Engpässe bei den Tafeln:"Obst und Gemüse waren komplett leer"

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Die Tafeln verzeichnen immer mehr Zulauf und bitten um Spenden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Vorräte der Tafeln sind erschöpft, während der Bedarf durch ukrainische Geflüchtete rasant ansteigt. Vor allem frische Lebensmittel seien knapp, sagt Alexander Kölbl, der den Grafinger Standort koordiniert.

Interview von Johanna Feckl, Grafing

Die Situation bei den Tafeln im Landkreis Ebersberg ist angespannt: Die Nachfrage steigt durch geflüchtete Familien aus der Ukraine, die hier Schutz vor dem Krieg gefunden haben, während die Regale immer leerer werden. In Grafing koordiniert die Tafel Alexander Kölbl vom Team der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas. Was Corona mit den geringen Vorräten bei den Tafeln zu tun hat und welche Lebensmittel aktuell besonders benötigt werden, erklärt der Sozialpädagoge im SZ-Interview.

SZ: Herr Kölbl, wie war die jüngste Warenausgabe der Grafinger Tafel?

Alexander Kölbl: Die war am vergangenen Mittwoch, am Ende waren unsere Vorräte an Obst und Gemüse komplett leer. Wir konnten den Menschen irgendwann nur noch sehr wenig davon mitgeben, damit für die danach kommenden Tafel-Gänger überhaupt noch etwas übrig ist. Das Problem war, dass es sich dabei um größere Haushalte handelte - die hätten eigentlich mehr gebraucht als das, was wir ihnen geben konnten.

Standen so viel mehr Menschen an als es durchschnittlich in Grafing der Fall ist?

Es ist knifflig, die Tafel-Nachfrage in Menschenschlangen auszudrücken. Meistens kommt eine Person, die dann für den gesamten Haushalt Lebensmittel von uns bekommt. Das bedeutet, dass manchmal nur zwei Leute zur gleichen Zeit kommen, aber das sagt nichts darüber aus, wie viele Menschen tatsächlich von diesen zwei Tafelgängern profitieren und auf die Lebensmittel angewiesen sind - denn bei beiden sitzt vielleicht zu Hause der Rest der jeweils fünfköpfigen Familie.

Weshalb werden die Vorräte knapp?

Das hat hauptsächlich zwei Gründe: Zum einen ist da der Krieg in der Ukraine, dessen Auswirkungen wir auch in den Tafeln spüren. So haben sich in den vergangenen zwei Wochen um die fünf neue Haushalte bei uns angemeldet und das sind alles ukrainische Geflüchtete - übrigens sind einige davon von unseren bestehenden Kunden aufgenommen worden und wohnen derzeit mit ihnen zusammen. Da es sich bei den Neuzugängen um Familien handelt, bedeutet das, dass wir auf einen Schlag etwa 20 Menschen mehr haben, die auf die Tafel angewiesen waren. Für gewöhnlich haben wir pro Woche vielleicht eine Anfrage, wenn überhaupt.

Und der zweite Grund?

Corona. Wegen der Pandemie konnten wir 2020 überhaupt keine unserer großen Sammlungen vor den Grafinger Supermärkten veranstalten, im vergangenen Jahr hat es immerhin einmal geklappt. Eigentlich organisieren wir aber dreimal jährlich eine solche Aktion, dadurch konnten wir unser Lager an länger haltbaren Lebensmitteln immer sehr gut füllen. Diese Vorräte fehlen uns nun.

"Wir sind am Anschlag", sagt Alexander Kölbl. Der Sozialpädagoge koordiniert die Grafinger Tafel. (Foto: Privat)

Hat Corona auch dazu geführt, dass es mehr Tafel-Gänger gibt als zuvor? Schließlich haben einige Menschen ihre Jobs verloren oder wurden in Kurzarbeit geschickt ...

Nur minimal, das ist nicht das große Thema. Es ist vielmehr das Gemenge aus weniger Vorräten durch die Pandemie und mehr Nachfrage durch ukrainische Geflüchtete, das dazu führt, dass wir nun dringend mehr Lebensmittel benötigen. Aktuell ist es wirklich so: Wir sind am Anschlag.

Haben Sie Ideen, wie Sie den Engpass beheben können?

Langfristig hoffen wir, dass die Pandemie es zulässt und wir wieder unsere gewohnten Sammlungen vor den Supermärkten veranstalten können. Aktuell sieht es gut aus: Für Juni planen wir mit Unterstützung der diesjährigen Grafinger Firmlinge die erste große Aktion. Es wäre toll, wenn wir das wieder regelmäßig machen könnten.

Aber damit ist die akute Lebensmittelnot, die derzeit herrscht, noch nicht gelöst. Wie sehen die kurzfristigen Pläne aus?

Wir sind dankbar um jede einzelne Lebensmittelspende von Privatpersonen - wirklich jede Packung Reis oder Nudeln hilft uns und damit unseren Kunden! Unsere Kreis-Geschäftsführerin Alexandra Bohn hatte die Idee, dass möglicherweise auch Betriebe in ihren Teams eine Spendenaktion ausrufen könnten und die gesammelten Lebensmittel dann zu unseren Ausgabezeiten bei uns vorbeibringen.

Welche Lebensmittel sind denn besonders knapp?

Wir brauchen eigentlich alles, unsere Lager sind ziemlich leer: Essig, Öl, Konserven, Obst, Gemüse, Zucker, Mehl, Säfte - ich sage immer: Das, was man für sich selbst einkauft, benötigen wir bei der Tafel auch.

Warenspenden können in der Grafinger Griesstraße 23 abgegeben werden, dienstags von 11 bis 12.30 Uhr und mittwochs von 8.30 bis 9.30 Uhr. Interessierte an einer ehrenamtlichen Mitarbeit oder bei Fragen rund um die Tafel können sich bei Alexander Kölbl melden, unter (0170) 6646616 oder alexanderfrederik.koelbl@​caritasmuenchen.de .

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