Wahlabend in der Nachlese:FDP nimmt Fünf-Prozent-Hürde ganz knapp

Ministerpräsident Söder will mit den Freien Wählern regieren. (Foto: dpa)
  • CSU und SPD verlieren bei der Landtagswahl drastisch, die Sozialdemokraten verpassen sogar ein zweistelliges Ergebnis.
  • Große Gewinner sind die Grünen, die ihr stärkstes Ergebnis in Bayern erzielen. Auch die Freien Wähler legen zu und bringen sich bereits für eine Koalition mit der CSU in Stellung.
  • Die AfD wird viertstärkste Fraktion.
  • Die FDP schafft ganz knapp den Einzug in den Landtag, die Linke scheitert.
  • Die Wahlbeteiligung lag mit 72,4 Prozent deutlich höher als 2013 (63,6).

Der Wahlabend in der Liveblog-Nachlese:

Isabel Bernstein
Isabel Bernstein

Willkommen zum Live-Blog

Die Wahlbüros sind seit 8 Uhr geöffnet, bis 18 Uhr können die Bürgerinnen und Bürger in Bayern ihre Stimme abgeben. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen: Es wird ein spannender Tag. Nur zwei Dinge scheinen derzeit klar: Die CSU wird nicht mehr alleine regieren können wie bisher, und das Plenum wird wohl so viele Parteien umfassen wie noch nie. Neben CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern haben auch AfD, FDP und die Linke Chancen auf den Einzug in den Landtag. Werden die Stimmverluste für die CSU so eklatant sein, wie der letzte "Bayerntrend" vor der Wahl vor einer Woche vermuten lässt? Wie stark schneidet die AfD ab? Schaffen FPD und Linke den Einzug ins Maximilianeum? Werden die Grünen ihr erstes Direktmandat holen? Und nicht zuletzt: Welche Koalitionen werden am Ende des Abends rechnerisch möglich sein?
Ingrid Fuchs
Ingrid Fuchs

Guten Morgen aus dem bayerischen Landtag!

Politiker sind hier noch nicht in Sicht, dafür mobile Fernsehstudios, jede Menge Kameras und Reporter. Von hier oben sieht die Landeshauptstadt ziemlich friedlich aus, strahlender kann ein Herbsttag kaum sein. Davon, dass es am Abend zu einer ordentlichen Erschütterung im Maximilianeum kommen könnte, spürt man nichts.

Ministerpräsident Markus Söder, der erst seit einem guten halben Jahr im Amt ist, muss mit einer ziemlichen Watschn für die CSU rechnen - dabei hat er sich doch mit seinem ambitionierten Regierungsprogramm (das waren diese milliardenschweren hundert Punkte, die er im April vorgestellt hat) nicht auf einen Sprint nur bis zur Wahl eingestellt, sondern auf einen Marathon. Das betonte Söder immer wieder. Nun ja, den Marathon greifen heute andere an: Rund um den Landtag findet der München Marathon statt. Und der Landesvater? Hat gerade in Nürnberg seinen Stimmzettel in die Urne geworfen und dürfte sich demnächst auf den Weg in die Hauptstadt machen. Per Dienstlimousine versteht sich.
Dominik Fürst
Dominik Fürst

Erst mal spazieren gehen

Ministerpräsident Söder hat seine Stimme in Begleitung seiner Frau Karin in Nürnberg abgegeben. „Jetzt heißt es abwarten und erholen, Ruhe und Kraft genießen“, sagt er. Er werde erst mal spazieren gehen, bevor er am Nachmittag nach München fahre. Ob er sich vor dem Ergebnis fürchte, wird er gefragt. „Wir haben alles gemacht, gekämpft“, sagt Söder.
dpa
Isabel Bernstein
Isabel Bernstein

Wie gewählt wird, was die Parteien versprechen


Wie ist das nochmal mit der Erst- und Zweitstimme? Wie wird die Sitzverteilung für den Landtag berechnet? Und was hat es mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten auf sich? Einen kleine Anleitung zur bayerischen Landtagswahl finden Sie unter diesem Link. Und wenn Sie noch unentschlossen sind, wen Sie wählen sollen - hier ist ein Überblick über die Wahlversprechen der Parteien:
Isabel Bernstein
Isabel Bernstein

Wer zittern muss


Einige profilierte Politiker müssen um ihr Mandat fürchten, allen voran Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), die in Unterfranken zwar über die Liste antritt, aber nur schlechte Erfolgsaussichten hat. Auch der ehemalige CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle muss zittern, er tritt in seinem Wahlkreis Schwabing in München gegen starke Konkurrenz an. Auch für Finanzstaatssekretär Hans Reichhard (CSU) und den früheren Fraktionschef der Grünen, Sepp Dürr, dürfte es eng werden, über die Liste in den Landtag gewählt zu werden.
Dominik Fürst
Dominik Fürst

