Favoriten der Woche:Kennen Sie diesen Weltstar?

Lesezeit: 5 min

Dabke auf Energydrink: Omar Souleyman (Foto: Daniel Sannum Lauten/AFP)

Der syrische Musiker Omar Souleyman geht auf Tour in Europa. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Moritz Baumstieger, Aurelie von Blazekovic, Reinhard J. Brembeck, Catrin Lorch und Helmut Mauró

Popkultur: Omar Souleyman

Omar Souleyman in Kopenhagen. (Foto: Mathias Kristense/Imago/Gonzales Photo)

In diesen Tagen betritt ein echter Megastar der Musikbranche wieder einmal europäischen Boden. Und wieder einmal wird die breite Masse davon kaum Notiz nehmen. Ein paar Tausend Konzertbesucher werden in Zuckungen verfallen, dazu noch jene, die sich in den Nischen der sozialen Medien rumtreiben, wo die Soundschnipsel prickeln und die Stroboskope blitzen. Omar Souleyman heißt der Mann, er ist Syrer und 63 Jahre alt. Und ja, rein phänotypisch erinnert bei ihm nicht viel an das Showbiz: der schwarze Schnauzer über dem Mund und die dunkle Sonnenbrille, das ginge noch irgendwie als Freddie-Mercury-Zitat durch. Die Kufiyah auf dem Kopf, das klassische arabische Gewand und die E-Zigarette, an der er so gerne zuzelt, sehen dann doch eher nach einem gesetzteren älteren Herren aus dem Nahen Osten aus, der vielleicht für den örtlichen Geheimdienst arbeitet, vielleicht ein Taxi fährt, vielleicht einfach im Café sitzt und schaut.

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Deshalb: Zahlen bitte! Seit Omar Souleyman 1994 seine Karriere als Musiker startete, hat er an die 500 Live- und Studioalben rausgebracht. Diese Angabe ist schon deshalb ohne Gewähr, weil viele von ihnen auf Kassette erschienen. Wenn Souleyman seine Musik (ein Verschnitt der "Dabke" genannten traditionellen Hochzeitsmusik seiner Heimat mit den Mitteln der Electronica, dazu Gesang auf Kurdisch und syrischem wie irakischem Arabisch) auf Festen gespielt hat, wurde einfach aufgenommen, überspielt und - zack! - verkauft. Schon härter ist heute die Währung der Aufrufe auf Youtube. Und da steht der Zähler seines bekanntesten Songs "Warni Warni", der nicht grundlegend anders klingt als die meisten seiner Songs, nämlich wie Weltmusik auf sehr viel Energydrink, bei 116 Millionen.

Omar Souleyman hat mit Björk gearbeitet (2011), bei der Verleihung des Friedensnobelpreises aufgelegt (2013), die Aftershow-Party von Balenciaga bei der Paris Fashion Week beschallt (2022) und ein Gefängnis von innen gesehen (2021): In der Türkei, wo er seit Beginn des Bürgerkriegs in seiner Heimat eine Bäckerei nahe der syrischen Grenze betreibt und Flüchtlinge mit Brot versorgt, unterstellte man ihm, Mitglied der kurdischen Organisation PKK zu sein, die als Terrororganisation gilt. Nach einigen Tagen wurde er ohne Anklage wieder entlassen - vielleicht, weil er die Wachen mit seinem Sound wahlweise in den Wahnsinn oder zum Tanzen getrieben hat. Und so wird Souleyman am Sonntag dasselbe mit den Besuchern des Donaufestivals in Krems tun, im Mai und Juni dann mit seinen Konzertgästen in den Niederlanden, Frankreich und Belgien. Moritz Baumstieger

Ausstellung: "Ooooooooo-pus" im Haus der Kunst

Der Titel ihrer Ausstellung sei bitte mit gespitzten Lippen auszusprechen, wünscht die Künstlerin Katalin Ladik. (Foto: Imre Póth/Katalin Ladik/ acb Gallery)

Was Katalin Ladik als Künstlerin gewagt hat, ist laut, groß, unübersehbar. Eigentlich. Doch die im Jahr 1942 in Novi Sad im ehemaligen Jugoslawien geborene Avantgardistin mochte als Radiomoderatorin, Schauspielerin, Literatin, Tänzerin und Poetin noch so bahnbrechend sein, es ging ihr wie so vielen der konzeptuell arbeitenden Künstlerinnen der Nachkriegsjahre, deren Werk es dennoch nicht dauerhaft in Galerien, Ausstellungshäuser und Museen schaffte. Dann kam die Documenta 14 und die Kunstwelt bestaunte nicht nur Collagen, für die sie - unter anderem - Burda-Schnittmuster zusammengeklittert hatte. Zartfarbiger Karton, Sprachfetzen mischten sich zu unverkennbar feministischer Bildkunst. Jetzt zeigt das Münchner Haus der Kunst mit "Ooooooooo-pus" (bis zum 10. September) eine erste umfassende Retrospektive, dessen Titel, die Universalkünstlerin bittet darum, mit gespitzten Lippen auszusprechen ist. Neben den fotografischen Experimenten, den Skizzen und Konzepten ist die große Überraschung ein strahlendbunter Fantasy-Streifen, in dem Ladik auch selbst auftritt. Katalin Ladik wird außerdem am 14. und 15. Juli zusammen mit der Komponistin Svetlana Maraš selbst auftreten. Catrin Lorch

