Antisemitismus an Schulen:Hitlerbilder und Hakenkreuze im Klassenchat

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In Klassenchats auf Whatsapp werden immer wieder antisemtische und rassistische Inhalte verbreitet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Immer wieder fliegen Schüler auf, die antisemitische und rassistische Inhalte in Whatsapp-Gruppen verbreiten. Mit rechter Gesinnung soll das laut Polizei nichts zu tun haben.

Von Viktoria Spinrad, Schäftlarn, und Helmut Zeller, Dachau

Nachdem Ende vorigen Jahres ein Nazi-Chat des ausgerechnet nach dem Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer benannten Gymnasiums in Grafing im Landkreis Ebersberg aufgeflogen war, sind nun ähnliche Chats an weiteren Schulen bekannt geworden. Am Ignaz-Taschner-Gymnasium in Dachau verschickten Schüler einer 9. und einer 10. Klasse per Whatsapp über Monate Bilder mit antisemitischer und rassistischer Hetze an Klassenkameraden. Schulleiter Erwin Lenz bestätigte die Vorfälle; der erste wurde im Dezember 2019 bekannt. Lenz hat das Landeskriminalamt München eingeschaltet. Auch der Disziplinarausschuss der Schule beschäftigte sich damit. Anzeige hat der Schulleiter jedoch nicht erstattet, "noch nicht", wie er betont.

Auch in Schäftlarn im Landkreis München ist ein ähnlicher Chat aufgetaucht. Dort hatten zwei 14-jährige Schüler des Klostergymnasiums Hitlerbilder, Hakenkreuze, antisemitische Comics und Darstellungen von Menschen beim Geschlechtsverkehr im Klassenchat geteilt. Damit beschäftig sich mittlerweile die Münchner Polizei: Sie ermittelt wegen Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verbreitung pornografischer Inhalte. "In dem Umfang und in so einer Heftigkeit hatten wir das noch nicht", sagt ein Sprecher der Münchner Polizei.

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Aufgeflogen war der Chat nach Elternhinweisen. "Menschenverachtung werden wir an unserer Schule in keiner Form dulden", schreibt Schulleiter Wolfgang Sagmeister in einem Elternbrief. In dem Schreiben verweist er auf die internationalen Beziehungen der Schule und deren christliches Menschenbild.

Einzelfälle sind die Chats längst nicht mehr. Auch in Icking, Wolfratshausen und Penzberg gibt es einschlägige Ermittlungen, wie die jeweiligen Polizeistellen bestätigen. So sendeten Ickinger Schüler des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums Hitler- Bilder in einem Klassenchat, die Polizei ermittelt dort gegen sechs Schüler. Elternbrief, Polizeibesuch, Umgangskonzept - auch hier reagierte die Schulleitung offensiv. "Wir müssen diese Fälle zum Anlass für eine verstärkte Werteerziehung nehmen. Das ist unsere einzige Chance", sagt die Ickinger Schulleiterin Astrid Barbeau. In Wolfratshausen ermittelt die Polizei wiederum gegen einen 13-jährigen Realschüler, der pornografische Inhalte verschickt hatte. 20 Kilometer weiter südlich hatte die Polizei im vergangenen Jahr gleich zwei Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Penzberg eingeleitet: Unter anderem soll ein 15-Jähriger ein Foto von sich verschickt haben, wie er auf einem Stuhl stehend den Hitlergruß zeigt.

Die Schüler aus Dachau hätten sich einsichtig gezeigt

Es sind alarmierende Fälle, die laut Polizei aber nichts mit tatsächlich rechts gesinnten Schülern zu tun haben, sondern vor allem Nichtwissen zuzuschreiben seien. Am Ende sind es Schüler einer Generation, die den Holocaust nicht mehr durch Augenzeugen, sondern nur noch aus dem Geschichtsbuch kennen. "So sinkt die Hemmschwelle", sagt Christian Schweiger von der Penzberger Polizei. Zumal die Schüler das Thema oft noch gar nicht im Detail kennen; in Bayern wird es von der neunten Klasse an intensiv behandelt.

In den Gesprächen, die der Disziplinarausschuss des Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasiums mit den Schülern führte, hätten sich diese betroffen und einsichtig gezeigt. Schulleiter Lenz lobt die Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Maßnahmen, die der Disziplinarausschuss gegen die Schüler verhängte, wollte Erwin Lenz allerdings nicht preisgeben. "Da sind wir zum Schweigen verpflichtet."

Nach Informationen der SZ sollen mindesten drei Schüler zu einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau verpflichtet worden sein. Zusätzlich, denn von der neunten Klasse an besuchen die etwa 1200 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums die Gedenkstätte in Dachau ohnehin.

© SZ vom 27.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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