Erinnerungsfoto mit Katharina Schulze

Sie könnte die heimliche Siegerin des heutigen Wahltages werden: Katharina Schulze, neben Ludwig Hartmann Spitzenkandidatin der Grünen. Auch sie hat schon gewählt, wie Kollege Thomas Anlauf berichtet:

"Als Katharina Schulze um Punkt zehn Uhr das Wahllokal betritt, setzt Orgelmusik ein. Nicht wegen der Spitzenkandidatin der Grünen, es liegt am Ort des Geschehens. Schulze wählt im Stimmbezirk 0920 in München, das Wahllokal ist im Pfarramt St. Clemens, die Kirche direkt nebenan. Die 33-Jährige steht artig in der langen Warteschlange der Wähler, um kurz vor zehn stehen die Menschen bis auf die Renatastraße in Neuhausen. Vor Schulze steht ein junges Paar, der Mann dreht sich um und fragt, ob er von Schulze ein Handyfoto machen darf. 'Von mir?', fragt sie und lacht. Sie hebt fürs Foto die linke Hand, formt mit den Fingern ein V für Victory und sagt lachend: 'Servus!'"



Foto: Catherina Hess
Ingrid Fuchs
Ingrid Fuchs

Sieben Bezirke, fünf Gerichte

Vor und in den Fraktionssälen der verschiedenen Parteien im Landtag laufen die Vorbereitungen übrigens schon auf Hochtouren. Banner mit Parteilogos hängen an den Wänden, Bühnen sind aufgebaut, Mikros und Kameras stehen für den Abend bereit. Die Grünen haben sich riesige Sonnenblumen-Sträuße in den Fraktionssaal stellen lassen, bei Freien Wählern und SPD sieht es noch sehr nüchtern aus. Bei der CSU bleiben die Türen erst mal lieber zu.

Und natürlich gibt's für jede Partei ein Buffet - und zwar überall das gleiche. So viel Gerechtigkeit muss sein. Fragt sich nur, wo der im Landtag so geachtete Regionalproporz geblieben ist. Normalerweise wird immer streng darauf geachtet, dass jeder der sieben Regierungsbezirke gleichermaßen vertreten ist. Wird die Currywurst also typisch fränkisch oder traditionell oberpfälzisch sein?
Elisa Britzelmeier
Elisa Britzelmeier

Langes Warten vor dem Wahllokal

Nein, hier geht es nicht zum Hinterhofflohmarkt, und Freibier gibt es auch nicht: In der Isarvorstadt in München steht man Schlange vor dem Wahllokal, bis raus auf die Straße.
Birgit Kruse
Birgit Kruse

Die Wahlbeteiligung ist zuletzt gesunken


Mit der CSU und ihrem Spitzenpersonal sind die Bayern derzeit nicht besonders glücklich. Mit der Arbeit von Ministerpräsident Söder waren im jüngsten Bayerntrend nicht einmal mehr die Hälfte der Befragten zufrieden. Nur noch 23 Prozent sprechen sich für eine Alleinregierung der CSU aus. Ob die negative Stimmung unter den Wählern dazu führen wird, dass wieder mehr Menschen ihre Stimme abgeben, ist fraglich. Seit 1990 lag die Wahlbeteiligung stets unter 70 Prozent, 2003 erreichte sie mit 57,1 Prozent den niedrigsten Wert der Nachkriegszeit. Bei der Landtagswahl 2013 gingen immerhin wieder 63,3 Prozent der Wahlberechtigten Bayern an die Urnen.
Datenrecherche: Witzenberger; Grafik Eiden
Dominik Fürst
Dominik Fürst

"Ich bin regelrecht aufgeregt"

Dass bei dieser Wahl alte Gewissheiten nicht mehr gelten, zeigt das Beispiel Nürnberg, wie Kollege Olaf Przybilla berichtet:

"In einem Wahllokal in Nürnberg-Nord sieht es um die Mittagszeit aus, wie man sich eine urbane Wohnungsbesichtigung vorstellt. Eine allerdings in München oder Hamburg. Vergleichbare Schlangen - die Menschen stehen meterlang in den Gängen der Uhlandschule - gab es bei keiner der vergangenen Wahlen um diese Zeit. Liegt‘s am strahlend schönen Wetter in Franken? Oder an der politischen Lage? In Nürnberg-Nord wird ein Kopf-an-Kopf-an-Kopf-Rennen der CSU-Kandidatin und der beiden Bewerber von SPD und den Grünen erwartet. Dass ein Grüner eine Chance auf ein Direktmandat in der historischen Arbeiterstadt Nürnberg haben könnte - das gab es dort noch nie. Heftig umkämpft aber war der Stimmkreis schon immer. Nur eben zwischen SPD (Renate Schmidt etwa) und CSU (Günther Beckstein zum Beispiel). 'Ich bin regelrecht aufgeregt', sagt eine Dame in der Schlange."
Birgit Kruse
Birgit Kruse

