Favoriten der Woche:Hundefreunde aufgepasst

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"Dog Painting 41" von David Hockney, 1995, Öl auf Leinwand. (Foto: Richard Schmidt Collection/The David Hockney Foundation)

Eine Ausstellung in London zeigt, dass alle Briten "dog persons" sind. Diese und weitere Empfehlungen der Woche aus dem SZ-Feuilleton.

Von Philipp Bovermann, Kathleen Hildebrand, Alexander Menden, Peter Richter und Egbert Tholl

Kunst: Hundeporträts in der Londoner Wallace Collection

In England ist jeder Mensch eine dog person - auch jene, die noch nie einen Hund besessen haben. Die Londoner Wallace Collection trägt dieser Passion nun mit "Treu und furchtlos" Rechnung, einer Ausstellung von Hundeporträts aus britischen Sammlungen (bis 15. Oktober). Unter den Künstlern sind große Namen wie Thomas Gainsborough, der um 1775 seine Schoßhunde Tristram und Fox verewigte. Queen Victoria ist mit einer erstaunlich akkuraten Zeichnung der Dackel Waldine und Waldmann vertreten, während David Hockney seinen eigenen knallroten Dackel in einer "Dog Paintings" genannten Serie Männchen machen lässt. Höhepunkt ist eine kleine Skulptur des Norfolk-Terriers Caesar, die Fabergé 1908 für Edward VII. aus Quarz, Gold und Rubinen fertigte. Sie setzt einer historischen Figur ein Mini-Denkmal: Caesar schritt bei des Königs Begräbnisprozession 1910 direkt hinterm Sarg. Alexander Menden

Netzkultur: "Easter Eggs" in Filmen

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Das Videospiel "Adventure" versprach 1987 ein Erfolg zu werden, Warren Robinett aber, einer der Programmierer, war unzufrieden. Seine Chefs wollten ihn als anonymen Fließbandkreativen behandeln, ohne Gewinnbeteiligung, sein Name sollte im Spiel und bei dessen Vermarktung gar nicht auftauchen. Also baute Robinett einen geheimen, nur mit viel Glück zu entdeckenden Raum in die Spielwelt. Erst nach der Veröffentlichung verirrten sich Spieler hinein und fanden dort einen leuchtenden Schriftzug: "Created by Warren Robinett".

"Easter Eggs" nennt man seither solche versteckten Überraschungen, auch in Filmen. Fans tragen ihre Funde im Netz zusammen, das Twitter-Konto @FilmEasterEggs versammelt einige besonders schöne. Man lernt über Easter Eggs, den Hintergrund von Filmen zu sehen, versteckte Zitate geben Hinweise auf das intertextuelle Gewebe, das kollektive Filmtraumbewusstsein der Welt. Zugleich verweisen sie auf die Arbeit hinter der Kunst und somit auf deren materielle Produktionsbedingungen - wenn etwa zwei animierte Droiden im Hintergrund von "Star Wars: Die Rache der Sith" eine eigentlich nicht wahrnehmbare Interaktion haben, dann weil irgendein anonymer Fließbandkreativer sich damit verewigt hat. Der Hintergrund hört auf, dienstbare Kulisse zu sein. Er redet plötzlich mit.

Und dann ist da dieses Video. Es lässt zwei Montagen aus den Disney-Filmen "Dschungelbuch" (1967) und "Winnie Puuh" (1977) parallel übereinander laufen. Man glaubt es kaum: Christopher Robin und Mowgli klettern beide über Felsen, nehmen beide ein Steinchen in die Hand, werfen ihn über einen Felsvorsprung. Die Kulissen unterscheiden sich, hinter Christopher Robin trottet Winnie Puuh her, die Bewegungen der beiden Jungen aber sind exakt identisch. Animationen zu zeichnen, war damals mühsame Handarbeit und entsprechend teuer, also verwendete Disney einige davon mehrfach, das "Dschungelbuch" wurde auch noch für andere Disney-Filme ausgeschlachtet.

Übereinandergestellt entsteht ein Zeugnis der Arbeit hinter den Bildern - aber auch ein gespenstischer Eindruck, so als seien all diese Kindertraumbilder verwoben, austauschbar. "Meine ganze Kindheit steht infrage", schrieb jemand in der Videomontage über die parallel laufenden Sequenzen. Dazu der geduckte, tränenfeuchte, sich plötzlich zu einer Frage öffnende Synthesizer des französischen Duos "Else". Großartig! Philipp Bovermann

Kinderbuch: "Fanni, Fuchs und Feuerwehr"

