. Manchmal führt das zu Situationen, in denen sie abwägen muss.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Neulich klingelte ein junger Mann an der Tür zu unserer Intensivstation. Unsere Stationsassistentin öffnete ihm - ich habe die Szene nur zufällig mitbekommen, weil ich gerade am Stationsstützpunkt gegenüber meine Dokumentation erledigt habe. Der Mann stellte sich vor und erzählte, dass er Patient auf Normalstation sei und sein Zimmernachbar gestern Nacht als Notfall zu uns gekommen sei. "Ich wollte nur kurz mal fragen, wie es ihm geht?", sagte er dann. Daraufhin erklärte ihm unsere Assistentin: "Es tut mir sehr leid, aber ich kann Ihnen keine Informationen über einen unserer Patienten geben."

Wäre ich an der Stelle des jungen Mannes gewesen, hätte ich bestimmt auch gerne gewusst, ob mit meinem Zimmernachbarn alles in Ordnung ist. Warum auch nicht? So sehr ich das einerseits aus menschlicher Sicht nachempfinden kann, so sehr müssen wir uns andererseits aus medizinischer Sicht aber an die Regeln halten. Und da gilt Schweigepflicht, und eine Auskunft gegenüber Angehörigen darf nur ein Arzt oder eine Ärztin geben.

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Immer wieder muss sich ein sehr junger Patient von Pola Gülberg übergeben. Doch eigentlich müsste es dem Jungen schon viel besser gehen. Ist die Ursache vielleicht gar keine körperliche?

Protokoll: Johanna Feckl

Das hat zur Folge, dass wir Pflegekräfte Angehörige unserer Patienten manchmal nicht sofort zu ihnen führen können - obwohl Angehörige und Lebenspartner generell zu Besuch kommen dürfen. Wobei, die angeheiratete Cousine dritten Grades vielleicht nicht unbedingt. Ich denke, das ist selbsterklärend: Unsere Patienten sind in der Regel schwer krank, sonst wären sie nicht bei uns. Da kann es niemand gebrauchen, dass die Patientenzimmertür zur Drehtür für Besucher wird - die Leute brauchen Ruhe. Wenn sich nun aber der Zustand eines Patienten verschlechtert hat, und die Ärzte die Familie darüber bislang nicht in Kenntnis haben setzen können, nun aber Angehörige zum Besuch am Eingang stehen, dann sollte erst ein Arzt mit ihnen sprechen, um sie auf die Situation vorzubereiten.

Das ist manchmal gar nicht so leicht. So wollte einmal ein Arzt eigentlich die Angehörigen meines Patienten über eine notwendig gewordene Intubation informieren - doch dann war Reanimationsalarm. Keine Frage, dass der Vorrang hatte. Ich konnte die Familie aber nicht länger als eine halbe Stunde völlig unwissend im Wartebereich sitzen lassen. Da würde jeder Mensch krank werden vor Sorge. Also habe ich sie ohne vorheriges Arztgespräch hineingeführt. "Bitte erschrecken Sie sich nicht", habe ich noch dazu gesagt, und dass der Arzt später alles Weitere mit ihnen klären würde. Nicht ideal, aber in dieser speziellen Situation war es die beste Lösung.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der junge Mann nun, der sich nach seinem Zimmernachbarn erkundigen wollte - der Zimmernachbar war mein Patient. Und er hatte mir schon erzählt, dass er sich mit eben jenem jungen Mann sehr gut verstanden hatte. Also bin ich hinüber und habe den Mann gefragt, ob ich meinem Patienten schöne Grüße von ihm ausrichten solle. Sofort hat sich die Miene des Mannes erhellt - ich glaube, er hatte verstanden: Allzu schlecht konnte es dem Patienten nicht gehen, wenn ich ihm schöne Grüße ausrichten konnte.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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