Alte Musik: "Polyphonic Masses" von Ludwig Daser

Unberührt von Glaubensfragen, schwebt die Musik Dasers in eine bessere Welt. (Foto: Deutsche Harmonia Mundi)

Das belgische Huelgas Ensemble, 1971 gegründet und bis heute geleitet von Paul van Nevel, ist nicht immer das aufregendste, aber vielleicht das solideste im Alte-Musik-Geschäft. Mitunter gelingen ihm Entdeckungen, die überraschen. Denn wer kennt zum Beispiel Ludwig Daser, den Münchner Meister der Vokalpolyphonie und Vorgänger des großen Orlando di Lasso? Daser musste gehen, weil er sich von der Kirche abwandte und dem Protestantismus frönte. In Stuttgart fand er herzliche Aufnahme. Unberührt von Glaubensfragen, und das gilt auch für die meisten heutigen Hörer, ist die himmlische Musik Dasers. Selbst wer nicht so genau weiß, was es mit der Renaissance-Polyphonie auf sich hat, kann sich für den ausgreifenden Raumklang dieser Musik begeistern. Sie lässt den Hörer hinausschweben in eine bessere Welt (erschienen bei Deutsche Harmonia Mundi). Helmut Mauró

Kunstgeschichte: "The Story of Art Without Men" von Katy Hessel

Katy Hessel schafft es, in jedem Absatz Staunen zu erzeugen. (Foto: Piper Verlag)

Museen in Paris, Hannover, München und Enschede haben gerade etwas gemacht, was noch vor 30 Jahren undenkbar war. Sie haben Malerinnen eine Einzelausstellungen gewidmet, der Bologneser Barockmeisterin Sofonisba Anguissola, der schwarzen Protestmalerin Faith Ringgold, der kämpferischen Paula Rego, der zwischen Orient und Okzident changierenden Etel Adnan, der von den Nationalsozialisten ermordeten Charlotte Salomon. Frauen sind derzeit im Kunstbetrieb en vogue, im 19. Jahrhundert verkündete der legendäre Kritiker John Ruskin noch: "Keine Frau kann malen" und "der Verstand einer Frau ist... nicht einfallsreich oder kreativ." Die immer noch beliebte "Geschichte der Kunst" von Ernst Gombrich kannte 1950 keine einzige Künstlerin, die 16. Auflage nennt eine.

Dennoch gab es seit der Renaissance malende, manchmal enorm erfolgreiche Frauen. Wer die kennenlernen möchte, dem hilft Katy Hessel mit ihrer grandiosen und schwungvollen "History of Art Without Men", der Piper-Verlag hat für die Übersetzung dankenswerterweise den Originaltitel beibehalten (512 Seiten, 32 Euro). Katy Hessel präsentierte von 2015 an täglich eine Künstlerin im Netz, ihre "History" liefert jetzt kurze Künstlerinnenporträts in verständlich begeisterter Sprache. Ein zentrales Bild wird immer abgebildet und gedeutet, besser kann Kunstgeschichte nicht sein.

Katy Hessel implantiert die Porträts in eine fortlaufend ordnende Chronologie, beginnend in der Universitätsstadt Bologna ("eine Vorreiterin in Sachen Berufstätigkeit von Frauen"), über Artemisia Gentileschi, Rosalba Carriera bis hin zu den Impressionistinnen, die erstmals an lebenden Modellen Anatomie studieren konnten. Seither hat die Zahl der Künstlerinnen überwältigend zugenommen. Katy Hessel schaut schon früh über Europa hinaus, vergisst nie den politisch gesellschaftlichen Rahmen bis hin zur sexuellen Ausrichtung, und ist in ihrer Begeisterung nie dogmatisch männerfeindlich. Sie kann zudem in jedem Absatz staunen machen, und die Leserin zum vergnügten Vor- und Zurückblättern verleiten. Wie war das doch mit Lady Butler, deren Bilder vom Krimkrieg einst Sensation machten? Reinhard Brembeck

Podcast: "Celebrity Memoir Book Club"

Nur weil die wenigsten Promi-Autobiografien große Literatur sind, heißt das nicht, dass man nicht wissen will, was drinsteht. (Foto: Apple/ Claire Parker und Ashley Hamilton)

Es gibt Bücher, die man wirklich nicht lesen will. In der bei Verlagen und Käufern sehr beliebten Sparte der Promi-Autobiografien sind das sogar die allermeisten. Kaum ein Schauspieler, kaum eine Sängerin oder ernst zu nehmende Nachrichtensprecherin widersteht der Versuchung, mit den eigenen Geschichtchen dreihundert Seiten Papier zu bedrucken. Doch nur, weil die wenigsten dieser glattgebügelten Lebenserzählungen große Literatur sind, heißt das nicht, dass man nicht wissen will, was drinsteht. Die New Yorker Comedians Claire Parker und Ashley Hamilton nehmen einem die mühsame Lesearbeit ab. In ihrem Podcast "Celebrity Memoir Book Club" besprechen sie seit 2020 wöchentlich ein Promi-Buch. Was schreiben Mariah Carey, was Prinz Harry und was Matthew McConaughey in ihren Büchern? Warum hat Paris Hilton überraschenderweise wirklich etwas zu sagen, und wie berichtet jedes einzelne Spice-Girl unterschiedlich vom großen Welterfolg? Man lernt viel über PR, und dann doch manches aus den Seelen der Stars: etwa den merkwürdigen Hass von Matthew Perry ("Friends") auf seinen Schauspielerkollegen Keanu Reeves. Aurelie von Blazekovic

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