Für Eltern kleiner Kinder kann es anstrengend bis quälend sein, so richtig zu spielen. Mit verteilten Rollen Autos zum Leben zu erwecken oder einen Notfall für die Feuerwehr zu erfinden. Die Energie dafür scheint ein seltenes Geschenk der Natur an jene Auserwählten zu sein, die es schaffen, "Kind zu bleiben", wie man so sagt. Wer also ein bisschen Motivation braucht, sollte die Bilderbücher von Miriam Zedelius lesen, die bei Beltz und Gelberg erschienen sind. Denn die schubsen einen mitten rein ins Spiel: "Komm, Fuchs, wir spielen! Feuerwehr! - Oh ja! Guck mal, Rauch. Es brennt! - Alarm! Iiiiu-iiiiu, iiiiu-iiiiu." Die beiden Pappbücher "Fanni, Fuchs und Feuerwehr" und "Komm, Trecker fahren!" sind als Dialog zwischen spielenden Kindern, beziehungsweise zwischen Kind und Plüschtierfuchs, geschrieben - lustig, schnell und wahnsinnig lebendig. Am schönsten ist es, wenn das Aushandeln sichtbar wird, das zum Spiel dazugehört: "Ein großer grüner Trecker. - Nein. Lieber rot! - Na gut, rot. Aber dann will ich ans Steuer." Kathleen Hildebrand

Graffiti-Geschichte: "Enemy Kids" von Bus126

Er nennt sich Bus126 und wird von der Gustav-Heinemann-Gesamtschule geschmissen, weil er seinen Namen auf dem ganzen Gelände verteilt habe. "Der Junge, mit dem ich anfing zu taggen, verrät mich an den Direktor." Die einen kehren reuig um, die anderen gehen weiter: "Meine erste Crew heißt Enemy Kids." Es ist das Westberlin der späten Achtziger, als die Kalten Krieger noch bis an die Zähne mit Bindestrichen bewaffnet darauf be-harr-en, dass es "West-Berlin" heiß-en müss-e, und dabei ist die "selbständige politische Einheit Westberlin" (wie man ein Stück weiter östlich dazu sagte) in diesem Fall viel eher: maximales Südberlin, nämlich Lichtenrade, das Gegenteil von Inner City, das Wohnhaus ist sogar schon von Feldern umgeben. "In der Nähe ist die Mülldeponie, dahinter die Mauer. Ich kletter auf die verstreuten Aussichtspunkte und versuche Steine und Müll in den Osten zu werfen."

Auch hier gibt es Graffiti Wars, und die können sogar noch tödlicher sein als in der Bronx, wenn man beim Bemalen der Mauer aus Versehen auf der anderen Seite herunterfällt, in den Todesstreifen. Später hatte einer mit dem Szenenamen Odem einem Ghostwriter ein Buch über die frühen Hiphop-Crews der Mauerstadt diktiert. Bus126 fand, er kam falsch weg dabei, und setzt jetzt, Jahrzehnte später, seine eigene Version der Geschichte dagegen: "Enemy Kids", erschienen im Indie-Verlag Possible Books. Der Mann ist inzwischen um die 50, der hier noch einmal die ersten toten S-Bahn-Surfer heraufbeschwört und die Messerstechereien vorm McDonalds am Zoo damals oder vor "Eis-Hennig" in Mariendorf.

Aber die lange Zeit des Grolls hat dem Ton der alten Geschichte gutgetan. Er ist zu einer Lakonie geronnen, die sich fast schon wie ein langes Gedicht liest: "Im Sommer flehe ich meine Mutter an, mir Beat Street aus der Videothek zu leihen. Stattdessen bringt sie Wild Style mit. Ich bin eine Stunde lang wütend auf sie, bevor ich mir den Film überhaupt ansehe. Am selben Wochenende male ich das Wild-Style-Logo in Übergröße mit Kreide auf den Bürgersteig vor unser Haus. Das bringt wieder Unruhe in die Nachbarschaft, wieder flüstert meine Mutter, wieder schlägt mich mein Stiefvater tagelang, wieder tauge ich zu nichts. Unsere Nachbarn vergiften meine Katze, meine Mutter grüßt sie weiterhin." Peter Richter

Barockmusik: "Contra-Tenor" von Michael Spyres

Das glänzend aufgelegte Orchestra Il Pomo d'Oro legt los, überschäumende Musizierlust, so muss man Barockmusik heute spielen. Man wartet auf den Einsatz des Sängers, wartet auf eine filigrane Counter-Stimme. Dann aber kommt Michael Spyres. Man ist vollkommen verdutzt. Der Mann besitzt einen balsamischen Tenor, ein profundes Bariton-Fundament und kann sich ins höchste Falsett aufschwingen. Alles auch mal in einer einzigen Linie, ohne Bruch. Oder wie im Duett mit sich selbst, als Bariton und Falsettist. Einzigartig. Spyres zeigt, dass auch im Hochbarock viril gesungen wurde. Auf "Contra-Tenor" (Warner) setzt er fort, wofür er mit "Baritenor" 2022 den Grammophon Award erhielt: selten gehörte Arien voller brillanter Verzierungen, in fünf, sechs Stimmlagen, alles im Dienst umwerfender Interpretation. Egbert Tholl

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