Brenner-Nordzulauf:Wünsch Dir was

Lesezeit: 3 min

Über diese bereits bestehenden Gleise bei Kirchseeon werden künftig auch die Züge in Richtung Brenner-Basistunnel rollen. Die Anliegergemeinden fordern deshalb mehr Lärmschutz für die Bürgerinnen und Bürger. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die S-Bahn-Kommunen von Grafing bis hin zur Landeshauptstadt haben gemeinsam ihre Kernforderungen in Sachen Brenner-Nordzulauf formuliert. Viel dreht sich dabei um den Lärmschutz, aber auch eine allgemeine Entlastung für den Ballungsraum München wird in dem Schreiben angeregt.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Frucht der Wahl heißt für die Deutsche Bahn nach wie vor "Limone". Jener Verlauf der Zugtrasse also, über die künftig der Güterverkehr zum Brenner-Basistunnel rollen soll. Begleitet von zahlreichen Protesten aus der Region haben die Planer des Schienenkonzerns ihre "Vorzugsvariante" für den Abschnitt zwischen Grafing und Ostermünchen im Landkreis Rosenheim im Sommer vergangenen Jahres vorgestellt. Seither ist viel darüber diskutiert worden, ob der Gleisverlauf abseits von Aßling durch bisher weitgehend unberührte Natur die richtige Wahl ist. Der nördliche Abschnitt des Brenner-Zulaufs von Grafing nach Trudering im Landkreis München ist durch die hitzige Debatte dagegen zuletzt etwas in den Hintergrund gerückt. Nun aber melden sich die Gemeinden entlang der S-Bahn-Linie mit einem eigenen Forderungskatalog zu Wort.

Anders als bei der Trasse "Limone" wird die Bahn in diesem Abschnitt keine neuen Gleise verlegen - doch genau das ist das Problem. Dadurch, dass der Güterverkehr von München nach Innsbruck künftig über die bereits bestehende Zugstrecke gelenkt werden soll, befürchten die Anliegergemeinden ein deutlich erhöhtes Lärmaufkommen und womöglich auch Nachteile für den öffentlichen Nahverkehr. Diese Bedenken haben die Bürgermeister der betroffenen Kommunen nun als sogenannte Kernforderungen zusammengefasst, die die Bundestagsabgeordneten bei ihrer Entscheidung für die endgültige Planung unterstützen sollen.

SZ PlusBrenner-Nordzulauf
:Was ist eigentlich mit Aßling?

Das Ebersberger Landratsamt legt einen ersten Entwurf seiner Kernforderungen für den Brenner-Nordzulauf vor. Derweil meldet sich jedoch auch eine Gruppe von Bürgern zu Wort, die bisher eher wenig Gehör gefunden hat - und das birgt eine Menge Brisanz.

Von Andreas Junkmann

Das Prinzip dabei ist folgendes: Die Bahn legt zunächst eine Grobplanung vor, bei der neben dem Schutz von Natur und Umwelt auch technische Aspekte und vor allem die Kosten eine Rolle spielen. Sonderwünsche von Gemeinden oder Bürgerinitiativen fließen darin noch nicht ein, dafür gibt es die Möglichkeit der Kernforderungen. Diese gehen zusammen mit dem Entwurf der Bahn an den Deutschen Bundestag, dessen Mitglieder sich nach Abwägung aller Aspekte auf eine finale Planung festlegen. Voraussichtlich im Jahr 2025 soll die Entscheidung im Parlament fallen. "Ideen, die aus Kostengründen nicht Teil der Vorzugstrasse sind, können Teil der sogenannten Kernforderungen sein", wird der Bahn-Bevollmächtigte für Bayern, Klaus-Dieter Josel, in einem Schreiben des Schienenkonzerns zitiert.