So war die Sitzverteilung im bayerischen Landtag bisher


Bei der Wahl 2013 hat die CSU noch 101 der insgesamt 180 Sitze im Parlament gewonnen, 89 davon direkt über die Erststimme. 124 waren es gar 2003, als die CSU unter Edmund Stoiber mit einer Zweidrittelmehrheit regieren konnte. Diese Zeiten werden nach dem heutigen Wahlabend wohl vorbei sein. Ohne Koalitionspartner werden die Christsozialen die erforderliche Parlamentsmehrheit wohl kaum aufbringen können. Ebenfalls vorbei sein wird die Zeit, in der in der Regel vier Parteien im Parlament vertreten waren.
Datenrecherche: Witzenberger; Grafik Eiden
Camilla Kohrs
Camilla Kohrs

Eindrücke aus dem Münchner Norden

„Seitdem ich wählen darf, ist das der Tiefpunkt in der deutschen Politik“, sagt ein junger Familienvater. Er kommt gerade mit seiner Partnerin und ihren zwei Töchtern aus dem Wahlbüro im Olympischen Dorf in München. Für welche Partei sie gestimmt haben, verraten sie nicht, nur so viel: Gegen die bestehende Regierung. Sie stören sich vor allem an den Abschiebungen und der Rhetorik in der Flüchtlingspolitik. Ihr Namen wollen sie - wie alle hier - lieber nicht veröffentlicht sehen.

Einer jungen Erstwählerin, 21, ist es wichtig, dass es mehr soziale Politik gibt. Sie habe lange zwischen Grünen und Linken geschwankt, und sich dann für die Grünen entschieden - eher aus einem Bauchgefühl heraus.

„Wir vermissen den Mittelweg“, sagt eine Frau, 44. Sie ist mit ihrem Ehemann, 48, zum Wahlbüro in die Schule gekommen. Die Wahl sei ihnen in diesem Jahr besonders schwer gefallen, sie haben das Gefühl, die Politik drifte ab in Extreme, sagen sie. Aber dann hätten sie doch noch eine Partei gefunden. Welche, sagen sie nicht. "Ich sage aber ganz offen: Ich habe Angst vor dem Wahlausgang", sagt die Frau. Wovor genau? „Vor der AfD“.
Dominik Fürst
Dominik Fürst

Einen Ausweis braucht es zum Wählen nicht zwingend

In den sozialen Medien wird vor Wahlbetrug gewarnt: In vielen Wahllokalen würden keine Ausweise kontrolliert, beschweren sich einzelne Twitter-Nutzer. Dabei gibt es so etwas wie eine Ausweiskontrollpflicht freilich gar nicht. Wer seine Wahlbenachrichtigung dabei hat und ins richtige, ihm zugewiesene Wahllokal geht, darf seine Stimme abgeben – ohne weitere Identitätsprüfung. „Jede stimmberechtigte Person kann ihr Stimmrecht nur einmal und nur persönlich ausüben“, heißt es dazu im Landeswahlgesetz.


Dominik Fürst
Dominik Fürst

Hohe Wahlbeteiligung deutet sich an

Vor den Wahllokalen, zumindest in den Großstädten, bilden sich lange Schlangen. Es dauert eine Zeit, bis man seine Stimme abgeben kann. Es zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. In München lag sie laut Wahlamt bis 12 Uhr bei 41,1 Prozent, das waren 3,3 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren. Auch in Nürnberg gaben bis Mittag mehr Wähler ihre Stimme ab als 2013: Laut Wahlamt waren es 26,1 Prozent, vor fünf Jahren 21,2 Prozent.
Dominik Fürst
Dominik Fürst

Der SPD droht der Absturz

Auch Natascha Kohnen hat gewählt. Das ist die Frau (rechts im Bild mit ihrer Tochter), die neben Markus Söder zur tragischen Figur der Landtagswahl werden könnte. Als SPD-Spitzenkandidatin wird sie aller Voraussicht nach den Absturz ihrer Partei auf etwa 12 Prozent verantworten müssen. So sagen es jedenfalls die jüngsten Umfragen voraus. Kohnen blieb im Wahlkampf lange leise und fast unsichtbar - gegen den omnipräsenten Ministerpräsidenten Söder und den strahlenden Neuling der Grünen, Katharina Schulze, reicht das wohl einfach nicht.
dpa
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