Umweltgefahren:Sonne, Staub und Pollen

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Hitze, Sonne und Staub gefährden die Gesundheit von Menschen, die im Freien arbeiten, besonders. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Luftverschmutzung, Klimawandel und eine Mischung aus beidem kann Atemwege, Haut und vermutlich auch das Gehirn massiv schädigen. Was dagegen getan werden kann, diskutierten Fachleute auf einem SZ-Gesundheitsforum.

Von Berit Uhlmann

Es mag fast vergessen sein, dass in den 1980er Jahren in Deutschland gelegentlich Smogalarm ausgerufen wurde. Die Luft so dick und voll mit Schadstoffen, dass Schulen geschlossen, der Straßenverkehr eingestellt und die Produktion in Fabriken gedrosselt wurde. "Gemessen daran hat sich die Luftqualität in Deutschland deutlich verbessert", sagte Tamara Schikowski, Epidemiologin am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf, auf einem Gesundheitsforum der Süddeutschen Zeitung. Auch verglichen mit Ländern wie China, Indien oder selbst Italien habe Deutschland mittlerweile eine relativ niedrige Schadstoffbelastung. Dennoch gilt, so die Expertin: "Selbst sehr, sehr geringe Feinstaub-Belastungen können noch immer chronische Erkrankungen begünstigen."

Hinzu kommen nun die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels, die zu ungünstigen Wechselwirkungen mit der Umweltverschmutzung führen können. Schadstoffe aus Verkehr, Heizung und Industrie treiben den Klimawandel an. Gleichzeitig kann die Erderwärmung Schadstoffbelastungen vergrößern: Ozon nimmt unter dem Einfluss von UV-Strahlung zu, es ist vor allem für Menschen mit Atemwegserkrankungen ein Problem. Ob andere Luftschadstoffe sich durch neue klimatische Einflüsse verändern oder auf ungewohnte Art miteinander interagieren, ist noch gar nicht abzusehen.

Sicher aber ist, dass die Gesundheit unter der Melange von Umweltbelastungen und Erderhitzung leiden kann. Ein Gesundheitsforum der Süddeutschen Zeitung hat sich daher ausgewählten Beispielen für diese Entwicklungen gewidmet.

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Dazu gehören Allergien und Asthma. Pollenallergien, einst ein saisonales Geschehen, sind heute ein Ganzjahres-Leiden geworden. Bianca Schaub, Allergologin am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, berichtete: "Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass wir mittlerweile nur noch fünf allergenfreie Tage im Jahr haben. Das hängt zum großen Teil mit der Klimaerwärmung zusammen."

Höhere Temperaturen verlängern die Blütezeiten der Allergie-auslösenden Pflanzen. "Die Birkenblüte beispielsweise, die wir früher in der Regel ab etwa April gesehen haben, beginnt nun zum Teil schon im Dezember oder Januar", sagte die Medizinerin. In wärmerer Luft schweben Pollen zudem höher, verbleiben so länger in der Luft und können in Verbindung mit Luftschadstoffen aggressiver werden. Schwere Stürme können Pollen zudem über weitere Strecken transportieren, sodass selbst exotische Exemplare uns erreichen können.

Heute erkranken schon Zweijährige an Heuschnupfen

Die Belastung beginnt zudem schon früher im Leben. "Als ich als Kinderärztin angefangen habe, vor 25 Jahren, hat Heuschnupfen bei Kindern erst im Schulalter, meist um das zehnte Lebensjahr herum begonnen. Heute sehen wir ihn bereits bei Kindern, die zwei, drei oder vier Jahre alt sind", sagte Bianca Schaub. Dies könnte unter anderem an der höheren Allergenbelastung liegen. Weitere Risikofaktoren könnten Luftschadstoffe wie Stickoxide und Ozon, aber auch ein verändertes körpereigenes Mikrobiom sein.

Katrin Milger-Kneidinger, Allergie- und Asthma-Spezialistin an der LMU, beobachtet verstärkte Belastungen auch bei erwachsenen Patienten - besonders bei Asthmatikern. "Was früher ein saisonales Asthma war, ist jetzt eigentlich das ganze Jahr über zu sehen, weil wir das ganze Jahr über Allergene haben". Wichtige Auslöser für Asthma-Anfälle sind die Luftverschmutzung und Infekte, die ihrerseits durch Luftschadstoffe begünstigt werden. "Schleimhäute, die durch Schadstoffe beispielsweise aus dem Verkehr geschädigt werden, sind empfänglicher für Krankheitserreger", sagt die Ärztin.

Ein weiterer Trigger für Asthma-Anfälle sind bestimmte Wetterlagen, die mit dem Klimawandel zunehmen dürften. Starke Hitze führt dazu, dass Menschen mehr atmen müssen, Patienten mit Asthma oder der Lungenkrankheit COPD schaffen dies nicht so gut wie Gesunde, sodass die Atemnot bei ihnen zunimmt. Auch das Phänomen des Gewitter-Asthmas hat man in Süddeutschland bereits vereinzelt beobachtet, auch wenn es hierzulande noch kein größeres Problem darstelle, sagt Milger-Kneidinger. In Australien kommt es öfter vor: Pollen sammeln sich in Bodennähe und werden im Gewitter in kleine Fragmente zerrissen, die tief in die Lunge eindringen - und schwere Anfälle bei Patienten mit allergischem Asthma auslösen können.

Der Klimawandel steigert auch das Risiko für Hautkrebs, sagte Mark Berneburg, Direktor der Dermatologie an der Uniklinik Regensburg. Bedingt durch die globale Erwärmung werden tendenziell weniger Bewölkung und damit mehr Sonnenstunden beobachtet. Menschen halten sich zudem an warmen Tagen häufiger im Freien auf und setzen sich so stärker der schädigenden Sonnenstrahlung aus.

Erst vor kurzem zeigten Daten des Statistischen Bundesamtes, dass die Anzahl der Todesfälle durch Hautkrebs in Deutschland binnen 20 Jahren um 55 Prozent gestiegen ist - auf 4100 im Jahr 2021. "Und das, obwohl die Therapien sich verbessert haben", sagte Berneburg. "Projektionen gehen davon aus, dass der Trend zu mehr Erkrankungen und Todesfällen noch weiter anhält".

Neurologische Erkrankungen wie Demenz oder Schlaganfälle könnten durch Umweltbelastungen ebenfalls zunehmen - wahrscheinlich, weil Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern bis ins Gehirn vordringen und dort Entzündungen auslösen können, sagte Tamara Schikowski.

Die ideale Stadt ist grün - aber nicht voller Birken

Wie sieht also eine Umgebung aus, die all diese Belastungen reduziert? Es ist vor allem eine Umgebung mit wenig Verkehr, darin waren sich die Fachleute einig. "Es wäre schon viel erreicht, wenn die Autos in den Städten langsamer fahren und die stark bebauten Innenstädte frei von Autos sind", sagte Tamara Schikowski. Auch autofreie Sonntage, wie sie Deutschland einst während der Ölkrise erlebte, könnten die Feinstaubbelastung reduzieren: "Ich glaube, wir alle können sonntags mal auf das Auto verzichten". Hilfreich seien auch viele Grünflächen; sie puffern Schadstoffe und Hitze ab, Bäume spenden Schatten.

Dabei würde sich Bianca Schaub allerdings wünschen, sehr genau darauf zu achten, welche Pflanzen man in den städtischen Anlagen ansiedelt. "Für Allergiker wäre es hilfreich, wenn man weniger Birken und stattdessen zum Beispiel mehr Platanen pflanzen würde."

Um UV-Belastungen abzumildern, sprach sich Berneburg für Sonnensegel über Spielplätzen und Cafés aus. Tagesaktivitäten in öffentlichen Einrichtungen sollten an die Sonnenstrahlung angepasst werden - so sollten zum Beispiel Sommerfeste oder Sportunterricht nicht in die Mittagsstunden gelegt werden. Wichtig sei auch, das Verhalten an den UV-Index anzupassen, der angibt, wie viel der schädlichen Strahlung zu erwarten ist. Experten fordern schon lange, den Index an öffentlichen Orten wie Freibädern oder Parks anzuzeigen.

Solange dies nicht umgesetzt ist, sollten sich Einwohner selbst informieren ( siehe hier) und sich entsprechend schützen. Dies heißt vor allem, an den Mittagsstunden die Sonne zu meiden, lange, leichte Kleidung und einen Sonnenhut zu tragen sowie mehrmals täglich Sonnencreme zu benutzen, sagt Berneburg.

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Allergiker können sich einer Hyposensibilisierung unterziehen. Ansonsten sollten sie die Auslöser so gut es geht meiden, sagt Katrin Milger-Kneidinger. Andernfalls können sie situationsbedingt eine Maske tragen, sie schützt nicht nur vor Krankheitserregern, sondern auch sehr gut vor Pollen. Wer an einer viel befahrenen Straße wohnt, kann die Anschaffung eines Luftfilters erwägen, um Feinstaubpartikel aufzufangen, sagte Tamara Schikowski.

Die Experten:

Prof. Dr. Mark Berneburg, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg

PD Dr. Katrin Milger-Kneidinger, Leiterin der Ambulanz für Pulmonale Hypertonie und Asthma an der Medizinischen Klinik und Poliklinik V der LMU München

Prof. Dr. Bianca Schaub, Fachbereichsleiterin Allergologie - Pneumologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München

Dr. Tamara Schikowski, Leiterin der Arbeitsgruppe Umweltepidemiologie von Lunge, Gehirn und Hautalterung am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf

Moderation:

Prof. Dr. Thomas Ruzicka, ehemaliger Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie der LMU München.

Berit Uhlmann, SZ-Wissenschaftsredakteurin

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