Die Stadt- und Gemeinderäte werden in nächster Zeit über die Forderungen beraten

Diese Kernforderungen haben die Bürgermeister der S-Bahn-Gemeinden nun zusammengetragen, in den kommenden Wochen werden die Stadt- und Gemeinderäte darüber beraten. Für den Landkreis Ebersberg liegen die Entscheidungen bereits aus Kirchseeon und Zorneding vor, wo sich die Gremien jeweils einstimmig für das Schreiben aussprachen. Darin geht es vor allem um die Frage des Lärmschutzes. Weil im betreffenden Abschnitt baulich an den Schienen kaum etwas verändert wird, muss die Bahn rein rechtlich wohl nicht für eine erhöhte Lärmdämmung sorgen. Die Kommunen argumentieren jedoch mit der erwartbaren Steigerung der Zugzahlen, die einen zusätzlichen Schutz der Bevölkerung erforderten. Konkret verlangen die Bürgermeister, die Bahn solle auch im bestehenden Abschnitt für den gleichen Lärmschutzstandard sorgen wie auf der neu zu bauenden Strecke.

Gleiches gilt für den Erschütterungsschutz, der "im Sinne der Gleichberechtigung" aller Anwohner der Brenner-Zulaufstrecke auch in allen Bereichen dem Neubaustandard entsprechen solle. Als dritte und letzte Forderungen verlangen die Kommunen in ihrem Schreiben eine ansprechende Gestaltung der Lärmschutzwände. Diese könne etwa durch eine Begrünung oder durch transparente Wände erreicht werden. Wichtig sei jedoch, dass der Lärmschutz durch die Gestaltung nicht reduziert werde.

SZ PlusBrenner-Nordzulauf
:Der nächste Akt

Ingenieur Andreas Brandmaier stellt ein neues Gutachten über angebliche Fehler der Deutschen Bahn in Sachen Brenner-Nordzulauf durch den Landkreis Ebersberg vor. Ein Fakt wird unabhängig von dieser Analyse schnell deutlich: Die Fronten zwischen Trassen-Gegnern und Schienenkonzern sind mal wieder verhärtet.

Von Andreas Junkmann

Über diese drei Kernforderungen hinaus verleihen die Gemeinden in ihrem Schreiben aber auch dem Wunsch Nachdruck, dass der Zulauf zum Brenner-Basistunnel doch bitte nicht ausschließlich durch den Ballungsraum München verlaufen soll. Dazu soll die bereits bestehende Strecke von Rosenheim nach Mühldorf ausgebaut werden. "Dies würde eine fairere Verteilung der Belastungen ermöglichen. Zudem würde der Ausbau die Ausfallsicherheit des Brenner-Nordzulaufs stärken", schreiben die Bürgermeister.

Auch Kirchseeons Rathauschef Jan Paeplow (CSU) hat an der Erstellung des Papiers mitgewirkt. "Wir wollen von Anfang an unsere Kernforderungen auf den Tisch bringen", sagte er in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates, als über das Schreiben beraten wurde. Dieses sei jedoch nicht als Affront gegen die Deutsche Bahn zu verstehen. "Wir sind schon der Meinung, dass es wichtig ist, die Bahn zu stärken", so Paeplow, "aber es müssen auch Maßnahmen ergriffen werden, um die Bürger zu schützen."

Die Politiker aller Fraktionen sollen bei ihren Abgeordneten in Berlin für das Anliegen werben

Ob die Forderungen der Kommunen umgesetzt werden, liegt letztendlich an den Politikern in Berlin. Peter Pernsteiner, Zornedinger FDP-Gemeinderat und unermüdlicher Kämpfer für mehr Lärmschutz entlang der Bahnstrecke, forderte seine Ratskollegen in der jüngsten Sitzung deshalb dazu auf, bei ihren jeweiligen Abgeordneten für die Anliegen aus der Region zu werben. Das sei im Moment der einzige Weg, um mit Sicherheit mehr Lärmschutz zu bekommen, so Pernsteiner. Für die Bahn selbst wäre das seiner Einschätzung nach nicht sonderlich schwer umzusetzen. Vor der Debatte im Bundestag werde der Schienenkonzern ohnehin eine Kostenschätzung über die von den Gemeinden geforderten Maßnahmen vorlegen. "Und der Preis für den Lärmschutz im Bestand wird sich im Vergleich zu einem Neubau eher in Grenzen halten."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBrenner-Basistunnel
:Wo "Limone" nur eine Frucht ist

Tief unter dem Brennerpass entsteht die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt. Während man im Landkreis Ebersberg noch um den Trassenverlauf zum Brenner streitet, sind die Arbeiten in Italien und Österreich bereits weit fortgeschritten. Ein Besuch auf der Mega-Baustelle.

Von Andreas Junkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: